In unserem Nachbardorf Hönow wurde in diesem Jahr (2017) bereits zum zehnten Mal zu einer historischen Nachtwanderung durch das Dorf eingeladen.
Dieses Mal beschränkte sich aber das Wandern darauf, auf dem Hof der ehemaligen Bäckerei Gustke, wo die Wanderung fast immer ihren Anfang nimmt, das Körpergewicht von einem Fuß auf den anderen zu verlagern.
Die Veranstalter haben es wohl in Anbetracht der kaputten Straßen im Ort für zu gefährlich gehalten, vor den Hof zu treten. Wenn man von Mehrow nach Hönow fährt, dann sieht und spürt man schon am Ortseingang, dass unser Nachbar­dorf wesentlich älter ist. Die Asphaltdecke der Chaussee ist unverkennbar etwa hundert Jahre älter.
Aber, wenn auf dem Hof alles beisammen ist: Geschichtsvortrag, Videovorführung, prominente Gäste, Bier, Glühwein, Wurst, Schmalzstullen und sogar Livemusik, dann muss man nicht durch die Gegend laufen und Verletzungen des Gehapparates in Kauf nehmen.
Und sogar für Redundanz war gesorgt. Für den Fall, dass der ortseigene Nachtwächter Torsten am Eingang des Hofes überrannt wird, ist Amtshilfe aus Altlandsberg angefordert worden und prompt in der Person des Nachtwächters Horst Hildenbrand erschienen.
Gemeinsam haben sie aufgepasst, dass niemand vorzeitig die Veranstaltung verlässt, oder gar Bier und Schmalzstullen nach draußen schleppt.
Horst Hildenbrand hat es bei den vielen abendlichen Rund­gängen durch Altlandsberg gelernt, Kindergarten­gruppen, Schulklassen, Seniorenrunden, Touristen und sogar Landtagsfraktionen, die sonst wie ein wilder Hühnerhaufen gackern und herum springen, im Zaume zu halten.
Man musste also nicht befürchten, dass die auf dem Hof versammelten Schützen eingreifen müssen.
Und trotz der strengen Einlasskontrolle haben es reichlich Besucher auf das Gehöft in der Dorfstraße 38 geschafft.
Es war durchweg erlesenes Publikum: geschichts­interessiert und trinkfest.
Die beiden Nachtwächter gaben auch beliebte Fotomotive und Gesprächspartner ab. Ohnehin war man auf dem Hof unter ständiger Video- und Fotoüberwachung.
Was Professor Menzel nicht für seinen nächsten Film mit der Kamera festhalten konnte, das haben andere aus den abenteuerlichsten Positionen heraus fotografiert.
Der Altlandsberger Nacht­wächter wurde zum Beispiel abgelichtet, als er aufs Schaurigste schilderte, wie er mit vorgehaltener Pistole zur Herausgabe einer Flasche Nachtwächter-Schnaps gezwungen wurde.
Um die Veranstaltung als kulturellen Beitrag abrechnen zu können, gab es einleitend eine Rede des Krimi-Autors und früheren Bürgermeisters Wolfgang Schüler.
Der hat u. a. aufgezeigt, wie sich die verschiedenen Parteien mit Straßennamen verewigt haben - bis hin zum Schwarzen Weg.
Der Altlandsberger Nachtwächter ist zur Freude aller nicht mit leeren Händen gekommen. Vor 500 Jahren gemeinsam erlittenes Hussiten-Leid schweißt halt zusammen!
Zunächst hat Horst seinen Nachtwächterkollegen Torsten mit einer edlen Taschen-Hellebarde geadelt. Die kann auch gut wie ein Zepter getragen werden und ist deshalb für jede Berufsgruppe vom Nachtwächter bis hin zum Kaiser zu gebrauchen.
Anschließend holte er aus seiner unauffälligen roten Kühlbox einige Flaschen geistreicher Getränke, die zur Verteilung unter das gemeine Volk gedacht waren.
