Der Jahreswechsel 2004/2005
von Paul Plume, Ortschronist in Ahrensfelde

Am Silvestertag 2004 um 9.30 Uhr breche ich zum Rundgang um und in Ahrensfelde auf. Wir haben 5 Grad Celsius plus, ein leichter, jedoch spürbarer Wind kommt von Süd-Osten, eine gewisse Feuchtigkeit liegt in der Luft.

Im „kleinen Ahrensfelder Dreieck“, wo ich starte, kann man deutlich die Verkehrsgeräusche der Märkischen Allee hören, vorbei geht es an den so verschiedenen neuen Zäunen, die je nach Wunschvorstellung und Geldbeutel der Neubürger gestaltet sind – von den schmiedeeisernen Rosen über Friesenzäune, Stahlstaketen verzinkt und pulverbeschichtet, Hecken und „kein Zaun“ künden davon: „Hier wohnen WIR !“ Am Bahndamm flutscht fast geräuschlos der neue Dieseltriebwagen der ODEG um 9.30 Uhr in leuchtendem Gelb vorbei.
Er rollt nach Werneuchen, so wie es bei der „Zugtaufe“ am 28. November 2004 angekündigt worden war – jetzt ist es schon wieder Normalität. Vielleicht begründet sich die Geräuschlosigkeit auch in dem immer noch bestehenden Erdwall, der von den Erschließungsarbeiten übrig geblieben ist und längst hätte weggeräumt werden sollen ?
Erst dann könnte sich ja die Natur diesen Streifen zwischen Bahngleis und Grundstück-Rückseiten wieder erobern eben so, wie es die Vögel am Futterhäuschen schon tun.

Die Kirchturmspitze lugt über die Dächer am Hasenwinkel, das haben die Planer doch ganz gut hingekriegt, dass man auf diese Weise die Dorfmitte von fast allen Seiten her gut erahnen kann. Und von oben mögen die vorbei fliegenden Winter-Krähen es noch besser sehen.

Um zur Dorfstraße zu gelangen, muss man über den Parkplatz von ALDI und REWE gehen. Dahin kommt man nur, indem man den trennenden Graben überwindet und durch ein extra geschnittenes Loch im Bauzaun an der großen Eiche schlüpft. Wenn die älteren Leute, die davon auch Gebrauch machen einmal richtig alt sind, wird hoffentlich die lange versprochene Fußgängerbrücke und –Zuwegung fertig gestellt sein. Bis dahin klettern wir alle weiter (das sind wir Ossis ohnehin gewohnt) und warten mal, wann die Versprechen eingelöst sind.

Die Einkaufswagen klappern hier wie auch unter den NORMA-Flaggen. Mäßiger Verkehr auf der Dorfstraße, zwei Damen stehen mit ihren Fahrrädern beim Plausch, das wird noch eine Weile so gehen. Rechterhand mit Blick Richtung Berlin das Haus in der Senke - was sage ich, nein, fast im Erdpfuhl gebaut: „Ahrensfelde, Auf Wiedersehen“– so kann das aber nicht gemeint sein. Die Leute, denen ich begegne, schauen haarscharf vorbei. Also schweift mein Blick nach Norden über die Bahnschienen zum neu entstehenden Erholungspark in Hohenschönhausen, eben dorthin, wo sich vor wenigen Jahren noch ein riesiger Komplex des MdI der DDR hinter meterhohen Betonmauern und Stacheldraht am Gehrensee befand. Die Berliner haben schon ihre wunderbaren Wege angelegt, immer so weit, wie es die Brandenburger Grenze erlaubt, dann wieder nicht usw. Auch Iris Berben lacht darüber von der Werbefläche herab.

