Aus verschiedenen Erzählungen war uns ja schon bekannt, daß die Bothes mit der Führung des Rittergutes auf die Dauer überfordert waren. Max Bothe hat als vormaliger Fabrikbesitzer wenigstens ein paar Voraussetzungen für die Leitung eines solchen Betriebes mitgebracht und hinsichtlich der technischen Ausstattung und der fast fabrikmäßigen Produktion manches bewirkt. So erzählen Verwandte, daß er in den 20er Jahren stolz seine elektrische Melkmaschine vorgeführt hat - die erste weit und breit. Aber Max Bothe ist schon 1930 gestorben und seine zurück gelassene Wittwe, Anna Bothe, war nun wirklich weder Landwirtin noch Unternehmerin. Und so ging es trotz sicher vorhandenem Bemühen der Berater, Inspektoren und Angestellten zunehmend "bergab" mit dem Rittergut. Von ehemaligen Siedlern haben wir jetzt Unterlagen (vermutlich aus dem Archiv in Barby oder aus dem ehem. Preußischen Staatsarchiv) erhalten, aus denen hervorgeht, daß Frau Bothe Ende der 30er Jahre das Rittergut Mehrow nicht aus freien Stücken verkauft hat, sondern weil sie hilflos überschuldet war. Daß sie das Rittergut 1937 für 1 Million Reichsmark an die Landgesellschaft Eigene Scholle verkauft hat, wußten wir schon - aber aus dem "Ah" wegen dieser großen Summe hat sich in ein "Oh" gewandelt, als sich in diesen Unterlagen der Beleg dafür fand, daß diese Summe komplett zur Ablösung von Hypotheken und zur Schuldentilgung benutzt werden mußte und offenbar nicht einmal dafür reichte. Nachfolgend sind in vollem Umfang drei Dokumente wiedergegeben, die den Verkauf und die Auflösung des Rittergutes Mehrow belegen:
In letztgenanntem Dokument ist ausgeführt, daß das Rittergut "restlos überschuldet war" und es in Anbetracht der Schuldenverhältnisse "völlig ausgeschlossen" ist, daß er "jemals in der Hand der Bäuerin wieder wirtschaftlich ausgestaltet werden könnte". So ist Frau Bothe dann wohl Mitte 1937 mit ihrer Simson-Supra-Limousine und privatem Möbilar, aber ansonsten fast leeren Händen aus Mehrow fortgezogen. Daß sie nicht noch (wie im Kaufangebot) 10000 RM Bares zur Begleichung der Einnahmen-/Ausgaben-Differenz für 1937 dalassen, sondern eine etwa gleich hohe Summe mitnehmen (und wahrscheinlich woanders zur Schuldentilgung einsetzen) konnte, ist nur dem Umstand zu verdanken, daß sie kurz zuvor noch Land an die Reichsautobahn verkauft hatte. Diese braquchte das Land zur Errichtung der jetzigen A10 (Berliner Ring), die jetzt quer über das Rittergut verläuft. Die beim Verkauf erzielten knapp 20000 RM für 10 ha Land (!) sind ihr bei der Vertragsverhandlung zugestanden worden, so daß nach Abzug der vorgenannten 10000 ha noch ein kleines Taschengeld für gerade verkaufte 790 ha Land mit Schloß, Brennerei, Molkerei etc. blieben. |
|
|
Nr. 85 des Beurkundungsverzeichnisses des Kulturamtes Frankfurt (Oder) für 1937
Verhandelt,
Frankfurt/Oder, am 26. Februar 1937.
In der Siedlungssache von
M e h r o w, Kreis Niederbarnim, erschienen vor dem unterzeichneten Kulturamtsvorsteher, Regierungs- und Kulturrat Dr. Ernst Krüger, Frankfurt/Oder, der durch Verfügung des früheren Präsidenten des Landeskulturamtes in Frankfurt/Oder vom 23.10.1922 - Tgb.Nr.4264 gen. - gemäß § 34 des Ausführungsgesetzes zum Reichssiedlungsgesetz mit der Führung von Verhandlungen beauftragt ist, die den Erwerb von Grundstücken im Bezirk des früheren Landeskulturamtes in Frankfurt/Oder zur Schaffung neuer Ansiedlungen oder zur Hebung bestehender Kleinbetriebe (§1, Abs.1, des Reichssiedlungsgesetzes) zum Gegenstand haben, 1) Regierungs- und Kulturrat Dr. Heinrich B l u m, in Berlin-Grunewald, Charlottenburger Str. 7, 2) Regierungs- und Kulturrat a.D. Walter E c c a r d t in Frankfurt/Oder. Die Erschienenen sind dem unterzeichneten Kulturamtsvorsteher von Person bekannt und geschäftsfähig. Sie erklärten, daß sie als Geschäftsführer der Landgesellschaft Eigene Scholle G.m.b.H., Frankfurt/Oder für diese ihre Erklärungen abgeben wollten. Weiter erklärten die Erschienenen folgendes: Wir machen hierdurch Frau verw. Anna B o t h e geb. Stock in Mehrow, Post Ahrensfelde, das Angebot, mit der Landgesellschaft Eigene Scholle G.m.b.H., Frankfurt/Oder, den nachstehenden K a u f v e r t r a g
abzuschließen.