Der im Brau- und Brennhaus gebrannte Altlandsberger Schwarzbierlikör Marke „Nachtwächter“ hat jeder kostend hineingesteckten Zungenspitze geschmeichelt und jeden damit benetzten Gaumen über alle Maßen verzückt.
Auf die enthemmende Wirkung solcher Getränke bauend, hat Nachtwächter Horst die Nähe hübscher Frauen gesucht - und niemand hat es gewagt, sich ihm in den Weg zu stellen.
Im Gegenteil, anwesende Ehemänner haben sich mit aufs Bild gedrängt, statt dem potenziellen Nebenbuhler gegen das Schienbein zu treten.
Die Jüngsten unter den anwesenden Damen haben sich auf der Kutsche in der Hofecke amüsiert und sogar einen jungen Mann als Zugtier engagieren können.
Ernst Böse, der bei uns in Mehrow schon manches Fest mit seinem Akkordeon begleitet hat bekam viel Zustimmung für seine musikalische Umrahmung des Abends bekommen.
Nachtwächter Torsten hat pflichtbewusst darüber gewacht, dass kein Restalkohol anfällt und sein Altlandsberger Kollege hat mit einem Gedicht über seine (Wahl-) Heimatstadt zur Freude und Erbauung des Publikums beigetragen.
Anschließend hat Günter Wolf einige Alteingesessene bewegt, etwas zu erzählen. Schlossermeister Mertens (links unten) kann immer viel über Handwerkers Freud und Leid zu DDR-Zeiten berichten und Herr Richter (unten Mitte) vom „Hönower Hof“, in dessen Scheune schon oft der Absacker der Nachtwanderung gereicht wurde, kann von 400 Jahren Familiengeschichte in Hönow erzählen.
Wer (wie dieser Herr mit seinem historischen Motorrad) an diesem Punkt die virtuelle Nachtwanderung verließ, hat das Wichtigste verpasst: den obligatorischen Film von Professor Menzel zu ausgewählten Themen der Ortsgeschichte und mit Bildern von der vorjährigen Nachtwanderung durch die Hönower Siedlung, die alle Erwartungen übertroffen hat.
Auch im nächsten Jahr wird man nicht auf einen Zusammen­schnitt der diesjährigen Veranstaltung verzichten müssen.
Nach vollbrachtem Kulturprogramm gelüstete dem Publikum nach leiblicher Nahrung. Und die gab es gut und reichlich:
Nicht nur ein Fass Bier und einen großen Kessel Glühwein hatten Sponsoren beigesteuert, sondern auch Bockwurst für alle und leckere Schmalzstullen. Wer hier hungrig blieb, war bloß zu träge, sich anzustellen.
In jeder Ecke und selbst in der Kutsche waren jetzt lustvoll mampfende Menschen anzutreffen, die den nach ein paar Regentropfen noch schön gewordenen Abend genossen.
Ernst Böse und seinem Akkordeon ging weder die Lust am Spielen noch der Liedervorrat aus - und auch die vielen fotografischen Aufnahmen hat er tapfer durchgestanden.
Wer nicht gerade eine Bockwurst quer im Mund hatte, nutzte die Gelegen­heit, mit Freunden und Bekannten, aber auch ganz neuen Bekanntschaften zu plaudern.
Dabei wurden sehr leckere Schmalzstullen serviert, für die frisches, vom Gastgeber selbst gebackenes Steinofen­brot herhalten musste.
Als dann zu fortgeschrittener Stunde alte und neue Freunde voneinander Abschied nahmen, lag ein angenehmer Abend hinter allen. Den Veranstaltern, den Nachtwächtern, dem Musikanten und allen Helfern sei dafür herzlich gedankt.
Nun bleibt nur zu hoffen, dass sich die schöne Tradition der „Nachtwanderungen“ noch lange hält.

Und hier sind Berichte über voran gegangene Nachtwanderungen: 2012 / 2013 / 2015 / 2016.