Die Schranke schließt sich um 9.42 und der ODEG-Triebwagen aus Werneuchen summt vorbei, vergeblich versuche ich einen Tauf-Namen „Ahrensfelde“ an ihm zu entdecken. Vier Jungen werfen ihre Knaller, der Anorak weißt „Cordon Athletics“ aus und entsprechend ist ihr Gang wiegend-kraftvoll.
Hier an der Dorfstraße Nr. 1 entspricht ja die städtebaulich sichtbare Unterscheidung von Ahrensfelde und Marzahn gar nicht den historischen Gegebenheiten: Eigentlich verläuft die alte Gemarkung von Ahrensfelde ungefähr an der Havemannstraße. Das wissen die Ahrensfelder noch ganz gut, die dort in den 70er Jahren auf den Mohrrüben-Äckern gestoppelt haben, ehe die Wohnhäuser errichtet wurden. Also die Klandorfer Straße ist nur heute zur (Denk- und Fühl-) Grenze zwischen Berlinern und Ahrensfeldern geworden. Und selbst auf „unserer Seite“, Klandorfer 19 bis 21, befindet sich das Marzahner „Naturschutz- und Grünflächenamt“. Zu NORMA gehen also die Ahrensfelder „von vorne“ und die Berliner „von hinten“ und hier zählt eben gerade ein Mann Zigarette rauchend seine verbliebenen Cent`s. Kulturunterschied auch beim Grünen: Hier der immer noch sehr gut bewirtschaftete Bauerngarten sogar mit zwei Gewächshäusern; dort, nicht minder gepflegt, die kleine neue Parkfläche, wo ehemals die KIKO (Kinderkombination) stand. Hier die sehr alten Obstbäume, deren herab gebogene Äste und dem Schild „Bauland zu verkaufen“ die gewünschte Nutzung zu erkennen geben. Vielleicht wird einmal das vorbeifahrende Kind mit seinem Teddy auf dem Gepäckständer hier wohnen, vielleicht aber auch die ungeliebte Umgehungsstrasse genau hier vermieden werden ?

Der Blick auf das Kreuz des Kirchturmes kehrt zurück und findet staunend das Kreuz noch einmal auf der eben ankommenden Straßenbahn ganz in gelb und orange, nun aber nicht als Symbol der Christen sondern als Werbeträger zwischen den Geweihstangen des Jägermeister-Hirsches.

Die Leute von PLUS auf dem Gelände der alten Schule und der ehemaligen BHG (beide sind in den Boden der Geschichte versunken) haben es zum Weihnachtsgeschäft noch nicht geschafft, diesen 4. Kaufmarkt zu öffnen. Bald wird sich aber der neue geräumige Parkplatz mit den Autos der Käufer füllen.

In das Geräusch der fahrenden Autos von der Dorfstraße her mischt sich aufdringlich der Ton von Flugzeugmotoren. Eigentlich hört man sie der Gewohnheit nach gar nicht mehr, heute wird es aber auf Grund der hohen Luftfeuchte einmal deutlicher und unangenehmer. Die grußlose Joggerin schnauft vorbei und mir muss es auch egal sein.

Die Gartenstraße heißt jetzt Gartenweg, gleich daneben zeigt der Wegweiser aber (wieder) zur Gartenstraße usw., damit werden wir noch eine Weile leben müssen, dass die Großgemeinde sich bis in die Straßennamen hinein neu organisiert. Top aktuell und hilfreich der Hinweis unserer Feuerwehr, dass am 08.01.2005 an der Ulmenallee die alten Weihnachtsbäume öffentlich verbrannt werden können. Die Bergstraße ist jetzt in die Abwasserentsorgung einbezogen, einige Elstern fliegen in Richtung Berlin, Vogelstimmen, Autogeräusche und Knaller sind zu hören, die Postfrau steigt behände von dem schweren Fahrrad und versorgt die Briefkästen.

Nur wenige Ahrensfelder wissen, wo die Döllner Straße ist, ja: Eben hier an der Grenze zu Berlin und Eiche, eben hier, wo die neue Schulsportanlage auf der Berliner Seite angrenzt und wo man geradewegs zur Wuhle hinab geht. Hier haben die Berliner ihren Wuhle-Wanderweg tüchtig und schön ausgebaut. Die ordentliche Schranke an der Grenze soll aber nur die Autos fern halten. Auf „unserer Seite“ sieht es noch entwicklungsbedürftig aus, zumal ein Mitbürger in alter schlechter Gewohnheit seine faulenden Äpfel gerade hier entsorgt hat. Das fließende Wuhlewasser wird sie nicht mitnehmen, immerhin kann ich mit einem beherzten Schritt die Seite wechseln und nach Eiche gehen. Es freut mich, dass es einfacher gegangen wäre, wenn ich dem Wuhle-Wanderweg entlang seiner Schwingung gefolgt wäre, dann hätte ich die Fußgänger-/Radfahrer-Brücke benutzt, feststellend, dass unsere Eicher Mitbürger ihre neue Pflasterung gut bis an die Grenze gebaut haben – in Berlin geht es als wassergebundener Kiesweg weiter. Auf dem „Eicher Grenzweg“ bin ich jetzt Grenzgänger. Links Ahrensfelde, rechts Eiche. Ein Nachbar grüßt freundlich und ich freue mich über die neu gestaltete Straße. So sieht man also Ahrensfelde von Eiche aus: In der Senke liegend jenseits des Feld- und Wiesenstreifens in der Achse der Hochspannungsleitung der Kirchturm von Ahrensfelde halb rechts. An mir vorbei schnauft der LKW von „RWE Ost“, der den letzten Müll des Jahres entsorgt. Ich sinne den erhalten gebliebenen Namen „Friedenstraße“, „Straße(n) der Einheit, der Freundschaft, der Arbeit“ nach. Direkt auf der Grenzlinie gehend, entdecke ich Pilze am Birkenstamm, die könnte Nachbar Reinhard, die Bio-Lehrer, sicher mit Namen benennen.

