Das Jahr 1937 war das Ende des Rittergutes Mehrow. Unsere letzte Gutsbesitzerin, Anna Bothe, verkaufte das einst blühende Rittergut Mehrow, das ihr Vater Robert Stock 1900 erworben hatte, an die Landgesellschaft "Eigene Scholle", die es anschließend parzellierte und bebaute. Die Besetzung mit Neubauern erfolgte dann überwiegend durch das "Rasse- und Siedlungshauptamt der SS" mit eigenen Leuten, die Mehrow zu einem Musterdorf machen sollten, u.a. durch die Bildung einer Betriebsgenossenschaft. für die Verwaltung der gemeinschaftlichen Anlagen im Dorf. (Siehe auch Landratsbericht von 1938.) Darüber, welche Kriterien bei der Auswahl der Neubauern für diese und andere SS-Siedlungen zur Anwendung kamen, haben wir im Bundesarchiv Berlin Auskunft gefunden. |
In einer Akte mit Schriftwechsel des "Rasse- und Siedlungshauptamtes SS" (NS 2 / 60) findet sich ab Seite 18 unter Gesch.Z. IF 2892/39 ein Schreiben des Reichsbauernführers ("Reichsnährstand Blut und Boden"), in dem dieser über die Neubauernauswahl berichtet und die Ausarbeitung "Sechs Jahre Auslese bei der Neubildung deutschen Bauerntums" von Landwirtschaftsrat Hermann Benz (Anlage, Seite 20 bis 48) anpreist: |
von: Reichsbauernführer (REICHSNÄHRSTAND BLUT UND BODEN) am 1. Dez. 39 Gesch.Z. IF 2892/39 Ausarbeitung "Sechs Jahre Auslese bei der Neubildung deutschen Bauerntums" von Landwirtschaftsrat Hermann Benz Referat im Reichsnährstand (Zahlen, Auswahlkriterien etc.) Sehr geehrter Gruppenführer! Ich überreiche Ihnen hiermit eine Ausarbeitung "Sechs Jahre Auslese bei der Neubildung deutschen Bauerntums" Unsere Auslesearbeit ist beherrscht von dem Geist, den wir als Kernstück unseres nationalsozialistischen Bekenntnisses und Glaubens bezeichnen, nämlich von der Erkenntnis, daß "die Sünde wider Blut und Rasse die wahre Erbsünde ist" und deshalb der Dienst des reinen Blutes der wahre Gottesdienst sein muß. Die Auslese der Neubauern und ihre Seßhaftmachung ist zweifellos eine der bedeutendsten und nachhaltigsten Leistungen der nazionalsozialistischen Staatsführung. Wenn auch von den 30000 ausgesuchten Neubauern bislang nur 16000 bodenständig gemacht werden konnten, so darf darin doch ein wertvoller Beitrag für die völkische Erneuerung aus unserem Bauerntum gesehen werden; denn aus den Neubauerndörfern werden einmal in ganz besonderem Maße gutrassige, an Körper, Charakter und Seele gesunde Söhne und Töchter hervorgehen, die das Erbe, das wir von unseren Vätern übernommen haben, mit reinen und starken Händen in die Zukunft hineintragen werden. ... Ich betrachte es im übrigen als selbstverständlich, dass die kameradschaftliche Zusammenarbeit der SS und meiner Siedlungsabteilung sich auch künftig - soweit nötig - auf alle Einzelheiten, nicht nur der Ermittlung der Neubauernbewerber, sondern auch des eigentlichen Verfahrens (Rentenfestsetzung, Plangestaltung usw.) und schließlich auch auf die Beratung der angesetzten Neubauern erstreckt. ... Heil Hitler! |
"Sechs Jahre Auslese bei der Neubildung deutschen Bauerntums" von Landwirtschaftsrat Hermann Benz Seit nunmehr 6 Jahren erfolgt eine zielbewußte Auslese der Familien, die auf Neubauerndörfern angesetzt werden. ... |
Quelle: Bundesarchiv Berlin Lichterfelde Akte NS 2 / 60, fol. 1-141 "Rasse- und Siedlungshauptamt SS" Schriftwechsel mit dem RFSS/RFK, überwiegend betr. bevölkerungspolitische Maßnahmen, Bd. 1: 1939, Seite 18f (Anschreiben) und 20ff (Ausarbeitung) |
Es wird von kundigen Mehrowern immer wieder behauptet, daß die hier entstandene SS-Siedlung eine Mustersiedlung für die eroberten Ostgebiete sein sollte. Einen schriftlichen Beweis dafür haben wir (noch) nicht gefunden, aber vieles spricht dafür: Einerseits die Art und Ausführung der Bauten, die mit Wohnung, Stall und Scheune unter einem Dach auch und besonders für rauhes Klima geeignet war und andereseits die Kriterien bei der Besetzung der Siedlerstellen. |
von H. Himmler als Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums |
Quelle: Bundesarchiv Berlin Lichterfelde Akte NS 2 / 60, fol. 1-141 "Rasse- und Siedlungshauptamt SS" ..., Bd. 1: 1939, Seite 129 |
Darüber, wo das Land für solche Siedlungen herkommen soll, hat man sich auch gleich Gedanken gemacht und u.a. folgende Lösung gefunden: |
von H. Himmler als Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums |
Quelle: Bundesarchiv Berlin Lichterfelde Akte NS 2 / 60, fol. 1-141 "Rasse- und Siedlungshauptamt SS" ..., Bd. 1: 1939, Seite 130 |
Zurück zu den Auswahlkriterien für die Neubauern. Frau Elke Böhm, deren Eltern hier in Mehrow eine der begehrten Neubauernstellen erhalten hatten, hat uns freundlicherweise den Lebenslauf ihres Vaters, Hans Husfeldt, zugestellt. Der macht an einem Einzelfall sehr deutlich, auf welchem Wege seinerzeit junge Männer zur SS gekommen sind und wie man sich die von der SS nach dem hier beschriebenen Verfahren ausgewählten und in Mehrow angesiedelten Neubauern vorzustellen hat. |
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Die für Mehrow vorgesehenen Neubauern während ihres praktischen Eignungstests im Sommer 1938. |