Der 31.12.2016
Bericht des Chronisten OT Ahrensfelde, Paul Plume

Es ist wieder so weit: Silvester 2016 und es ist heute 10:15 - ich habe mich beim Frühstücks­kaffee verplaudert - trete also vor die Tür: Null Grad Celsius haben wir, es ist ein schöner klarer Himmel und Raureif pur liegt immer noch von der kalten Nacht auf den Dächern und auf dem zusammen gesunkenen Gras in den Vorgärten. Wer mit dem Auto los muss, muss kratzen. Es weht ein leichter Wind.

Da ich „später“ als in den Vorjahren starte, sind jetzt schon die nach Tegel einfliegenden Flugzeuge am Himmel zu sehen, so entschließe ich mich, sie zu zählen, dann wird es am Ende einen Anzahl geben, die ich durch die Minuten teilen werde, mal sehen, was dabei herauskommt.

Also zurück auf die Erde: Ich vermisse hier die Vögel! Dafür zwei Radfahrer auf der Lindenberger Straße und dpd bringt die Pakete. Im Zugehen auf die Schranke ist dort rot, die Bahn kommt aus Berlin und mir scheint die tief stehende Sonne warm auf den Rücken. Nun doch zwei Elstern, die sich auf der Konifere auf dem allerhöchsten Zweig nieder­gelassen haben. Ja, es hat lange gedauert, aber nun sind die letzten vier Grundstücke entlang der Lindenberger Straße (Süd) vergeben, ein Haus ist schon bewohnt, das nächste steht im Rohbau als Plattenbau, dann weiter ist schon die Bodenplatte erstellt und die YTONG-Steine sind gestapelt und beim Letzten ist alles glatt geschoben: Es kann beginnen. So können wir je nach Baufortschritt schon bald die neuen Mitbewohner begrüßen. Mein Schatten ist am Eichbaum 8 m lang, was auf einen Sonnenstand von ca. 12 Winkel-Grad schließen lässt.

Mitten auf den Schienen stehend (der Zug ist durch!) schaue ich in Richtung Werneuchen und dann in Richtung Berlin: Die Gleise schließen sich in der Perspektive zusammen - so war es schon in der Kindheit bei schnurgeradem Verlauf. Da drüben der Spitzahorn von (ca. 1908) am sowjetischen Ehrenfriedhof steht noch - soll er fallen? - dann müssen sich auch die beiden Krähen dort oben einen anderen Rastplatz suchen. Unser Jugendclub hat noch keinen Namen und da drüben das Gelände der „Alte Gärtnerei“ schläft weiter vor sich hin. Dann wird wohl die Ulmenallee in Richtung Friedhof davon unbeeindruckt bald eine glatte Schwarzdecke bekommen und eventuelle Anbindungen müssen dann noch einmal geplant werden. Immerhin gibt es dann in 2017 eine glatte Zuwegung für die Gäste der inter­nationalen Garten-Ausstellung, die den Friedhof besuchen. Beim Jugendclub entlang der Ulmenallee hängt immer noch der oberste Zaundraht in seine Länge gerissen und geflickt, vielleicht hat mal jemand eine Zange, rödelt das nach und spannt den Draht?

Zwei Kinder kommen vom Dauerlauf nach Hause in das schöne neue Haus gegenüber der Arztpraxis, die Anoraks genauso grün wie der grüne neue Rasen! Ich folge der Ulmenallee Richtung Berlin, die Herderstraße bleibt rechts. In den Fenstern unserer Nachbarn ist noch Weihnachtsdekoration, Schwibbögen, Lichterketten und hier und da ein Herrnhuter Stern. Auch hier ist immer noch Reif auf den Dächern. Am Straßenrand steht ein Kofferwagen der Firma „B&O“: „Wir stellen ein“ und es folgt eine gute Liste von Ausbau-Gewerken, ja das fiel mir schon im November auch auf der Dorfstraße auf: „Elektro-Monteure gesucht“ - findet sich keiner? Dort drüben ein Jogger und die Bahn kommt wieder geschnurrt (10:40). Unser Sportplatz pausiert heute, jedoch gerne denke ich an die vielen Ereignisse dort, insbesondere den Fußball-Wettbewerb der Kinder- und Jugendmannschaften im Sommer, wo ich gute Freunde von „Preußen Eberswalde“ aus Oderberg und viele andere traf. Sie kommen alle gerne zum Wettbewerb! Schaut man in der Achse der Zufahrt genau geradeaus, sieht man am Horizont die Lindenberger Wind-Kraftwerke.

Über mir spannt der Hochspanungsmast seine silberne Konstruktion und seine Leitungen in den hellblauen Himmel. Ja, vor ca. 70 Jahren hat sich in den Leitungen ein angreifendes Flugzeug verfangen und ist dann weiter hinten etwa vor dem Gehrensee zu Boden gestürzt. Beim genauen Anschauen des Himmels sehe ich dann doch den Grauschleier des Hochnebels …

Auf der Grenze zu Berlin treffe ich gute Freunde. Wir sprechen über den Wechsel der politischen Systeme in den vielen zurückliegenden Jahrzehnten, über die individuellen Betroffenheiten und Entscheidungen der Menschen älterer Generation, mit Gewissen und aufrechtem Gang „durch zu kommen“: Braucht es das doch immer, insbesondere indem wir den Frieden erhalten wollen.