Überquert man die Ahrensfelder Chaussee und nimmt den Trampelpfad, kommt man zur Helgolandstraße (ebenfalls neu gestaltet) und immer noch liegt links die Ahrensfelder Gemarkung und rechts Eiche, ja selbst nach dem Überqueren der Mehrower Chaussee geradeaus zum Wiesenweg liegt links Ahrensfelde mit seiner kleinen Siedlung an der Rehwiese. Hier ist wohl auch der einzige und äußerste Punkt, wo wir direkt an Mehrow grenzen ?

Hinter dem letzten Grundstück biege ich links ab und nehme das ferne Chausseehaus an der B 158 als Orientierungspunkt. Das struppige Gebüsch aus alten Holundern, Weiden und Schwarzerlen verbirgt keine Wasserlache, obwohl der zu überquerende schnurgerade Wuhlgraben dies vermuten ließe. Die Wiesen und Felder zeigen sich in überraschenden grünen Farben: Blau-grün, gelb-grün, hellgrün und eben nur grün. Maulwürfe haben riesige Hügel aufgeworfen. Man folgt dem Feldrain in Richtung Schleifweg und kommt auf der Höhe zum „Punkt der 4 Kirchtürme“: Eiche, Mehrow hinter den Bäumen, Blumberg quergestellt und Ahrensfelde. Den Mc-Donalds-Werbeturm hinter dem Rehhahn sehen wir auch, wollen ihn aber in dieser Reihe nicht betonen, ebenso die Schornsteine des GTHKW (Richtung Lindenberg). Zur Landschaft passt da besser der Bussard, der auf einer der bereit gestellten Stangen sitzt, besser die 10 Krähen, die im Acker herumstochern und die 4 Rehe, die sich davonmachen, als ich mich ihnen langsam nähere. Am Feldrain ist der Boden jetzt naß-weich und ich trete vorsichtig zwischen den Saatreihen in Richtung B 158.

Der Verkehr ist ständig und fließend. Wo die wohl alle hin wollen? Der Radweg eignet sich auch gut zum Laufen, die neu angepflanzten Straßenbäume stehen weiter zurück und werden hoffentlich nie eine Unfallquelle sein, auf die letzten alten großen Bäume müssen wir eben achten, so dass sich die Frage „Baum oder Mensch ?“ nicht mehr so scharf stellt. „Baum und Mensch“ denke ich, als ich den alten Birnbaum auf dem Acker des Chausseehauses sehe. Plötzlich erinnere ich mich an den tuckernden Traktor, den Otto Knispel hier bediente – selbst zusammengebaut, selbst genutzt, fahrendes technisches Erinnerungsstück auf der Dorfstraße, unbeirrt vor blanken PKW`s gemächlich schleichend – Mann und Fahrzeug aus der alten Zeit, aus dem Osten kommend, nie aufgebend, ackernd und schuftend, klingendes Ostland-Deutsch in Ton und Satzbau, verschmitzt und lebensklug. Im Herbst 2004 haben wir ihn begraben, nachdem er seinen Acker noch hergerichtet hatte.

An der Tankstelle soll man eigentlich nicht über den Acker latschen, aber der Trampelpfad in Richtung Bernhard-Lichtenberg-Straße verführt zur Abkürzung. Der Acker reicht bis zur Kirschenallee und über den Dächern des „Ahrensfelder Dreieckes“ (gemeint sind die „Obst“ -Straßen) sehe ich wieder den Kirchturm. Ich tauche in die Siedlung ein. Still wird es. Im leichten Regen geht es voran zu den „Blumen“ – Straßen. Alte Siedlungshäuser, neue Häuser, alte Zäune, neue Zäune - alles ist gut durchmischt. Schwörerhaus wünscht sich sicher noch mehr Kunden, denn dem Eindruck nach ist erst ca. 1/3 dieses Baugebietes errichtet, die Straßenzüge sind schon fertig. Und an der Clara-Zetkin-Straße sind eben die Abwasserrohre eingebaut, nun könnte es mit der Straßendecke weitergehen. So auch in der Friedenstraße, wo allerdings dem Bürgerwunsch entsprochen wurde und im Wald keine Befestigung der Straße erfolgen wird. Leider folgte man dem anderen Bürgerwunsch auf Erhalt der alten Straßenbäume in der Friedenstraße nicht. So ist die Straße bis zum Wald fast fertig und wirkt ohne ihre Bäume kahl.