§ 1. Mehrow Band II Blatt 32 in verzeichneter Größe von 668,4335 ha Mehrow Band II Blatt 33 " " " " 33,5309 ha Hönow Band XI Blatt 327 " " " " 47,8857 ha Seeberg Band IV Blatt 81 " " " " 19,2593 ha Seeberg Band IV Blatt 82 " " " " 21,7024 ha mithin in der Gesamtgröße von 790,8818 ha. Vom Verkauf ausgeschlossen sind jedoch die in den vorhandenen Grundbuchbeständen enthaltenen, für die Reichsautobahn in Anspruch genommenen Flächen in ungefährer Größe von 10 ha, ferner ein durch Kaufvertrag vom 1.9.1939 an Frau Olga Meißner geb. Bolle verkauftes, im Grundbuchbestande von Mehrow Band II Blatt 23 od. 32 enthaltenes Trenngrundstück in Größe von 1157 qm. Diese vom Verkauf ausgeschlossenen Flächen sollen zunächst der Käuferin mit aufgelassen werden und sind nach durchgeführter Vermessung der Verkäuferin unentgeltlich und kostenlos zurückzuübereignen. Das Gut ist verkauft wie es steht und liegt mit allem Zubehör, Vorräten, Feldbestellung, Baumbeständen und dergl. ohne Gewähr für Güte und Ertragsfähigkeit des Ackers, der Waldbestände, des Inventars und der mitverkauften Gebäude. Käuferin erkennt an, sich selbst über den Zustand der Gebäude und des Inventars unterrichtet zu haben. Der Kauf erstreckt sich auf das gesamte Rittergut mit Ausnahme der oben bezeichneten, vom Verkauf ausgeschlossenen Flächen in seinen gegenwärtigen Grenzen und Malen wie es die Verkäuferin besessen hat oder zu besitzen berechtigt war, mit allen dem Gute zustehenden Rechten und Gerechtigkeiten sowie mit allen auf dem Gute ruhenden oder mit seinem Eigentum verbundenen Lasten. Der Käuferin ist bekannt, daß das Rittergut Mehrow patronatspflichtig ist. Diese Belastung ist bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigt. Mitverkauft sind insbesondere die etwa im im Grundbuch nicht eingetragenen, aber der Verkäuferin gehörigen Wege und sonstigen Grundstücke. Verkäuferin erteilt der Käuferin Vollmacht, sich diese im Grundbuch etwa nicht eingetragenen Flächen selbst aufzulassen und die zur Anlegung eines Grundbuches oder zur Auflassung erforderlichen Erklärungen Gerichten und sonstigen Behörden gegenüber unter Befreiung von der Beschränkung des § 181 BGB abzugeben. Ausgeschlossen vom Verkauf ist das der Verkäuferin gehörige, im sogenannten Herrenhause befindliche Privatmobilar und das Privatauto der Verkäuferin, eine Simson-Supra-Limousine. § 2. Käuferin verpflichtet sich, die Tauschfläche gegen Übereignung der im Tausch gegebenen Fläche an deren Eigentümer unentgeltlich zu übereignen. Verkäuferin tritt der Käuferin ihre Rechte auf Übereignung der Tauschfläche hierdurch ausdrücklich ab. § 3. a) das Brennereikontingent in Höhe von 40 000 Liter, b) das Zuckerrübenkontingent in Höhe von 14 720 Ztr., c) das Mahlkontingent, d) etwaige Grundstücksgerechtsame, auch soweit diese nicht in den Grundbüchern eingetragen sind, e) etwa vorhandene Anteile an Genossenschaft (Molkerei, landwirtschaftlicher Ein- und Verkaufsverein, Spiritusverwertungsgenossenschaft). § 4. in Buchstaben: Eine Million Reichsmark, und wird wie folgt belegt: a) die Käuferin übernimmt als Selbst- und Alleinschuldnerin einen erststelligen Teilbetrag, der zugunsten der Kreissparkasse des Kreises Niederbarnim, Berlin, Friedrich-Karl-Ufer 5, eingetragenen Hypothek mit den Zinsen vom 1.1.1937 ab in Höhe von 650000 RM mit der Maßgabe, daß bei Abverkauf des Hauptgutes ein Betrag bis zu 450000 RM der Hypothek auf dem Hauptgute bestehen bleibt, während 200000 RM in diesem Falle der Gläubigerin zurückzuzahlen sind. b) die Käuferin übernimmt selbstschuldnerisch die im Grundbuche von Mehrow Band XI Blatt 327 und von Seeberg Band IV Blatt 81 und 82 für die Deutsche Centralbodenkredit A.