Die Geschichte eines Ortes wie Mehrow ist zwangsläufig sehr eng mit der Landwirtschaft verbunden und wird es hoffentlich auch noch lange bleiben. Es wäre schade, wenn eines Tages Mehrow nur noch reiner Wohnort wäre und hier kein Landwirtschaftsbetrieb mehr arbeiten würde.

In den Jahren nach dem letzten Krieg ist Mehrow besonders stark von der Entwicklung in der Landwirtschaft geprägt worden - sicher auch von der technischen Entwicklung, aber vorallem durch den in kurzen Abständen wiederholt vollzogenen, grundlegenden Wechsel der Besitzverhältnisse.

Bis Ende der 30er Jahre war Mehrow geteilt in Rittergut und Dorf.

Auf der einen Seite gab das Gut mit Gutshof, Gutshaus ("Schloß"), verschiedenen Betrieben (Molkerei, Mühle, Brennerei, Gärtnerei usw.) und einem Vorwerk (Trappenfelde). Das irgendwann im 17. Jahrhunder zum Rittergut avancierte Gut hatte häufig wechselnde Besitzer, war Ende des 19. Jahrhunderts viele Jahre verwaist und kam 1900 in die Hände des Berliner Industriellen Robert Stock. Der brachte das Geld mit, das andere vor ihm mehr schlecht als recht versucht hatten, hier zu verdienen. Nach seinem Tode fiel das Gut an seine Tocher Anna und deren Ehemann Max Bothe, die aber offenbar beide nicht sehr viel von Landwirtschaft verstanden und das Gut nach anfänglicher Blüte in Richtung Konkurs führten.

Auf der anderen Seite war das Dorf mit drei großen landwirtschaftlichen Betrieben, den Bauernhöfen Meißner, Thürling und Brederecke und mehreren Kossäten, denen etwas eigenes Land zur Bewirtschaftung zur Verfügung stand.

Als 1938 Anna Bothe als letzte Gutsbesitzerin aufgegeben und für gut 1 Million Reichsmark das Gut an die Landgesellschaft "Eigene Scholle" verkauft hat, jubelte die Presse, daß Mehrow endlich wieder ein Bauerndorf sei.
Dabei wurden aber nicht die drei oben genannten, alteingesessenen Bauern auf's Siegerpodest gehoben, sondern jene, denen das ehemalige Gut zufiel: von Truchseß, Dr. Senf, Friederici, von Helldorff und die Siedler, die hier angesetzt wurden.

Über die Kriegszeit gab es in Mehrow nebeneinander Bauern mit unterschiedlich großem Besitz, die offenbar ganz gut miteinander ausgekommen sind: "Leben und Leben lassen" - unterschiedliche politische Gesinnungen spielten hier bei weitem nicht die Rolle, die man in einem zum "SS-Vorzeigedorf" erhobenen Ort erwartet hätte.

Zum Kriegsende waren dann trotzdem die zuletzt gekommenen (egal ob Groß- uder Kleinbauer) als erste wieder verschwunden - jene, die ihr Grundstück über das "Rasseamt" der SS erhalten hatten, wollten nicht warten, bis die Russen am Gartenzaun stehen ...

Die wenigen, die gefahrlos bleiben konnten, mußten aber auch erstmal sehen, wie sie über die Runden kommen - das halbe Dorf war Sperrgebiet der Besatzer und jeder war bemüht, sich so wenig wie möglich draußen sehen zu lassen.

Ein paar Monate später war die Rote Armee aus dem Ort verschwunden und es kamen immer mehr Trecks von Vertriebenen aus den Gebieten jenseits der Oder. Die Bodenreform setzte ein: Ein paar wenige Höfe im Neubauern-Format gab es zu vergeben, auf die restlichen Neuankömmlinge wurden die Besitzungen der verschwundenen Siedler verteilt. Die Alt-Mehrower Bauern Meißner, Thürling und Brederecke konnte zunächst wirtschaften wie über Jahrzehnte zuvor.

Einige von denen, die nach Mehrow kamen und hier Neubauern wurden, haben sehr schnell wieder aufgegeben, oft weil sie gar keine Bauern waren und mit der harten Landarbeit völlig überfordert waren. Als sich der "harte Kern" der Neubauern persönlich und wirtschaftlich ganz gut eingerichtet hatte, wurde der Druck "von oben" immer stärker und für viele so unerträglich, daß sie ihren Betrieb aufgegeben haben und weggezogen sind - in der Regel in den Westen.

