Ahrensfelder Ge(h)- Schichten 2003/2004
von Paul Plume, Ortschronist in Ahrensfelde

Um 9.00 Uhr früh öffne ich die Haustür, wir haben am Haus 1 Grad Celsius und es geht ein leichter Wind, die Sonne versteckt sich noch hinter dem verhangenen Morgenhimmel. Fröhlich grüßt die Nachbarin - zur Mitternacht wird man sich wiedersehen.

Heute ist wieder mein Jahresrundgang, bin selber gespannt, was es alles wieder zu entdecken gibt. Auf der Straße dann höre ich lebhaftes Autogeräusch von der Lindenberger Straße her, vielleicht fällt es mir aber auch nur auf, weil es ansonsten ruhig in der Siedlung ist. Immerhin hört man auch noch Hundegebell und kann ein paar freundliche Worte mit jemand, der eben sein Schlafzimmerfenster zum Lüften öffnet, wechseln. Plötzlich höre und sehe ich auch die Elstern und Krähen, die Tauben und Meisen, die in den Bäumen und Vorgärten lärmen. Friedlich kräuseln sich die Heizgas-Fahnen aus den Rohren und hier und da gehen die Rollläden hoch. Sogar die Sonne scheint jetzt schräg über die Häuserfirste. Eine Gartenpforte klickt ein, dieses Geräusch kennen unterbewusst schon alle.

Unsere Nebenstraßen sind noch nicht mit neuer Straßendecke versehen und so gehe ich mit den seit Jahrzehnten gewohnten kleinen und großen Schritten voran, immer bemüht, „oben“ zu bleiben, denn der Tritt in die Kuhle bringt einen aus dem Rhythmus, ebenso wie man ja immer mal den Hundehaufen ausweichen muss; nicht dass wir etwas gegen Eure Vierbeiner hätten, aber eklig ist es schon.

Hier und da erklimmen noch Weihnachtsmänner die Fenster, die ihrerseits von innen noch weihnachtlich beleuchtet sind: Schließlich geht die Weihnachtszeit ja auch bis zum 6. Januar.

Ein Nachbarsjunge huscht mit dem Rad vorbei und grüßt und das wird mir heute noch öfter gefallen: Ahrensfelder grüßen eben !

Die Durchfahrt von der Goethe- zur Herderstraße ist noch nicht perfekt, so als müssten wir neuen und wir alten Ahrensfelder uns erst noch anfreunden, aber man kommt zwischen der alten Siedlungsbebauung und der von der LTG Seelow errichteten Wohnanlage schon ganz gut durch und das junge Mädchen mit dem großen Hund grüßt dort genauso freundlich.

Lüften ist auch hier angesagt und die Betten liegen in den Fenstern, während 8 Tauben auf dem Dach zuschauen.

Der Buntspecht an der Robinie klopft mir hinterher und ich sehe plötzlich unter der Wohnanlage die „alten Schichten“ vor meinem inneren Auge : Die über Jahrhunderte währende Nutzung als Felder, die zum Teil der Kirche gehörten und deren Wegerechte erst in den letzten Jahren gelöscht wurden, obgleich die Wege gar nicht mehr existierten.

Die Flakstellung und die Wehrmachtssoldaten in ihren Baracken, die kasernierte Volkspolizei in den gleichen Baracken, die Errichtung des Sportplatzes im Nationalen Aufbauwerk (NAW) nach dem schrecklichen Krieg, den Sandweg, der von der Lessingstraße zur Fichtestraße führte und in dessen Kurve immer so herrliche Brombeeren wuchsen, das Entstehen der Firma VEB ELMO mit dem Bürohaus, die ganz (Ost-) Berlin während der Wohnungs-Neubau-Zeit mit Elektro-Anlagen versorgte und auf dem LTG-Gelände riesige betonierte Lagerflächen und Lagerhallen unterhielt (kein VEB ohne z.T. überalterte eigene Materialbestände). Übrigens ist der betonierte Weg von der Ulmenallee in Richtung Bahnübergang auch ein Andenken der ELMO. Die Baracken sind weg auch die Kantinen-Baracke, in der 1989 mit der Bürgermeisterin Frau Schön über die Wende diskutiert wurde. Diese Flächen haben sich also mehrfach gewendet !