Beim Mariechenkäfer-Stein biege ich zur Bahn hin ab, die Sonne scheint im Gegenlicht auf die vertrockneten Kräuter rechts und links des Weges und diamantene Wassertropfen hängen neben den rot leuchtenden Hagebutten in den Zweigen. Ein paar freundliche Grüße und ich überquere die Schienen in Richtung Ahrensfelde. Heute gibt es mal wenig Verkehr und die Schienen-Bettung klappert überhaupt nicht metallisch (was sie sonst immer tat!). Einen kurzen Moment lang sehe ich überhaupt kein Auto. Und wenn jemand aus Berlin käme, würde er sich wundern, denn ein Schelm hat das Ortseingangsschild „Ahrensfelde“ um 180 Grad gedreht und man fährt per Schild (wieder) in „Berlin“ ein. Allerdings sind im Land Brandenburg die Straßenbeläge doch besser, daran bemerkt man die Wirklichkeit. Jedenfalls sind wir noch nicht nach Berlin einvernommen und das ist auch gut so! Die über 20 Krähen dort oben auf dem Dach des Sechs-Geschossers in der Klandorfer kennen aber keine Grenzen und ich versuche heraus zu bekommen, ob ihre „Brüder“, die Kolk-Raben auch da sind, denn hier habe ich in letzter Zeit immer Raben gesehen. Heute bleibt das offen. Erneut gehe ich unter der Hochspannungs-Leitung durch, vorbei an den beiden Essigbäumen, deren rote Knospen wie Kerzen aussehen, in Richtung der Jauertschen Siedlung. Von hier kann man gut auf Ahrensfelde herab sehen, sogar unser Kirchturm mit dem Adventsstern liegt in der Senke, dafür ist der Blick auf die Häuser des Dorfes komplett verstellt: Man sieht nur die Autos der residierenden Händler. Am Gartenweg bin ich wieder in Ahrensfelde (Ortsschild!), direkt am ersten Haus ist auch unsere Brandenburgische Flagge aufgezogen. Von Berlin weht noch ein Hauch von Böllern herüber, jetzt wird es ruhiger. Und dann freue ich mich mit den Anwohnern der Jauertschen Siedlung: Neue Straßen! Allerdings muss man auch dazu sagen: Anlieger-Rechnungen gab es auch und wie wir alle wissen: „DAS KOSTET!“ Den Kostenschmerz haben schon viele Ahrensfelder erlitten!

Im Sommer hatte ich schon mal in aller Ruhe bei den Graben-Aushüben entlang der Wuhle nachgeschaut, ob sich irgend-was für den Chronisten findet, nicht unbedingt ein Goldschatz, aber es gab wirklich NICHTS. (Dabei wurde doch immer entlang der Wasser­linien gesiedelt!).

Nach einigen freundlichen Worten mit unserer langjährigen „Kultur-Verantwortlichen“ wähle ich den Feldweg, der geradezu auf die Eichner Chaussee zugeht. Ich werde verabschiedet von dem Hahn der Siedlung, der mir mindestens 8-mal hinterher kräht. Mein Schatten ist jetzt nur noch 6 m lang, das entspricht ca. 15 Winkelgraden Sonnenstand. Die Wuhle hat hier ein wenig Wasser und eine dünne Eisdecke. Der kalte Wind kann sich über der freien Wiese gut entfalten - da drüben liegt unser Dorf, wie es schon immer aussah …

Auch die Maulwürfe gibt es schon immer und sie sind immer noch fleißig. Nur noch von ferne höre ich das „Singen“ der Straßenbahnschleife und überhaupt keinen Ton von den da vorne hingleitenden Automobilen, ja es ist fast still!

Nach Eiche hinüber sehe ich einige Menschen mit Hunden auf der Flur und nun doch: Ein Ton von der fernen Bahn, nun wieder ferne Böller und dazwischen die Krähen. Unter den Füßen ist die Wiese hier angenehm weich, noch nicht nass, also das geht ganz gut. Hier, ca. 50 m vor der Chaussee hört man wieder die Autos und man sieht - oben angekommen - den Kirchturm von Blumberg, natürlich auch den von Eiche und Mehrow. Von dort kommend surrt die Radsport-Kindergruppe vom „MRC Berlin“ vorbei.

Auch in der Mehrower Straße setzt sich die Neu-Bebauung auf der Südseite fort, da drüben steht noch ein sehr alter kleiner Schuppen mit windschiefen Türen und welligem Ziegeldach (wird nicht mehr lange halten?) und diesen wunderbaren Brandenburger roten Ziegeln. Weiterhin zur Dorfstraße hin steht eine Kaninchen-Boxen-Anlage mit 12 Plätzen im Vorgarten und es sind sogar „Karnickel“ drin. Das ist selten geworden. Am Schleifweg steht ein Pferd und davor die „Pferdestärken“ der gebrauchten AMI-Schlitten und der gelbe kleine Schoolbus. Ich bewundere noch das nach Osten gerichtete Wandbild am Eckhaus und die verwitterte Schmieden-Inschrift „Wagenbau Karl-Schmöcker“.

