Einer der französischen Kriegsgefangenen, die während des zweiten Weltkrieges hier in Mehrow interniert waren, hieß Felix Carpentier. Er war der Familie Diederich zugeteilt, die hier in Mehrow nach der Auflösung des Rittergutes eine der Siedlerstellen bekam. |
Zu unserer großen Freude hat Felix in dem Brief seine Adresse hinterlassen, so daß wir uns gleich auf die Suche nach ihm begeben konnten. "Pas de Calais" gibt schon mal die Richtung vor: Das ist das Gebiet rings um Calais an der französischen Kanalküste. Das Internet gibt auch gleich noch ein paar Details preis: Nort-Leulinghem ist 345 Hektar groß und besitzt 177 Einwohner (also halb so groß wie Mehrow mit einem Drittel an Einwohnern). Der Ort liegt in der Nähe von Saint-Omer an der Straße RD221 und gehört zum Kanton Ardres, der insgesamt 17.610 Einwohner hat. Es gibt dort eine St. Andreas-Kirche mit einem Tabernakel im Stile Ludwig des vierzehnten aus dem Jahre 1759. Da sich auf der Webseite des Kantons Ardres auch gleich Anschrift, Telefon- und Fax-Nummer des Rathauses von Nortleulinghem (Anm.: wird mal zusammen und mal auseinander geschrieben) fand, haben wir dort einfach mal ein Fax hingeschickt und nachgefragt, ob dort ein Felix Carpentier bekannt ist und vielleicht sogar noch lebt, oder wenigstens noch Familienangehörige zu finden sind. |
Es hat auch gar nicht lange gedauert und es kam per e-Mail eine Antwort von einem Herrn André Coulon, der uns mitteilte, daß Felix Carpentier, der allerdings nicht Lehrer, sondern Landwirt war, leider schon vor 15 Jahren verstarb. Seine Tochter (vermutlich die "Kleine" die 1942 in seinem Brief erwähnt wurde) ist auch schon seit 10 Jahren tot, aber seine Frau lebt heute noch in Nort Leulinghem. Wir sollen ihm doch einfach schreiben, was wir an Fragen haben und er wird Frau Carpentier für uns befragen. |
Nun ist das mit dem "einfach schreiben" nicht wirklich einfach, wenn die Korrespondenz auf Französisch erfolgen soll. Aber es fand sich eine fleißige Übersetzerin und wir konnten einen ganzen Fragenkatalog fachmännisch übersetzt loswerden.
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Anfang März 2005 kam dann auch schon eine Antwort von Herrn Coulon, zusammen mit einem Bild von Felix und seiner Familie, aufgenommen in einem kleinen Dorf nahe Nort Leulinghem, vermutlich in den 70er oder 80er Jahren. Frau Carpentier (links im Bild), die schon 95 Jahre alt ist, hat sich gemüht, unsere Fragen zu beantworten und manches wird nun schon ein bißchen klarer. Wir werden dran bleiben und mit Herrn Coulon's Hilfe versuchen, noch mehr von Frau Carpentier über ihren Mann und seine Kriegsgefangenschaft in Mehrow zu erfahren. Und ein paar Ungereimtheiten, wie das Geburtsjahr der Tochter, die Felix in seinem Brief erwähnt hat und der Grund seiner vorzeitigen Rückkehr aus der Gefangenschaft (altersbedingt, oder weil er im Dorf gebraucht wurde) werden wir noch klären. Hier nun aber erst mal das, was uns Herr Coulon am 2.3.2005 geschrieben hat: |
Ich hoffe, dass Sie das Foto der Familie Carpentier gut erreicht hat. Madame Carpentier (95 Jahre) sagt, sie hätte Fotos von ihrem Mann während der Gefangenschaft, aber leider weiß sie nicht, wo sie diese suchen soll. Falls sie sie findet, wird es mir ein Vergnügen sein, sie Ihnen zu schicken. So, und hier nun was ich über Felix herausbekommen habe: Er ist am 1. Mai 1906 in Nortbecourt, einem kleinen Dorf 5 km von Nort Leulinghem geboren. Er hat in Nort Leulinghem am 15. Januar 1937 Marie Louise Courtin geheiratet, sie hatten eine Tochter Francine, die 1944 in Nort Leulinghem geboren ist. Felix wurde 1938 mobilisiert und kämpfte in der Aisne (im Norden von Paris) und wurde in Vervins (Aisne) gefangengenommen und nach Deutschland nach Mehrow fortgebracht, wo er von Herrn Diederich ausgewählt wurde, der sich mit Paul Mesmaque um das Gefangenenlager kümmerte. Felix arbeitete auf dem Feld mit zwei Pferden, Paul Mesmaque kümmerte sich auf dem Gehöft um die Tiere, sie wurden von ihrem Arbeitgeber gut behandelt, er hat sie ihre Arbeit selbst organisieren lassen, er hat ihnen lediglich gesagt was er gerne fertig sehen würde, mittags aßen sie auf dem Gehöft, das Essen war gut aber nicht sehr reichlich, ihr Arbeitgeber hatte nicht sehr viel was er ihnen geben konnte. Am Abend sind sie zum Schlafen in das Camp zurückgekehrt, und Herr Diederich ist zu sich nach Hause gegangen. In Folge der Vereinbarungen zwischen der Armee und dem französischen Roten Kreuz wurden einige Gefangene mit Begründung ihres Alters freigelassen (offenbar über 35 Jahre). Felix war dabei und kehrte nach Frankreich zurück, Paul Mesmaque war jünger und blieb bis zur Befreiung in Deutschland. Felix war vor dem Krieg Feldarbeiter auf zwei großen Gehöften und gründete nach dem Krieg ein eigenes kleines Gehöft (ein Pferd, etwa 17 ha Boden), welches er bis 1976 bewirtschaftet hat, er blieb auf seinem Gehöft und seine Frau lebt noch heute dort. Felix starb am 3. Januar 1992 und seine Tochter, die in Paris bei der RATP arbeitete, starb am 9. Januar 1996. Es gibt niemanden mehr bei Paul Mesmaque, der in Nortbecourt, dem Geburtsort von Felix wohnte. Voilà, das ist alles was ich für den Augenblick habe. Ich behalte Ihre Adresse und werde Sie kontaktieren, falls Madame Carpentier ein paar Souveniers findet. Alles Gute an Sie |