Um 9.30 haben wir fast blauen Himmel, die Sonne steht nicht viel höher, aber es ist so hell, dass man den kleinen Tunnel unter dem Bahnkörper zwischen dem Erdpfuhl-Graben und dem Pferdepfuhl-Graben gut durchschauen kann: Alles ist trocken, viel geregnet hat es ja auch nicht.

Die Ulmenallee hat jetzt einen Abwasserkanal. Ein Hund bellt mich an und verschwindet sofort nach hinten, ein freundlicher älterer Herr grüßt lebhaft, die Orangen in seinem Fahrradkorb lassen auf den Besuch in einer Kaufhalle schließen. Jemand telefoniert mit Gartenlautstärke am offenen Fenster, nun weiß und vergesse ich auch gleich alles ! Was einen freut, sind die geharkten Gehweg-Bereiche, Bienchen für Euch ! Da joggt es sich doch gleich noch einmal so gut entlang, mag die „Frau in Rot“ denken, währenddessen am Himmel eines der vielen Flugzeuge davonzieht und die Spatzen und die Drossel sich dick aufplustern. Übrigens ist die Zufahrt zum Sportplatz noch nicht befestigt.

Im „Kleinen Ahrensfelder Dreieck“ hat sich dafür viel getan: Haben wir vor Jahresfrist nur die ersten paar Bodenplatten der Einfamilienhäuser gesichtet, so wohnen jetzt schon viele Neu-Ahrensfelder dort, zwei Drittel der Fläche scheinen schon bebaut zu sein. Seien Sie willkommen ! Auch unter Ihren Füßen ist Ackerland gewesen. Allerdings nicht so auf Mergel- und Lehm-Schichten, wie in der Nähe der Wuhle am Sonnenwinkel, sondern eher sandig. Immer stand dort Korn, mühsam von der LPG gedüngt, daher ja auch die schönen Straßennamen !

Jetzt höre ich von ferne auch einen Hahn krähen. Kinder haben sich in den Bäumen eine Plattform gebaut und hinten am Erdpfuhl fliegen ein paar Fasanen auf, die ich niemals hier vermutet hätte, so dicht an der Stadt. Hohes Schilf lässt Nässe ahnen, gleichwohl riecht es angenehm nach trockenem Schilf.

Auf der Dorfstraße kommt mir eine Wandergruppe entgegen. Ich laufe noch bis zu dem massiven Grenzstein aus Granit, der zeigt wo Berlin beginnt. Hier sammelt jemand alte Land-Technik an der Scheune von 1949. Die ca. 15 alten Alleebäume auf der Nordseite der Dorfstraße wecken wieder meine Erinnerungs-Schichten: Der von Weißensee (Pfarrkirche) kommende Doppelstock-Bus A 46 brummte ab Malchower Weg durch die Felder, die Bahnschranke Höhe Wartenberg kreuzend, über Falkenberg nach Ahrensfelde. An der Dorfstraße 1 stand das Kontrollhaus der Roten Armee und der Volkspolizei. Die Ausweise wurden kontrolliert. Abends nach der Arbeit, schlafend bis Ahrensfelde, wusste man: Nächste aussteigen („Ahrensfelde Kirche“ – die Wendeschleife war dann an der Ecke Fasanenstraße/Lindenberger).

Und noch viel früher: Fuhrwerkswege von Ahrensfelde nach Berlin-Centrum: Gemüselieferung via Rieselfelder. Postkutschenwege von/zum Königstor über Ahrensfelde nach Werneuchen... Und zwischendrin: Diebeswege von Ahrensfelde Richtung Berlin mit dem geraubten Kircheninventar... und auch: Kriegswege vom Barnim aus in Richtung Berlin mit den von der SS gesprengten Kirchen Wartenberg und Falkenberg (Ahrensfelde hatte im Turm nur einen Granatsplitter !). Mein Erinnerungs-Bus rumpelt die von alten Linden gesäumte Dorfstraße mit ihrem Kopfsteinpflaster entlang, ein paar Bäume sind ja schon wieder nachgepflanzt und ich bin „Herzlich willkommen in Ahrensfelde“ unter der Hochspannungsleitung bei NORMA.