Um 11.42 höre ich den Triebwagen pfeiffen. Das lockt mich zur Bahnstraße. Einem Nachbarn winke ich zu und drei weitere ältere Herren treffe ich beim Plausch. Klar doch: mit schmalkrempigem Hut oder Mütze, die Hand an der Schubkarre – letzte gute Wünsche aussprechend für das bald beginnende neue Jahr, kurz und knapp und freundlich : „Gutes Neues ! “

Am letzten Gully in der Bahnstraße, fast auf der Höhe der Straße am Walde ist ja Ahrensfelde noch nicht zu Ende: Überquert man die Bahnschienen, liegt dann rechts das riesige Gelände des Bundesgrenzschutzes (BGS) und links der zum Ostkirchhof gehörende Wald. Der BGS liegt bereits auf der Gemarkung Blumberg. Ich bestaune den exakt gearbeiteten Zaun, das hat nicht mal die STASI, die zu DDR-Zeiten hier das Objekt hatte, so deutlich abweisend hingekriegt. Auch die endlose Länge fällt mir auf, endlos in ihrer Unnatürlichkeit und Langeweile, sozusagen perspektivlos. Mich irritiert bei aller intellektuellen Anerkenntnis des Ortes der Staatsmacht auch sehr, dass ich während der langen Wegstrecke im Objekt nicht eine Menschenseele sehe (und ich habe wirklich hingeschaut !). Niemand da ! Nicht mal der Hubschrauber-Tower scheint besetzt. Kein Auto bewegt sich. Hoffentlich ist gerade das der Ausdruck der Demokratie, „…dass die gerade alle Urlaub haben und einfach nicht da sind.“

Die Flagge steht auf Halbmast – die Trauer über die Opfer der schrecklichen Flutkatastrophe in Süd-Ost-Asien mit ihren weit über 100.000 Toten und der unfassbaren Verwüstung wird angezeigt.

Die Häuser von Neulindenberg sind jetzt näher als unser Ahrensfelde. Hier wendet man sich zurück und folgt der Straße immer am Waldrand entlang. Wildgänse am Himmel, kugeliges Gebüsch und „…den Wald könntet Ihr auch mal durchräumen…“, da trösten auch nicht die Pilze am Baum oder soll das ein Naturschutzgebiet werden? Rigoroser, weil von wirtschaftlichen Interessen geleitet, erscheint mit der Zuschnitt des Pferdereitweges. Laufen kann man da schwer, aber Pferde kommen durch die maschinell erzwungene Schneise wohl ganz gut durch. Am höchsten nord-östlichen Punkt, wo noch Ginster und Hagebutten wachsen, sehe ich das erste Mal wieder Ahrensfelde, rechts noch der Märchenwald und das GTHKW.
Aber wo ist der Kirchturm von Lindenberg ? Nicht auszumachen ! Sehr wohl aber das ständige Rauschen der Bundesautobahn ist zu hören. Die Straßenschäden und die verwilderten Pflaumenbäume kenne ich seit Menschengedenken. Entlang des zweiten endlosen Bau-Zaunes stapfe ich auf die Siedlung zu – rechts den Reiterhof Groke ausmachend, wo der Inhaber Hermann Groke auch am letzten Tag des Jahres bei der Arbeit ist und so kennt man ihn fast nur !