-G., Berlin, als Rechtsnachfolgerin der Getreiderentenbank eingetragene Reallast von jährlich 200 Ztr. Roggen mit dem per 31.XII.1936 valutierenden Betrage. Diese Reallast wird auf den Kaufpreis mit vorläufig 26400 RM angerechnet. c) Der Rest des Kaufpreises in Höhe von 323600 RM ist bar zu zahlen und zwar für Rechnung der Verkäuferin zu treuen Händen an die Firma G. von Pachaly's Enkel G.m.b.H., Berlin, welcher hierbei die Auflage zu machen ist, aus diesem Betrage die ihr angegebenen Wirtschaftsschulden zu decken. Die Firma G. von Pachaly's Enkel G.m.b.H hat diesen Auftrag angenommen. Der somit belegte Kaufpreis von 1000000 RM ist mit 4 vom Hundert jährlich ab 1.1.1937 zu verzinsen, sofern nicht eine Belegung durch Hypothekenübernahmen erfolgt ist. Der bar zu zahlende Kaufpreis wird bei der Auflassung fällig. § 5. Diese Einschränkung gilt nicht hinsichtlich der Verträge mit den Inspektoren Krüger und Voß; in diese tritt die Käuferin bedingungslos ein. Das Vertragsverhältnis mit Herrn Ruppert soll frühestens zum 30. Juni 1937 kündbar sein. Weiter tritt die Käuferin vorbehaltlich ihres gesetzlich zustehenden Kündigungsrechtes in die das verkaufte Grundstück bestehenden Versicherungsverträge ein. § 6. Für den Umzug der Verkäuferin stellt die Käuferin unentgeltlich die zur An- und Abfahrt der Möbelwagen nach der Bahnstation erforderlichen Gespanne sowie das Packmaterial (Heu und Stroh) zur Verfügung. § 7. § 8. Für die gegenseitige Abrechnung über die Wirtschaftseinnahmen und -ausgaben gilt der 1. Januar 1937 als Stichtag. Der 1. Januar 1937 ist außer für die Zinsen gemäß § 4 maßgebend für die Verrechnung hinsichtlich der Einnahmen und Ausgaben der Wirtschaft, der Steuern, Versicherungen, Löhne und dergl. Dabei wird festgestellt, daß die Käuferin verpflichtet ist, a) die laufenden Düngerwechsel in Höhe von etwa 30059,41 RM vorbehaltlich des endgültigen Nachweises zu übernehmen, b) Wechselschulden der Verkäuferin für gekaufte Maschinen im Betrage von 5976,65 RM zu übernehmen, c) die Kosten für Saatkartoffeln in Höhe von 1312,94 RM zu übernehmen, d) Andererseits überläßt die Verkäuferin den ihr zustehenden Betrag für die Ablieferung von Zuckerrüben in Höhe von etwa 9000,- RM sowie eine etwa von der Zuckerfabrik zu leistende Nachzahlung für die Campagne 1936/37 der Käuferin. Verkäuferin tritt der Käuferin hierdurch ihre Ansprüche gegen die Zuckerfabrik Thöringswerder auf Nachzahlung für Zuckerrüben ab. Desgleichen wird festgestellt, daß der Käuferin alle Einnahmen, auch insoweit, als sie aus Verkäufen vor dem 1. Januar 1937 zu erwarten sind, zustehen. Auf Grund dieser Zwischenfeststellung der Einnahmen und Ausgaben per 16. Februar 1937 und unter Berücksichtigung der vorstehenden Punkte zu a) bis d) gilt die Wirtschaftsabrechnung per 16. Februar 1937 als ausgeglichen durch eine von der Verkäuferin an die Käuferin zu leistende Zahlung von 10000 RM, die bei der Übergabe fällig ist. Alle weiteren Einnahmen und Ausgaben der Wirtschaft gehen für Rechnung der Käuferin. Durch die vorbezeichnete Zahlung von 10000 RM ist eine weitere Übergabeabrechnung entbehrlich. § 9. Verkäuferin verpflichtet sich, gleichzeitig mit der Annahme des Kaufangebotes die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zur Erhaltung des Anspruchs der Käuferin auf Auflassung der nach § 1 verkauften Grundstücke auf sämtlichen Grundbuchblättern zu bewilligen. Die Auflassung soll erfolgen, sobald die nach § 10 vorbehaltene Genehmigung der Siedlungsbehörde zu dem