So wie wir für das jetzige Gemeinde- und frühere Kultur- bzw. Gutshaus die klangvollere Ur-Bezeichnung "Schloß" gewählt haben, so wollen wir für das Ungetüm am nördlichen Ortsausgang die bis zum Krieg übliche Bezeichnung "Schloßmühle" benutzen, obwohl auch dieses Gebäude zwischenzeitlich viel profanere Namen hatte.

Aus Ahrensfelde kommend, sieht man diesen Koloß schon viel eher als das eigentliche Dorf und die üblicherweise eine Dorfsilhouette dominierende Dorfkirche.
Und wenn man da die halsbrecherische Kurve in den Ort mit angemessener Geschwindigkeit nimmt, fährt man direkt darauf zu (andernfalls wie so viele an den Baum in der Kurve, der förmlich den verrosteten Zaun des Mühlengeländes vor Autos schützt).
Die Mehrower Mühle, so wie man sie aus Ahrensfelde kommend sieht

Die Mehrower Mühle von Westen Auch wenn man sich die Lagerhalle und die zerfallenen Betonsilos auf dem Gelände und die scheußlichen metallenen Zutaten am Haus weg denkt - der Anblick wird einfach nicht schöner.
Da gibt es eigentlich nur eins: sprengen!
Aber ganz so leicht sollte man es sich nicht machen, denn bei näherem Hin- (und vorallem Hinein-)sehen hat die Mühle doch jede Menge Interessantes und Erhaltenswertes zu bieten.

Wann die Mühle gebaut wurde, wissen wir leider nicht - in Anbetracht des Feldstein-Sockels kann das aber schon eine ganze Weile her sein. Auf den uns bekannten "Stadtplänen" Mehrows von

ist an dieser Stelle immer ein Gebäude in den Abmessungen der Mühle eingezeichnet, allerdings auch immer ein Parallelbau in den gleichen Abmessungen. Worum es sich dabei handelte und wann der verschwunden ist, können wir leider noch nicht sagen.

Der Mehrower Gutshof um 1900, darin farbig markiert die Mühle

Die Mehrower Mühle von Osten

Unklar ist auch noch, wann die Mühle auf die jetzige Höhe aufgestockt wurde. Am Giebel und auf der von Anbauten freien Ost-Seite sieht man deutlich, daß es sich um einen ursprünglich eingeschossigen Feldsteinbau handelte, der offenbar in zwei Etappen aufgestockt wurde: zunächst um eine Etage mit roten Ziegeln und dann nochmal sehr reichlich mit braunen Steinen. Denkt man sich die Aufstockungen weg, gäbe es keinen Grund, sich der Mühle zu schämen ...

Wenn man sich obigen Plan vor Augen hält, ist eigentlich kaum vorstellbar, daß die Mühle damals bei einem so dicht stehenden Gebäude schon die jetzige Höhe hatte.

Und schaut man sich auf der Seite "Mehrow um 1900" die Aufnahme der Kirche von 1901 an, so erkennt man rechts neben dem Schornstein der ehemaligen Brennerei ein Gebäude mit etwa gleicher Firsthöhe wie die Kirche - das ist offenbar das an die Mühle angebaute Wohnhaus. Rechts davon, wo jetzt die alles überragende Mühle steht, ist aber nur ein relativ flacher Bau. Offenbar hatte damals die Mühle noch die Höhe des Feldsteinsockels.

Mehrow 1901, am rechten Bildrand die Mühle

Da, wie aus Eberswalde verlautet, die Mühle unter Denkmalschutz gestellt werden soll, sei die Überlegung angeregt, sich mit dem Schutz auf das zu beschränken, was wirklich alt und schützenswert ist und ggf. einen Rückbau der Mühle auf die ursprüngliche Höhe zuzulassen.

Hartmut Raetz

Wenden wir uns jetzt aber ersteinmal dem Innenleben der Mühle zu und bedienen wir uns dabei einer sachkundigen Führung von "Müller" Hartmut Raetz (links) und nachträglichen Erläuterungen von Kurt Berg, der viele Jahre Schlosser in der Mühle war und sicher jetzt noch bei jeder Achse und Welle sagen kann, wo die Ölkanne angesetzt werden muß.

Die Mühle mußte in den letzten 50 Jahren die verschiedensten Verwendungszwecke erfüllen. Ursprünglich war es mal eine "ganz normale" Getreidemühle, in der Mehl produziert wurde. Danach diente sie einige Jahre nur als Lager, bis dann die LPG'n in die Gänge kamen und in großen Mengen Tierfutter gebraucht wurde. Das war die (Wieder-) Geburtsstunde der Mühle als Mischfutterwerk. Wir wollen mal versuchen, den Weg zu beschreiben, den seinerzeit das Getreide bis zum fertigen Mischfutter durchlaufen hat.