Es riecht nach nassem Holz und Laub, die Siedlung bringt sich mit Böllern und Autogeräuschen ins Bewusstsein. Das Werbeschild von ITECH (Neubauten in/an der Schillerstraße) liegt im Straßengraben so, wie die mit ihm beendeten Hoffnungen auf restlose Vermarktung. Noch ein endloser Zaun ab dem Gutshof entlang der Lindenberger Straße, über den nachzusinnen nicht lohnt. Geeigneter hier der Erinnerungsblick über die Straße zu „Panzer-Meyer“ s ehemaligem Garten. Ahrensfelde war ja nicht nur das Dorf der hier fest wohnenden Eigentümer, sondern auch der Wochenend-Gärtner. Herr Meyer war einer von ihnen und sein Garten war stets vorbildlich – immer konnte man stehen bleiben und ihn bewundern. Dass wir uns lange Zeit nicht grüßten, lag an der deutschen Geschichte: Er, der ehemalige Wehrmachtssoldat hatte dann lange bei der NVA gedient und war Offizier der Panzertruppen geworden. Also „Genosse Meyer“. Wir von der anderen Denkfraktion hatten nichts recht Gemeinsames mit den Genossen. Mit der Wende musste der Genosse Meyer noch einige Zeit der Bundeswehr dienen, bis er altershalber in die Pension gehen konnte. Wir kamen ins nachbarschaftliche Gespräch, aus den Genossen Soldaten waren Kameraden geworden und die Mediziner im Bundeswehrkrankenhaus konnten Herrn Meyer wirksam bei einer schrecklichen Erkrankung helfen – wenigstens in diesem Einzelschicksal wurde „Friede ohne Waffen“ geschaffen. In der Kehrseite ging ihm der Garten verloren, wie schade, denn die gewisse Gradlinigkeit war in der Person und im Garten immer erkennbar gewesen.

Im Ohr habe ich plötzlich Orgelklänge – nicht wirklich akustische, aber eben die, die Frau Elfriede Richter schon seit Jahren in Konzerten und Gottesdiensten für die Zuhörer lebendig macht. Hier wohnt sie und ich wünsche mir noch lange Jahre diesen Klang. Vielleicht aber auch den Klang des Cellos, der wilden Gitarren zur Rocknacht oder der Posaunen im Advent aus dem „Radieschenfeld“ ?

Das neue und unbenutzte Wartehäuschen der eingestellten Buslinie wartet auf Umsetzung, der sowjetische Soldatenfriedhof bleibt, wie auch die letzte Blickachse auf den Kirchturm. Nachher wird Herr Pfarrer Müller seine letzte amtliche Silvesteransprache halten (er geht im April 2005 in den Ruhestand) und wir werden am neu geputzten und sanierten Kirchturm vorbeigehen. Die restaurierte mechanische Uhr von 1864/65 wird die Zeit anzeigen und ein Jahr wie viele andere wird sich davonmachen, wie lange schon in Ahrensfelde ? Sicher schon mehr als 630 Jahre (2005) – das sind ja nur die nach der ersten amtlichen Urkunde gezählten.
Ich komme darauf, weil wir bei der Restauration des Kirchturmes einen archäologischen Fund machten: Bei den Schachtarbeiten stießen wir auf die Begräbnisstätte eines Kindleins, welche sich zur Hälfte unter der Fundamentsohle der alten Feldsteinkirche befand. Der Vermutung nach gab es also einen kleineren Vorgängerbau (aus Holz ?), in dessen Traufbereich die kleinen Kinder begraben wurden. Das Köpfchen lag im Westen, die Füßchen im Osten. Das Traufwasser des Himmels hatte einen Bezug zum Taufwasser. Und am Morgen des Tages der geglaubten Auferstehung wird das Kindlein das Köpfchen heben und nach Osten in die leuchtend aufgehende Sonne schauen …
Später haben sie das Feldsteinfundament einfach über das sehr tief liegende Kindergrab gebaut und unsere heutige Kirche darauf gegründet. So haben wir es vorgefunden und bevor wir noch in die wissenschaftliche Bewertung eintraten, im Kreise stehend dem Kindlein über das knöcherne Köpfchen gestrichen, war es doch unser ältestes Ahrensfelderchen … oder gibt der andere Fund noch älteres Zeugnis ? Schriftlich gesehen werden wir aber ganz sicher unsere 630-Jahrfeier in 2005 halten dürfen.

Bei den letzten Schritten trete ich in angenehmes Fluidum im kleinen Ahrensfelder Dreieck ein: Es duftet aus den Küchenfenstern gut nach Mittagessen. Mein neuer Nachbar grüßt kollegial und um Mitternacht werden wir alten und neuen uns fröhlich die Hände reichen. Erstes Vertrauen ist schon aufgebaut. Das neue Jahr kann kommen, gefüllt mit Tatendrang und Kontinuität – hoffentlich auch gefüllt mit Frieden und Bewahrung ….


Ihr Paul Plume / Chronist


Der Beitrag wurde uns freundlicherweise von Paul Plume, Ortschronist in Ahrensfelde, zur Verfügung gestellt.
Weitere Jahresrückblicke von Herrn Plume finden Sie hier:
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