Der Hund kennt mich eigentlich und er schlägt hinter dem Tor des alten Bauernhofes an, auch so eine Erinnerungsschicht, die über den Erwerb dieses Hofes im 19. Jahrhundert, die 30er Jahre, die Nachkriegszeit und Zeit der kollektiven Landwirtschaft bis in das Jahr 2003 reicht, wo wir voneinander auf dem Kirchhof Abschied nehmen mussten. Von hier aus sehe ich, dass das Kreuz auf unserem Kirchturm schief steht. Vielleicht können wir es richten, wenn im Jahr 2004 der Turm gemacht wird, trotz abgesagter Fördermittel sollte es jetzt sein, allzu lange steht der Turm nun schon unbearbeitet da. Schneller geht das allemal hinter und neben der alten Post (Dorfstraße 64), wo die Einfamilienhäuser im Rohbau stehen und sicher in 2004 Einzug gefeiert werden kann.

Die alte „BHG“ wird wohl das Jahr 2004 nicht mehr überstehen. Aber, was sage ich: Die Schichten liegen tiefer: Das war ja die alte Dorfschule. Die Namen der Schulmeister sind der Chronik nach noch bekannt, letztlich Direktor Lüsch (vor, während und nach dem zweiten Weltkrieg), Frau Lehrerin Kobel, deren persönliche Aufzeichnungen ich lesen durfte, die Speisung der hungrigen Kinder in den Nachkriegsmonaten durch den Bäcker Dietz und eben die Dorfkinder selber, denen man in Gestalt unserer heutigen Senioren noch begegnen kann.

Und waren nicht auch welche von den Jauert`s eben hier zur Schule gegangen, deren Geschäft seit 1858 gegenüber existiert ? Geht nicht auch ein Gedanke zurück zu „Onkel Willi“, dem Kaufmann und begeisterten Ahrensfelder Sportsmann im vorherigen Jahrhundert, der so vielen jungen Menschen die Freude am Sport vermittelte. Heute wird leider der Sohn Peter Jauert das Geschäft schließen, alles Gute für Dich ! Und schade, dass man nicht mehr sagen wird: „...ich geh` mal schnell zu Jauert....“.

Ich gehe derweil die Feldstraße hoch, sozusagen der Sonne entgegen, die mir zwei Grad mehr auf die Kleidung schenkt. Die mattgrünen Wiesen in der Wuhle-Niederung linkerhand sind übersät von hunderten Maulwurfshügeln, halten die denn keinen Winterschlaf ? Alte Birnbäume säumen hier die Hohenwalder Straße. Das war einmal eine Kultur (auch in Ahrensfelde), an den Straßen und Wegen Obstbäume zu pflanzen. Zum Beispiel an der Schillerstraße und am alten Zeisigweg Birnen, an der Bahnstraße Pflaumen, und natürlich Kirschen an der Kirschenallee, dorfauswärts nach Neulindenberg hinüber wieder Pflaumen und Mirabellen. Dem Kindergarten kam dies zugute in einer Zeit, wo heimisches Obst saisonal in den Aufkaufstellen entgeltlich angenommen wurde und es eine Weichfruchternte (Erdbeeren) bei Mehrow gab. Heute schauen wir zu Weihnachten nach Erdbeeren und Weintrauben in der Kaufhalle, Bananen und Apfelsinen zu jeder Zeit und in jeder Menge, Exoten, von denen wir früher noch nicht einmal den Namen kannten, kommen auch schon mal auf den Tisch. Trotz vieler Klagen, wie es denn „...immer schlechter wird....“, gerät unsere alte Verwertungskultur und die Freude daran immer mehr in Vergessenheit, wie schade für uns !