Das Getreide als Grundlage für das Mischfutter wurde per LKW in befahrbare Aufnahmebehälter vor der Mühle angeliefert.

Von dort wurde es über horizontale Trogförderer in die Mühle zu einem Elevator befördert. Dabei handelte es sich um ein sogenanntes Becherwerk, d.h. einen umlaufenden Gurt mit daran befestigten Bechern, der das Schüttgut nach oben geförderte. Auf die charakteristischen blauen Blechschächte des Elevators trifft man immer wieder in Haus.
Rechts ist ein sogenannter Elevatorkopf zu sehen, wo die Becher in einen schräg nach unten verlaufenden Schacht entlehrt wurden.
Ein Elevatorkopf

Ein Trogförderer im Dachgeschoß Unter dem Dach wurde das Getreide dann wieder an einem Trogförderer weitergereicht, der es mittels drehender Schnecken einem der gebäudehohen Silos zugeführt hat.
Einige der offenbar großem Verschleiß unterlegenen und deshalb reichlich bevorrateten Transport-Schnecken der Trogförderer warten im Gebälk des Mühlendaches vergeblich auf ihren Einsatz. Transport-Schnecken für den Trogförderer

Im Keller, unterhalb der über die gesamte Gebäudehöhe reichenden Silos befinden sich automatische Zählwaagen. In denen wurde das aus den Silos herabströmenden Getreide gewogen, dosiert und in einem vorgegebenen Verhältnis gemischt.

Über Querförderer im Boden wurde die Mischung dann wieder Elevatoren zugeführt und in einen der Mischfutterbehälter über der Hammermühle gespeichert. Einer dieser je ca. 5 to fassenden Behälter bediente immer die Hammermühle, während der andere gerade gefüllt wurde.

Zählwaagen unterhalb der Silos

Mischbehälter In diesen Behältern wurden der Mischung dann auch die verschiedensten Zusatzstoffe wie Futterkalk, Vitamine, Antibiotika usw. beigemengt, die in Säcken auf einem der Zwischenböden gelagert wurden.
Rechts sind auch wieder die allgegenwärtigen Elevatorschächte zu sehen.
Zwischenboden zur Lagerung von Zusatzstoffen

Die Hammermühle Aus dem Mischbehälter rutschte dann das Getreide über ein Rohr auf einen Rüttelschuh, der mit seiner Rüttelbewegung dafür sorgte, daß das Getreide gleichmäßig in den Trichter der Hammermühle fiel. In der Hammermühle wurde das Getreide dann regelrecht zertrümmert.

Die übliche Produktionsmenge pro Mischung betrug 5 Tonnen.

Bei Legehennenfutter, das KIM ("Kombinat Industrielle Mast") in großen Mengen abnahm, wurden aber auch schon mal 30...40 Tonnen pro Mischung produziert.

Im Hintergrund Filtersäcke Aus dem Auffangbehälter der Hammer-mühle (links) wurde das fertige Mischfutter wieder einem Elevator zugeführt, der es entweder für Großabnehmer in das Silo außerhalb der Mühle beförderte oder zur Sackabfülleinrichtung (rechts) transportierte.

Auf dem linken Bild sind im Hintergrund Filtersäcke zu sehen, in denen Getreibestaub aus der Luft gefiltert wurde.

Die Sack-Abfüllanlage

Eine interessante Maschine hatte allerdings schon Museumsreife, als die Mühle noch Mischfutter produziert hat: Auf einer der Etagen findet sich eine aus der Zeit der Mehlproduktion stammende "Sack-Ausklopf-Maschine".
Das ist eine Art großer Kleiderschrank, in den die Jute-Säcke hineingehangen und über einen mittels quer verlaufender Nockenwelle angetriebenen Mechanismus automatisch geschüttelt und geprügelt wurden.
Die Sack-Ausklopf-Maschine

Zurück zum Denkmalschutz: Vieles in der Mühle ist sehens- und manches sicher auch erhaltenswert. Wie an vielen Stellen stellt sich halt nur die Frage, wer das erhalten und vorallem bezahlen soll. Der ideale Investor wäre einer, der einerseits der Mühle wieder ein attraktives, dem historischen Vorbild entsprechendes Äußeres verpaßt (Rückbau!) und andererseits soviel vom Innenleben der Mühle übrig läßt, daß ehemalige Arbeitsabläufe noch nachvollziehbar sind. Und der das Ganze der Öffentlichkeit zugänglich macht ...

Nachtrag: Vorstehender Artikel ist vom Dezember 2001.
Nach zwischenzeitlicher Nutzung als Rumpelkammer ist die Mühle im Mai 2012 beim Entkernen abgebrannt. Mehlstaub und Trennschleifer-Funken haben sich nicht vertragen. Im Oktober 2017 hat der Orkan Xaver weitere Teile zum Einsturz gebracht.
Irgendwann ist die Ruine so alt, dass sie nicht mehr abgetragen werden darf ...