Da es in den Städten nachhaltige Versorgungsprobleme gab, wurde für die Bauern das Abgabesoll immer höher geschraubt und das Strafmaß für Verfehlungen wie "Schwarz-Schlachten" so hoch gesetzt, daß auch und vorallem die verbliebenen Bauern mit größerem Besitz das Weite - sprich: den Westen gesucht haben. Adolf Thürling hat angeblich für's "Schwarz-Schlachten" vier Jahre Zuchthaus bekommen - daß der vor Strafantritt "geflitzt" ist, kann man wohl verstehen ...

Was die "Republikflüchtigen" und anderweitig ausgeschiedenen zurückgelassen haben, wurde hier und anderswo meist erstmal den ÖLB's (örtlichen Landwirtschaftsbetrieben) zugeschlagen, was jedoch die verlassenen Höfe selten zur Blüte führte.

Zwischenzeitlich hatten sich die ersten, nicht immer ganz freiwillig, dazu überreden lassen, ihren Landwirtschaftsbetrieb in eine LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) einzubringen.

Der erste Zusammenschluß, die LPG "Karl Liebknecht" war ein Rohrkrepierer und hat kaum ein Jahr durchgehalten, obwohl sie mit dem Hof einen "geflitzten" Mehrower "Groß"bauern eine ganz gute Ausgangsbasis hatte. Nach wenigen Monaten gab es schon mehr Industriebetriebe, die ausstehende Lohnzahlungen für Entehelfer bei "Karl Liebknecht" eingeklagt haben, als die LPG je an Mitgliedern besessen hat.

Der zweite Versuch, die LPG "Morgenrot" hat dann schon besser geklappt. Im Sommer 1954 gegründet, hat sie sich ganz gut entwickelt, obwohl die ersten Führungsrigen nicht immer Starbesetzungen waren. Ein paar Jahre später war das ein rentables Unternehmen, das bis zur DDR-Ende gut durchgehalten hat und seinen Mitgliedern nach der Wende trotz Treuhand (!) noch ein paar Annehmlichkeiten in Form von Entschädigungszahlungen bereitet hat.

Grund, ihren LPG-Beitritt zu bereuen, hatten die "Morgenrot"-Mitglieder wohl nicht - die politische Führung hat nur leider damals nicht begriffen, daß man nicht jeden zu seinem Glück zwingen kann und muß ...
Ein paar ganz hartnäckige, die zwar dem staatlichen Druck zur Kollektivierung nicht widerstehen konnten, aber wenigstens ihr Gesicht und ein kleines Bißchen Selbständigkeit bewahren wollten, haben Anfang 1960 in Mehrow die LPG "Einheit" und in Trappenfelde die LPG "Frohe Zukunft" gegründet. Mitte März 1960 konnte der Mehrower Bürgermeister dann stolz von einem "vollgenossenschaftlichen Dorf" berichten.

Damit war von den Mitgliedern der neuen Genossenschaften vorerst der Druck weg - denn so, wie man sich durch Mitgliedschaft in einer "Blockpartei" vor permanenter SED-Anmache schützen konnte, war man in solch einer kleinen Typ-I-LPG (mit eigener Wirtschaft) erstmal vor der Typ-III-Anmache ("alles weg ...") sicher.

Im Gegensatz zur Parteienlandschaft, wo weder damals noch heute einen Partei beweisen wollte und konnte, daß sie die Bessere ist, hat auf dem LPG-Sektor letztendlich die Wirtschaftlichkeit über den Fortbestand einer Genossenschaft entschieden, auch wenn da mitunter staatliche Weichenstellungen eine Rolle spielte. Spätestens, als der Maschinenpark der ehemals eigenständigen MTS' (Motoren- und Traktoren- Station) Ende der 60er den großen LPG'en zugeschlagen wurde, war dies das Aus der kleinen LPG'en. Konnten die sich vorher dank ihrer größeren Flexibilität ganz gut durch etwas "Bakschisch" einen Vorteil bei der Maschinentzuteilung verschaffen, mußten sie nun bei der Konkurrenz betteln gehen ...

Nachdem die "Frohe Zukunft" nur kurze Zeit andauerte, hat die "Einheit" ein paar Jahre gehalten, bis sie sich, zwischenzeitlich reichlich überaltert, dem "Morgenrot" zugewandt hat.

Daß auch bei der ansich gut funktionierendem LPG "Morgenrot" auch immer mal was daneben ging, zeigen folgende Artikel:

Einen Einblick in das Tagesablauf der LPG liefert u.a. folgende Facharbeiterarbeit über die Broilermast in Mehrow. Und auch zum Trawopolnaja-System gibt es Aufklärung.
Und ein paar Zahlen zur LPG haben wir natürlich auch zu bieten ...


Über die Vor-LPG-Zeit berichtet der Artikel Ackerbau in Mehrow in den 30er Jahren