Aber das Wasser in der Wuhle am Fuße der Jauertschen Siedlung fließt immer noch, gespeist aus den Gräben der Felder von der Eicher Chaussee aus und natürlich aus den Ahrensfelder Wiesen. Und von hier aus kann man auch immer noch nachvollziehen, dass Ahrensfelde ein Straßendorf war, so schön ist der Blick von der Gartenstraße aus „rüber nach Ahrensfelde“.

Ein nettes Paar verlässt gerade ein Grundstück: Das kann doch nicht wahr sein, es sind die Leute, von denen wir uns im Mai `89 verabschieden mussten, weil für sie hier kein Platz und keine Hoffnung war. Weit in den Westen hat es sie verschlagen. Nun stehen wir uns lachend gegenüber und reden von den Kindern, die in Amerika und sonst wo ihren Platz gefunden haben – Ge(h)-Schichten ! – Und noch einmal fröhliches Gelächter, als ich unserer langjährigen Abgeordneten und „Kulturfrau“ Bärbel Richter begegne: „Sieh da, der Chronist bei seinem Silvesterrundgang...“ . Plaudernd streben wir der Dorfstraße zu.

Hier ist es wieder laut vom Straßenverkehr. „Natürlich“, könnte man sagen, „sind die wieder nicht mit dem Ausbau der Kreuzung Lindenberger Ecke Dorfstraße fertig geworden...“. So denkt man eben, wenn man nicht weiß, dass da wieder so ein unbekanntes Kabel im Wege lag. Aber war es nur das ? Ich balanciere mich rüber zum Dorfplatz. Einmal wenigstens will ich die Borke der Luther-Eiche und der 1870er Eiche berühren, Ge-Schichten zum Anfassen.
Die Leute mit dem Hund, die vor dem Denkmal stehen, schauen mir fragend zu und nach, als ich zum Feuerwehr-Schuppen von 1911 stapfe. Hier, links muss der Karzer gewesen sein, in dem der Schutzmann die Trunkenbolde und Hallodris für eine Nacht verwahrte. Aber hier wurde auch der britische Fliegersoldat eingesperrt, den sie in der Nähe des Schleifweges 1945 abgeschossen hatten. Was wohl aus ihm geworden ist, wie haben wir ihn und andere behandelt ? Aber wieso „wir“, oder doch „wir“ (?) , wenn wir es immer noch nicht geschafft haben, der Opfer von Gewaltherrschaft und Krieg in unserer (Dorf-) Mitte zu gedenken – so oder so ideologisiert können wir noch nicht gemeinsam über und mit uns weinen und trauern... Na ja, irgendwo gibt es ja noch die rote VdN-Gedenktafel, die Anfangs der Wende verschwand.

Die Ge- Schichten unserer Dorfkirche lege ich heute zur Seite, sie würden den Rahmen meines Spazierganges sprengen – später mal, ist angedacht !

Ich bin wieder in einer fast noch aktuellen Schicht, wenn ich am Schild des Wasser- und Abwasser-Zweckverbandes vorbeigehe. Da wurde viel geschafft, fast alles in Ahrensfelde ist schon neu angelegt und keiner kann sich noch vorstellen, wie die Ahrensfelder ihre Abwässer in die Gärten und Felder pumpten und dafür üppiges Gemüse zu ernten hofften. Hier auch ein Gedenken an Jürgen Sommer, von dem seine Familie und das „alte“ Ahrensfelde viel zu früh Abschied nehmen musste.

Die Wuhle ist hier an der Dorfstraßen-Querung ausgetrocknet, zur Schneeschmelze wird es wieder Wasser geben, aber Schnee muss erst kommen. Bei der Fleischerei Giese greife ich eine Bratwurst ab und ein paar nette Worte gehen über den Tresen, heute Abend wird es Karpfen geben und so weiter.

