Ebenso wie die Rolle der Kriegsgefangenen in Mehrow interessiert uns der Einsatz von Fremd- und Zwangsarbeitern während des Zweiten Weltkrieges. In Mehrow waren bei vielen Bauern ausländische Arbeitskräfte, vorwiegend Frauen aus den eroberten Ostgebieten, eingesetzt. Wieviele davon freiwillig kamen oder wie das polnische Mädchen Wladka, das uns ihren Lebensweg erzählt hat, die Arbeit hier als einzige Alternative zum Lagerleben aufgenommen haben oder gar zur Arbeit in Mehrow gezwungen wurden, wissen wir nicht.

Aus Akten, die wir im Bundesarchiv in Berlin-Lichterfelde gefunden haben, wissen wir, daß da partei- und behördlicherseits keine großen Unterschiede gemacht wurden. So gab es Anweisungen, wie mit den polnischen Fremdarbeitern umzugehen ist, was denen so aber nicht mitgeteilt werden durfte, um die "Werbung" weiterer, in der Landwirtschaft dringend benötigter Arbeitskräfte nicht zu behindern.

In der Akte NS 25 / 1404 "Beschäftigung von Kriegsgefangenen, insbesondere in der Landwirtschaft (1939-43)" findet sich unter Nummer 66 folgende, nicht für die Veröffentlichung bestimmte Anordnung der NSDAP vom März 1940:

NSDAP
Der Stellvertreter des Führers
München, 15.3.1940

Anordnung A 33/40
(Nicht zur Veröffentlichung)

Betrifft: Verhalten deutscher Volksgenossen gegenüber polnischen Landarbeitern und Landarbeiterinnen

Eine ausreichende Versorgung der Landwirtschaftlichen Betriebe mit Arbeitskräften ist zur Sicherung der landwirtschaftlichen Produktion unerlässliche Voraussetzung. Der Vorsitzende des Ministerrates hat deshalb die Hereinnahme polnischer Arbeitskräfte in grossem Ausmass angeordnet. Mit dem Antransport wurde begonnen.

Da die polnischen Arbeitskräfte auch in Gesindestellen eingesetzt werden, kommen sie zwangsweise in engere Berührung mit der Bevölkerung.

Aufgabe der Partei ist es, durch ständige Aufklärung der Bevölkerung im einzelnen und in Versammlungen dafür zu sorgen, dass der notwendige Abstand gehalten wird. Grundlage der Aufklärung ist das beiliegende Merkblatt.
...
Der Inhalt des Merkblattes darf keinem Unbefugten, vor allem nicht den Polen selbst, zur Kenntnis kommen, um die Werbung weiterer polnischer Arbeitskräfte nicht unnötig zu erschweren.
Quelle: Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, Akte NS 25 / 1404
"Beschäftigung von Kriegsgefangenen, insbesondere in der Landwirtschaft (1939-43) ...", Nr. 66

Das Merkblatt selbst hat folgenden Inhalt (gekürzt):

Wie verhalten wir uns gegenüber den Polen

Haltet Abstand von den Polen!
Werdet nicht zu Verrätern an der deutschen Volksgemeinschaft!
Laßt Polen nicht mit an Eurem Tisch essen!
Bei Euren Feiern und Festen haben die Polen nichts zu suchen!
Nehmt die Polen nicht in Eure Gasthäuser mit!
Gebt den Polen auch sonst keine Vergünstigungen!
Seid gegenüber den Polen selbstbewußt!
Haltet das deutsche Blut rein!
Größte Vorsicht im Umgang mit Kriegsgefangenen!
Denkt vorallem an die Spionagegefahr!

Quelle: Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, Akte NS 25 / 1404
"Beschäftigung von Kriegsgefangenen, insbesondere in der Landwirtschaft (1939-43) ...", Nr. 66

Glücklicherweise ist das offenbar hier in Mehrow nicht beherzigt worden. Sowohl die Kriegsgefangenen, als auch die ausländischen Arbeitskräfte sind, soweit es uns bekannt ist, gut behandelt und entgegen den Verboten auch weitestgehend in das Dorf- und Familienleben integriert worden.

Nach Auskunft von Mehrowern, auf deren Höfen Ausländer eingesetzt waren, gab es seinerzeit Kontrollen des "Rasse und Siedlungshauptamtes der SS", ob denn die Anordnungen in der SS-Mustersiedlung Mehrow eingehalten wurden. Frau Elke Böhm, die ihre Kindheit hier verbracht hat, erzählte uns, daß dann schnell im Garten Tische aufgebaut und die Fremdarbeiter und Kriegsgefangenen zum Essen daran platziert wurden. War die Kontrolle vorbei, wurde die nächste Mahlzeit wieder zusammen im Haus eingenommen.

Die Frau des französischen Kriegsgefangenen Felix Carpentier, und die Polin Wladka, die als junges Mädchen nicht ganz freiwillig hierher nach Mehrow kam, haben uns erfreulicherweise bestätigen können, daß es hier tatsächlich menschlich zuging.