Drüben am Beginn der Kirschenallee orientiert sich ein älterer Nachbar und wir plaudern über die alten Zeiten und dass es doch friedlich bleiben möge ... Wird dafür der Hub­schrauber der Bundespolizei (da „oben“ im Einsatz) gerade anteilig sorgen können? Das wäre doch so wichtig, dass auch das nächste Baufeld hier entlang der Kirschenallee friedlich hochwachsen könnte, vielleicht sogar mit einem Kindergarten und vielen neuen hoffnungsvollen Menschen.

Der Quittenhag ist eigentlich eine Birkenallee und führt mich zum „Berg“. Oben angekommen, kann ich wieder über dem Horizont die Windräder von Lindenberg sehen. Also es gibt wirklich Punkte, wo man fast alle „Nachbar-Ortsteile“ zusammen sehen kann. Endlich gibt es auch reichlich Singvögel hier in der Rosenhecke, genug Futter ist ja vorhanden. Von oben „turne“ ich zum gelben Kiesweg herunter und gelange zu den neuen Häusern („Würfel-Bauten“ - bald seid Ihr fertig und dann sind „nur noch“ die Berliner Nummern­schilder an den Autos in BAR zu wechseln …). Lachend geben wir uns mit einer Gruppe junger Familien und deren Kindern den Weg frei, für mich in Richtung Wuhle. Hier an der Brücke ist wenig Wasser drin eine dünne Eisschicht bedeckt das Regen­rückhaltebecken. Die Fahnen des Schilfes leuchten im Gegenlicht. Weiter oben zur Dorfstraße hin haben sie die Wuhleufer noch einmal abgeflacht und geschlängelt, dazu den Straßen-Unterfluss saniert, das wird gut für die IGA aussehen, wenn man die neu mit gelbem Kies versehenen Wege entlang wandert.

Ich gehe nach rechts zum „Sonnenwinkel“, drüben summt wieder die Bahn vorbei. Hier sind wunderbare Brombeerhecken und zwei wilde Kirschbäume zu finden, aus dem Holzzaun links quillt ein Rosen-Überhang. Die Mitbürger im Sonnenwinkel sind Mitte/Ende der 90er Jahre eingezogen und schon längst Ahrensfelder, die Hecken sind dort auch erwachsen geworden sowie manch anderes Gehölz. Dabei ist das ja keine Seltenheit, auch in der Neubau-Siedlung oben am Nelkenweg und der Rosenstraße fängt alles so „aufgeräumt“ und ein bisschen leer an, nach Jahren haben sich die Hecken und Pflanzen dann die Gärten erobert und man ist angekommen.

Auf den letzten Metern im Sonnenwinkel schaukeln noch lustige Luftballons im Winde, Zeichen für Fröhlichkeit und Wohlergehen, ja so sollte es bleiben in Ahrensfelde .

Nun noch eine Frage: Kennen Sie Beate und Beate, Beatrix und Christiane? Kennen Sie Doris, Sigrun und Christel, Benedikt und Matthias, Bernhardt und Andreas und Frank? Das könnten Ihre Nachbarn sein, aber sie wohnen eben in Lindenberg oder Eiche, in Mehrow oder Blumberg und natürlich auch in Ahrensfelde. Sie alle und noch weitere Leute verbindet die Willkommensgruppe für Flüchtlinge aus den Jahren 2015 und 2016. Klar doch, die haben sich im Ortsteil Ahrensfelde getroffen, dort im Bürgerhaus, klar doch, die Flüchtlinge haben ganz gut Wohnung bekommen in Blumberg, Ahrensfelde und Lindenberg. Aber das beschreibt den Rahmen; besser hat alle diese Frauen und Männer das Herzens-Engagement für die „vom Himmel gefallenen“ geflüchteten Menschen verbunden. Und das ist eben Ahrensfelde in seinen Ortsteilen: Verbunden im Engagement und im vernünftigen Tun, manchmal nicht leicht, manchmal mit Herzblut und dann wieder nur noch zum Wundern …

Deswegen fiel es mir heute leicht, um die Mitte des Ortsteiles herum zu gehen und voller Sympathie und Freundschaft hinüber zu denken nach „außen“ zu den Nachbarn in den Ortsteilen, eben zu Beate und Beate und Beatrix … Sie wissen schon …

Möge dies so bleiben und wünschen wir einander von Herzen: „Ein gutes Neues Jahr!“

Paul Plume, Chronist OT Ahrensfelde


PS: Nachdem ich 29 Flugzeuge in 135 Minuten zählte, kam alle 4,6 min. ein Flugzeug über uns geflogen.


Der Beitrag wurde uns freundlicherweise von Paul Plume, Ortschronist in Ahrensfelde, zur Verfügung gestellt.
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