Im Jahre 1938 hat der damalige Landrat des Kreises Niederbarnim, Dr. Max Weiß,
Major a.D. einen Bericht über die "Aufbauarbeit" in den zurück liegenden fünf Jahren seit der Machtergreifung der Nationalsozialisten veröffentlicht. Daß da viel Propaganda und Schönfärberei enthalten ist, versteht sich von selbst.

Der Mehrow betreffende Eintrag im Landbuch Karl IV. (Quelle: E. Fidicin:

Da Mehrow mit seiner gerade entstandenen SS-Siedlung als deutsches Musterdorf galt, wird es in dem Landratsbericht mehrfach lobend hervorgehoben. Ungeachtet der politischen Färbung wollen wir diese Lobreden hier im Original wiedergeben, da sie einige wissenswerte Details enthalten.

Unter "Charakter der Gemeinden" (Seite 39f) wird ausgeführt, daß u.a. Mehrow seinen "ursprünglichen Charakter als landwirtschaftliche Gemeinde behalten" hat.

In der Liste "Die Gemeinden des Kreises" auf Seite 48 erscheint Mehrow wie folgt:

Lfd. Nr. Name der Gemeinde Einwohnerzahl am 10. Okt. Name des Bürgermeisters
am 31.3.1938
Zahl der
1933 1934 1935 1936 1937 Beigeordneten Gemeinderäte
48 Mehrow 305 316 301 309 307 Voß 2 6

Zusammen mit Ahrensfelde und Eiche wird Mehrow als zum "Amtsbezirk Ahrensfelde" gehörig ausgewiesen. Amtsvorsteher war ein Herr Wegener mit Sitz in Ahrensfelde.

Bezüglich Standesamt (S. 53f) heißt es:
  • Standesamt: Mehrow in Ahrensfelde
  • Standesamtsbezirk: Ahrensfelde, Eiche, Mehrow

Die Gendarmerie (S. 58) zählt Mehrow zur
  • 4. Gendarmerie-Abteilung Bernau: 1 Gend.-Obermeister, 3 Gend.-Meister, 13 Gendarmen
... und das Deutsche Rote Kreuz (S. 87) zur
  • Bereitschaft 4: Ahrensfelde, zust. für Ahrensfelde, Eiche, Mehrow

Im Kapitel "Feuerlöschpolizei" wird auf Seite 74 auch die Mehrower Freiwillige Feuerwehr erwähnt

Neben den bereits zur Machtübernahme vorhandenen 70 Freiw. Orts-, 2 Betriebs- und 1 Anstaltsfeuerwehr wurden in Durchführung des Gesetzes über das Feuerlöschwesen bereits im Februar des Jahres 1934 in 15 Gemeinden des Kreises, die noch Pflichtfeuerwehren besaßen, Freiwillige Wehren gegründet. Es waren Bernöwe, Birkholz, Börnicke, Eiche, Hönow, Kienbaum, Krummensee, Lobetal, Löhme, Mehrow, Münchehofe, Prenden, Schwanebeck, Seefeld und Spreeau.

Bezüglich der Besiedlung wird ab Seite 236 ausgeführt:

Die Anlegung bäuerlicher Siedlungen auf Grund des Reichssiedlungsgesetzes vom 11.8.1919 ... und des Gesetzes über die Neubildung deutschen Bauerntums vom 14.7.1933 ... geht unter der Aufsicht der staatlichen Kulturämter vor sich. Auch auf Niederbarnimer Boden sind solche Siedlungen entstanden in Mühlenbeck-Summt, ferner durch Aufsiedlung der Güter Zehlendorf, Blumberg und in neuester Zeit Mehrow. Hier sind nicht städtische Eigenheimer oder Kleinsiedler angesetzt worden, sondern Bauern und Halbbauern, Landarbeiter und ländliche Handwerker.

Beanstandet wird jedoch, daß einige ländliche Siedlungen wie die in Blumberg "schon gleich nach ihrer Fertigstellung nach Sanierung verlangten, ganz zu schweigen von der Bauform ..., die wohl jeder heimatlich empfindende Mensch mit dem Herzen ablehnt."