Dem alten Gemeinde-Haus (Dorfstraße 52) traut man nicht zu, dass es einmal ausreichte, Ahrensfelde zu verwalten. Aber in der Verwaltung Dorfstraße 49 werden nach der Amtsperiode (bis zur Wahl im Oktober 2003) nun in der Großgemeinde Ahrensfelde-Blumberg alle Ortsteile, also (weiterhin) auch Mehrow, Eiche und Lindenberg verwaltet. Was haben wir eigentlich eingespart oder was wird besser mit der „Großgemeinde“ ? - Das kann wohl nicht einmal der Innenminister Schönbohm erklären !

Aber dieses „Objekt“ ist ja ohnehin schon so vielschichtig: Gaststätte Dubick (mit Saal !) , Gefangenen-Quartier für alliierte Soldaten, die hier zur Arbeit auf den Bauernhöfen abgeholt wurden, Standort-Sitz der Roten Armee, Ahrensfelder Allgemeine Polytechnische Oberschule mit Saalneubau, rauschende Faschingsfeste, Elternversammlungen, Privat-Feten, Gemeinde-Vertretungs-Sitzungen, Neujahrsempfänge des Amtsdirektors Wollermann. Hier war lange Zeit bis Oktober 2003 Peter Hackbarth der beliebte Bürgermeister und alle Mitarbeiter lernten für die Bürger die neuen Verwaltungs-Spielregeln seit 1990. Geblieben und beliebt ist unsere Bibliothek, möge es so bleiben.

Das kleine einstürzende Haus und sein Gegenüber an der Dorfstraße lassen noch einen Rückblick auf die frühere einfache Lebensart in Ahrensfelde zu, es gab also entlang der Dorfstraße nicht nur wohlhabende Bauern, eben auch in der Mehrower Straße. Aber der Lärm an dieser Kreuzung überdeckt ohnehin die Beschaulichkeit und ich flüchte vor ihm in die Kirschenallee.

Tatsächlich stehen hier noch alte Kirschbäume, sogar in den Vorgärten sind die ehemaligen Straßenbäume erhalten geblieben. Und wenn ich schon über unser Straßenobst nachdachte, so ist es doch wenigstens hier in den Straßennamen noch präsent: Birnensteig, Apfelsteig, Quittenhag usw. wer sagt`s denn ! Ein bisschen traditionsbewusst sind wir Ahrensfelder schon, haben wir doch auch unsere „alten“ Straßennamen beibehalten, Ernst-Thälmann-Straße, August-Bebel-Straße, Clara-Zetkin-Straße, Friedenstraße usw. Dass zu DDR-Zeiten eine Straße auch „Thälmann-River“ genannt wurde wegen der ungebändigten Fluten, die immer bei starkem Regen und Schmelzwasser fast bis zum Bahnhof strömten, mag so manchen Genossen beschwert haben, ändern konnte es keiner !

Die heute so Geehrten wären jetzt aber sicher verwundert, welchen fast noblen Straßen sie ihre Namen gegeben haben und welches fleißige Volk in schmucken Einfamilienhäusern sich ihrer treu erinnert. Zu oberflächlich, zu schnell die Ideale vergessen, mit denen Thälmann durch die Straßen von Hamburg stürmte (wie meine Mutter sich erinnerte) ? Friedensstraße: „...dass nie eine Mutter mehr ihren Sohn beweint...! “ Es bleibt richtig, sich zu erinnern und es zu bewahren, selbst wenn diese Wurzeln unserer Geschichte schon bis 1989 bei der zuständigen Partei selber verkümmert waren und nach 89 scheinbar wertlos wurden. Übrigens war Ahrensfelde im 20ten Jahrhundert durchaus verschieden politisiert, aber die meisten seiner Einwohner immer auch irgendwie tolerant. Das erklärt auch, warum sich unsere neuen aus „dem Westen“ hergezogenen Mitbürger eigentlich wohlfühlen – eben grüßt mich einer von ihnen lachend.