Kaufvertrag erteilt ist. § 10. § 11. Die Käuferin wird auch für die von der Verkäuferin zu bewilligende Eintragung der Auflassungsvormerkungen gemäß § 9 zur Erlangung der Kostenfreiheit die Versicherung nach § 29 RSG abgeben, ebenso für die Grundbuchbereinigung gemäß § 7 dieser Verhandlung. § 12. Kosten für die Beurkundung übernimmt die Käuferin nicht, da diese Beurkundung durch das Kulturamt Berlin II nach § 29 RSG kosten- und gebührenfrei erfolgen kann. Die vorstehende Verhandlung wurde den erschienen vorgelesen, von ihnen genehmigt und wie folgt unterschrieben: Dr. Heinrich Blum Walter Eccardt Dr. Ernst Krüger |
|
V e r h a n d e l t
M e h r o w, am 23. März 1937 In der Siedlungssache von M e h r o w, Kreis Niederbarnim, erschienen heute vor dem unterzeichneten Kulturamtsvorsteher Regierungs- und Kulturrat Dr, Otto W o l k w i t z aus Berlin, der sich auf das Gut Mehrow, Kreis Niederbarnim begeben hatte, und der durch Verfügung des ehemaligen Landeskulturpräsidenten in Frankfurt (Oder) vom 4. April 1931 gemäß § 34 des Preuss. Ausführungsgesetzes zum Reichsiedlungsgesetz vom 15. Dezember 1919 (G.S.120 S.31) mit der Führung von Verhandlungen beauftragt ist, die den Erwerb von Grundstücken im Bezirk des früheren Landeskulturamtes Frankfurt a.O. zur Schaffung neuer Ansiedlungen oder zur Hebung bestehender Kleinbetriebe (§ 1 Absatz 1 des Rechssiedlungsgesetzes) zum Gegenstand haben, Anna B o t h e geb. Stock, Dr. Heinrich B l u m, Urkundlich unter Siegel und Unterschrift ausgefertigt. |
|
IM NAMEN DES DEUTSCHEN VOLKES !
beschlossen:
Beschluß. In Sachen des in der Erbhöferolle von Mehrow Blatt 23 eingetragenen Erbhofes hat das Anerbengericht in Altlandsberg in der Sitzung vom 16. August 1937 an der teilgenommen haben: Amtsgerichtrat Alberts als Vorsitzender Anerbenrichter Bauer Alfred Fielitz aus Krummensee Anerbenrichter Bauer Otto Degen aus Wesendahl als Beisitzer, Der Bäuerin Anna Bothe geb. Stock aus Mehrow wird anerbengerichtlich genehmigt, über ihren in der Erbhöferolle von Mehrow unter Nr. 1 eingetragenen Erbhof (Grundbuchblätter Mehrow Blatt Nr. 23, von Hönow Blatt 327, von Seeberg Blatt 81 und 82) gemäß dem vor dem Kulturamt Frankfurt a/Oder am 26. Februar 1937 beurkundeten Kaufangebot an die Landgesellschaft "Eigene Scholle" e.G.m.b.H. in Frankfurt a/Oder zu veräußern. Die Kosten des Verfahrens trägt die Bäuerin. Der Wert des Gegenstandes wird auf R Mark 140000.- festgesetzt. Gründe: Der Bäuerin war die Veräusserung ihres Erbhofes an die Landgesellschaft "Eigene Scholle" e.G.m.b.H. zu genehmigen. Der Erbhof bildet wirtschaftlich gesehen einen Teil des rettungslos verschuldeten Rittergutes Mehrow. Die Bäuerin kann bei der jetzigen Verschuldung den Betrieb unmöglich aufrecht erhalten. Der Erbhof ist also zur Zeit für die Volkswirtschaft völlig wertlos. Dass er jemals in der Hand der Bäuerin wieder wirtschaftlich ausgestaltet werden könnte, ist bei den gerichtsbekannten Schuldenverhältnissen völlig ausgeschlossen. Durch die Veräusserung verschwindet zwar zunächst für einige Zeit ein Erbhof, der, weil wirtschaftlich nicht gesund, ohne Nutzen für die Volkswirtschaft ist. Durch Aufteilung des Erbhoflandes werden jedoch in Kürze mehrere gesunde Neubauernhöfe entstehen. Es wird also für die deutsche Volkswirtschaft und das deutsche Bauerntum durch das Verschwinden des einen Erbhofes ein ganz erheblicher Vorteil eingetauscht. Wegen der Kostenentscheidung vgl. § 112 Erbhofverfahrensordnung. Das Anerbengericht Ausgefertigt mit dem Bemerken, dass vorstehender Beschluß rechtskräftig ist. Altlandsberg, den 16. September 1937 |