Die jetzt 1938 entstehende SS-Siedlung Mehrow, von der "Eigenen Scholle" in Frankfurt (Oder) errichtet, bietet im Gegensatz zu den früheren ein Bild echter deutscher Bauernsiedlung. Wirtschaftlich gesund, zeigt sie wieder die heimatliche Bauweise.
Zum Beweis gibt es dann auch ein ganzseitiges Foto der "Rentengutsiedlung Mehrow", das aber auch irgendwo hätte aufgenommen werden können. Interessanter sind da schon die Angaben unter "Landwirtschaftliche Siedlung (Güteraufteilung)":

Ab Seite 399 gibt es dann Aufklärung darüber, was das "Kulturamt Berlin II", das uns schon mehrfach im Zusammenhang mit der hiesigen SS-Siedlung untergekommen ist, mit der Besiedlung Mehrows zu tun hat und welchen Hintergrund das Ganze hat:

Der Begriff vom Bauern als freiem Mann auf freier Scholle ist im Deutschen Reich und auf deutschem Siedlungsboden zu allen Zeiten lebendig gewesen. Wir sprechen heute von der Neubildung des deutschen Bauerntums und verstehen darunter die Durchführung von bäuerlichen Siedlungsaufgaben im ganzen Reich. Damit verfolgen wir Ziele, zu denen sich schon Friedrich der Große bekannte.

Die staatlichen Träger dieser bäuerlichen Siedlungsaufgaben sind heute in Preußen die Landeskulturbehörden und in ihrer Lokalinstanz die Kulturämter. Ein Kulturamt umfaßt in der Regel mehrere Kreise. So ist für den Kreis Niederbarnim das Kulturamt Berlin II maßgebend, dem aber noch die Kreise Teltow, Ost- und Westhavelland und die Stadtkreise Rathenow und Brandenburg zugeteilt sind. Das Kulturamt untersteht dem Oberpräsidenten - Landeskulturabteilung - und die Landeskulturabteilung dem Reichs- und Preußischen Minister für Ernährung und Landwirtschaft.



Nach einem mit "Siedlungshaus Mehrow" bezeichneten Bild geht's dann weiter:

Die Behörde, das Kulturamt, siedelt nicht selbst, sondern bedient sich der Vermittlung von Siedlungsgesellschaften, die für die jeweilige Provinz zugelassen sind.
Diese gemeinnützigen Siedlungsgesellschaften führen ihre Arbeiten unter der Aufsicht der Landeskulturbehörden selbständig durch.

Es folgt dann eine kurze Vorstellung der ab 1932 entstandenen Siedlung Blumberg, in der insgesamt 136 Siedlerstellen geschaffen, eine neue Schule errichtet sowie eine Brennereigenossenschaft und eine Markgenossenschaft Blumberg-Elisenau ins Leben gerufen wurde. Es wird gelobt, daß es möglich war, im "wunderschönen Schloß Blumberg" ein Seminar für nationalsozialistische "Volkspflegerinnen" zu eröffnen.

Weiter geht es dann mit Mehrow:

Das zweite Siedlungsobjekt im Kreis ist das jetzt im Entstehen begriffene Mehrow. Es liegt östlich von Berlin. Das Rittergut Mehrow, das eine Fläche von 790 ha umfaßt, wurde im Jahre 1937 von der Siedlungsgesellschaft "Eigene Scholle" aufgekauft und wird jetzt nach einer einjährigen Zwischenzeit aufgesiedelt. Ein Restgut in Trappenfelde ist verkauft worden. Im Rahmen der Besiedlung entstehen jetzt noch:

3 Restgüter in einer Größe von 95, 50 und 40 ha
12 Vollbauernstellen in einer Durchschnittsgröße von 20,7 ha
3 Handwerkerstellen in einer Größe von 3,5 ha