Einige Neue sollten und können ja auch noch kommen, denn im Baufeld von Schwörer-Haus ist noch einiges frei (übrigens um wenigsten eine Konkurrenz zu nennen: Bei City-Haus im kleinen Ahrensfelder Dreieck auch und bei den ungenannten anderen...) Hier an der Friedenstraße, Ecke Clara Zetkin-Straße ist es still geworden. Der kleine Kirchenwald könnte mal durchgepflegt werden. Die Sandstraße führt mich hinüber zum Bahnhof „Nord“. Übrigens wussten Sie, dass Besucher aus dem alten Bundesgebiet staunen, wie viele Swimming-Pools die Ahrensfelder haben ? Und das in allen Ausführungen: Planschebecken bis mit Schwimm-Bahn. Mit Plane, Dach oder Schiebedach. Dafür sind aber bisher nur wenige Wohnhäuser mit ihren Fenstern vergittert, mag schon sein, dass schlechte Erfahrungen hier die Ratgeber waren !

Dass wir neben dem S-Bahnhof auch noch den Bahnhof Friedhof haben ist selbsterklärend, aber den Bahnhof NORD verdanken wir wohl den Genossen der Staatssicherheit ? Die hatten da, wo heute der Bundesgrenzschutz residiert ihre Hauptabteilung XX. Haben wir übrigens im Umfeld der Wende gefordert zu besichtigen, damals in den Anfängen der freien Wählergemeinschaft, waren auch im inzwischen wieder verschwundenen Polizeiobjekt an der Falkenberger Straße (Gehrensee), tja Peter Hackbarth und ihr anderen: Wißt Ihr noch ?
Der Himmel ist wieder bezogen, wie sich auch über unsere Erinnerung Wolken des Vergessens ziehen. Bald wird auch der schöne alte Apfelbaum hier im Garten nicht mehr seine Früchte auf die Wiese werfen, wo sie eh´ keiner will, aber einen Duft verströmen die, jetzt am Ende des Jahres !!

Wie überall werden entlang der Bahnstraße aus vielen Laubengrundstücken wunderschöne Wohngrundstücke, Abwasser liegt auch schon, nur die Kuhlen zwingen mich noch mit den Füßen „oben“ zu bleiben. Hinter dem Gleisübergang am Ostkirchhof hat sich fast nichts geändert. An der Bahnhofsgaststätte erinnere ich mich mancher Siedlerversammlung mit Tänzchen, mancher Beerdigungs- und Familienfeier und manchen Umtrunks. Gewählt wurde im Motorclub auch schon des öfteren. Und die Einweihung des gegenüber liegenden Jugendclubs im Container kommt mir vor, als wäre es gestern gewesen. Wie lange mögen wohl die Stühle auf dem Vordach stehen ? Den Jugendlichen wünsche ich nachsichtige Schutzengel, die trotz Fahrlässigkeit mal helfen, wenn es nach unten geht.


Auf dem schmalen Gehweg der Lindenberger Straße finde ich noch eine Ge(h)- Schicht:
Die Deckel der Telekom-Schächte. Richtig, genau unter ihnen lief doch das Stasi-Telefonkabel, das, eben weil es genau hier entlang geführt werden musste, uns eine Gesamtpflasterung mit Gehwegplatten vom Bahngleis bis zum alten Gutshof einbrachte. Dass diese Trasse auch über das Pfarrgrundstück führte und insofern jederzeit hätte vom Klassenfeind angezapft werden können ist pikant, aber dies hätte der damalige Pfarrer nie gemacht, zwar mochte er die Stasi nicht, aber er hieß Peter Engel und Namen verpflichten !

Noch ein Blick zum Märchenwald und den fernen Nachbarn in Lindenberg, nach Mehrow fahre ich am Nachmittag, Eiches Kirchturm sah ich im Sonnenlicht und ahnte Blumberg am Horizont. Einen Gedanken also zu den alten und neuen Nachbarn, möge es bei uns so weitergehen: Einen freundlichen Gruß, das Zusammenstehen über die verschiedenen Lebensansichten hinaus zum Wohle aller, Leben und (wirklich) leben lassen. Ich hoffe, dass Sie hier gerne sind und bleiben.

Ihr Chronist Paul Plume.


Der Beitrag wurde uns freundlicherweise von Paul Plume, Ortschronist in Ahrensfelde, zur Verfügung gestellt.
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