Der Dauerstau auf der B 158 zwischen Ahrensfelde und der Autobahn (A10 / Berliner Ring) hat doch auch sein Gutes:
Man findet Gelegenheit, sich mit der näheren Umgebung vertraut zu machen. So erblickt man plötzlich aus Ahrensfelde kommend ca. 200 Meter hinter der Einfahrt zu "Schwörer-Haus" rechts im Walde einen großen Stein, an dem eine Tafel befestigt ist.
Bei schnellem Vorbeifahren hätte man diesen nie wahrgenommen.

Neugierig geworden, fahren wir an besagter Stelle, wo ein für Fahrzeuge gesperrter Weg in das Wäldchen hinein führt, von der Straße herunter und laufen die etwa 50 Meter bis zu dem merkwürdigen Stein mitten im Walde.

Und unsere Neugierde wird nicht enttäuscht.
Die an dem großen Feldstein befestigte Tafel verweist darauf, daß sich hier vor etwa 100 Jahren Spannendes zugetragen hat, was leider dem Revierförster nicht gut bekommen ist. Auf der Tafel steht:

Hier fiel im Kampf
mit Wilddieben
am 25. September 1904
der Revierförster
Herr Hugo Strempel

Der Förster hat es offenbar nicht gut gefunden, daß sich dort jemand in seinem Walde die Mahlzeiten selbst fängt oder schießt und die vermutlich hungrigen Wilddiebe fanden es offenbar nicht gut, daß der Förster sich in diese Angelegenheit einmischt ...


Was sich da genau zugetragen hat, wissen wir leider nicht, denn aus diesem Jahr haben wir noch keine Tageszeitungen auftreiben können. Aber in den bisher von uns gesichteten Ausgaben des Niederbarnimer Kreisblattes (1925-1931) ist immer wieder mal die Rede von Wilddieben in unserer Gegend.


Oftmals waren die Wilderer schlauer oder vor Gericht glaubwürdiger, als jene, die ihnen nachstellten, wie man im Niederbarnimer Kreisblatt vom 13. Mai 1931 nachlesen kann:

Wegen Mangels an Beweisen

Blumberg, 11. Mai
Die Arbeiter Matysiak und Mania aus Berlin standen unter der Anklage der Wilddieberei. Sie sollen am 26. August v. J. bei Blumberg in der beim alten Bernauer Weg gelegenen Waldung ein Reh geschossen haben. An jenem Tage hörte der Heger Wolf auf seinem Dienstgang einen Schuß und sah, wie in einiger Entfernung zwei Männer aus dem Walde auf die Straße bogen. Er fand in der Nähe der Stelle, wo er die beiden gesehen hatte, wohlversteckt ein erlegtes Reh liegen. Förster und Landjäger wurden ins Bild gesetzt und man traf Anstalten, die Wilddiebe zu fangen.
Am 29. August sah man an der Stelle, wo das Reh geschossen worden war, zwei Männer lagern, die Rucksäcke trugen. Man bemächtigte sich ihrer und brachte sie nach Bernau zur Polizeiwache, wo man ihre Personalien feststellte und bei ihnen einen zusammengelegten geladenen Tesching mit Schalldämpfer fand. Diese Gegenstände wurden samt der beiden Rucksäcke beschlagnahmt. Die Säcke wurden zur Untersuchung eingesandt, und die wissenschaftlichen Sachverständigen sagten aus, daß darin Haare von Hasen und Rehen jüngerer und älterer Herkunft, sowie Blutflecke von Hasen und Kaninchen und von Rehen oder Hirschen sich befanden. Alles das deutete darauf hin, daß man es mit gewerbsmäßigen Wilddieben zu tun hatte.
Die Beiden bestreiten aber jede Schuld. Sie wollen sich auf einem Spaziergang befunden haben. Mit dem Tesching wollten sie Schießübungen veranstalten. Das Gericht kam, da beiden nichts nachzuweisen war, zu einem Freispruch.

Aber mitunter schoß (im wahrsten Sinne des Wortes) der Förster oder der Jagdaufseher beim Aufspüren vermeintlicher Wilderer auch etwas über das Ziel hinaus, wie wir im Niederbarnimer Kreisblatt vom 3. August 1928 lesen können:

Blumberg. Ein Zwischenfall, der noch der näheren Aufklärung bedarf, ereignete sich am Mittwoch voriger Woche am Übergang des Börnicker Weges über die Bahn, in der Nähe unseres Dorfes.

Drei junge Leute im Alter von 15-17 Jahren hatten, wie uns geschrieben wird, abends gegen 9 Uhr eine Radfahrt gemacht und sich auf dem Rückwege nach Blumberg, halbwegs zwischen der Heide und dem Dorfe, ausgeruht. Einer von ihnen zündete sich beim Wiederaufbruch eine Zigarette an. Beim Aufsteigen sah einer von den dreien einen fremden Radler sich ihnen von der Heide auf dem selben Wege nähern. Die jungen Leute fuhren dann ziemlich flott ab, und kurz vor dem Bahnübergang hörte der letzte den Fremden rufen: "Wer nicht anhält, den schieße ich vom Rad". Dieser Warnung folgte der letzte. Einen Augenblick später war der Fremde neben ihm auf dem Bahnübergang, legte sein Rad nieder und schoß auf die beiden anderen, glücklicherweise ohne zu treffen.

Es stellte sich dann heraus, daß der Schütze der Jagdaufseher des Pächsters der Gemeindejagd war. Er war aber in der Entfernung und bei der Dunkelheit als Jagdschutzbeamter nicht zu erkennen. Angeblich hat er das Aufblitzen des Handfeuerzeuges, als der eine der drei jungen Leute sich eine Zigarette anzündete, für das Mündungsfeuer einer Waffe gehalten und ist dadurch in den Glauben versetzt worden, es hier mit Wilddieben oder doch zumindest mit Leuten zu tun zu haben, die unberechtigt eine Waffe führen. ...

Ganz folgenlos ist dieser Vorfall aber für den übereifrigen Jagdaufseher nicht geblieben, wie einge Wochen später (am 10. September 1928) in der gleichen Zeitung zu lesen war:

Blumberg.Über einen Zwischenfall, an dem drei auswärtige junge Leute und der Jagdpächter beteiligt waren, berichteten wir zu Anfang des vorigen Monats. Bekanntlich hatte der Jagdpächter auf zwei der jungen Leute geschossen, glücklicherweise, ohne zu treffen. Das Landratsamt hat dem Jagdaufseher nun den Jagdschein abnehmen lassen. Eine weitere Klärung dieser Angelegenheit wird die Gerichtsverhandlung bringen.