Für die Restgüter sind die bestehenden Gebäude verwertet worden. Die Vollbauernstellen erhalten durchweg neue Siedlungsgebäude, die in ihrer Bauart für das märkische Siedlerdorf mustergültig dastehen dürften. Wohnraum und Stallung sind in einem Hause untergebracht. Das Wohnhaus ist mit einem geschmackvollen Vorbau versehen. Die Räume sind so eingerichtet, daß sie später, wenn die Neubauernfamilie wächst, mit eigenen Mitteln weiter ausgebaut werden können. Der Bauer hat dadurch die Möglichkeit, seinen Hof selbst mitzugestalten. Die Häuser sind geräumig und breit gebaut. Solche Bauten tragen den baukulturellen Erfordernissen Rechnung; sie geben der gesamten Hoflage die Behäbigkeit, die Harmonie mit der Umgebung, die Ruhe und den bäuerlichen Charakter.

Die schönen Gebäude gliedern sich in eine zweckmäßige Dorfform ein. Die Höfe liegen aufgelockert in der Gemarkung. Der Neubauer wird hier inmitten seiner Felder auf seinem Hof selbständig und sein eigener Herr sein. Die Pflege bäuerlicher Gemeinschaft wird in Mehrow dadurch gefördert, daß in Zusammenarbeit mit der Kreisverwaltung und den anderen zuständigen Stellen eine Reihe gemeinschaftlicher Anlagen errichtet wird. Sie kommt weiterhin durch den nationalsozialistischen Geist der in Mehrow anzusetzenden SS-Männer zum Ausdruck. Ein Thing-Platz und ein Gemeinschaftshaus sollen in Mitten des Dorfes geschaffen werden. Das Gemeinschaftshaus soll die notwendigen Versammlungs- und Schulungsräume, die Dienstzimmer für die SS, den Werkraum für die HJ. usw. enthalten. In einem Raum an der Dorfstraße werden die genossenschaftlichen Einrichtungen, wie Milchkühlerei, Wirtschaftsräume und die nötigen Feuerwehranlagen geschaffen. Für die Wasserversorgung hat das Siedlungsunternehmen zwei Wasserwerke errichtet. Ein vorhandener kleiner See ermöglicht es, den Erfordernissen eines billigen, aber ungeheuer wichtigen Dorfbades gerecht zu werden.

Durch die Schaffung von 3 Handwerkerstellen kommt in der bäuerlichen Siedlung die Verbundenheit von Bauerntum und Handwerk sinnfällig zum Ausdruck.
Als Faksimile (ca. 80 KB) ist dieser Artikel hier zu finden.

Was dann als brauner Abgesang folgt, ist zwar ziemlich übel, soll aber trotzdem nicht ausgeklammert werden, weil es nun mal dazu gehörte und zudem ansatzweise erklärt, welche Rolle die SS als Dritte im Bunde neben Kulturamt und Siedlungsgemeinschaft spielte:

Ein Wort sei hier noch über den anzusetzenden Menschen gesagt. Mit der Gestaltung des bäuerlichen Lebens im Dritten Reich ist der Mensch, d. h. der auszuwählende Neubauer, in den Vordergrund der Maßnahmen bei der Neubildung deutschen Bauerntums gerückt. Das SS-Rasse- und Siedlungsamt hat die Aufgabe übernommen, die in Mehrow anzusetzenden Bauern aus den eigenen Reihen auszuwählen. Es wird hierdurch die Gewähr gegeben, daß der Träger des bäuerlichen Lebens in volksbiologischer Hinsicht von besten Qualitäten ist und das Gemeinschaftsleben durch die gleichen Ziele gewährleistet sein wird. Inmitten alltäglicher Arbeit an einem Stück deutschen Erdbodens soll das Bekenntnis zum bäuerlichen Schaffen, zu Volk und Staat erste Richtschnur sein.

Das soll nun aber wirklich reichen ... Mit ein paar ausgetauschten Vokabeln tauchen vergleichbare Texte schließlich nach dem Krieg wieder zur Genüge auf.

Quelle: "Fünf Jahre Aufbauarbeit im Kreis Niederbarnim / 1. April 1933 bis 31. März 1938"
Verwaltungsbericht, herausgegeben vom Landrat