Wie schon auf unserer „Aktuelles“-Seite vom Mai 2015 ausgeführt wurde, fand am 24. April 2015 der diesjährige Nachtspaziergang durch Hönow statt, der wie immer eine große Schar interessierter Bürger anzog.
Treff war wie üblich in der „Alten Bäckerei“ (Dorfstraße 38), wo nicht nur der pensionierte Bäcker Gustke wohnt, der die Besucher stets mit leckerem Steinofenbrot beglückt, sondern auch der Zimmermeister Günter Wolf, ohne den die jährliche historische Wanderung durch Hönow undenkbar wäre.
Der Termin hätte nicht besser gewählt werden können, denn es war ein schöner, milder Frühjahrsabend und kein Wölkchen drohte damit, Regen herabfallen zu lassen.
Einen Nachteil hat nur solche ein schöner Abend: Es wird spät dunkel und dunkel sollte es schon bei einer Nachtwanderung und dem vorherigen Freiluft-Kino sein!
Dank einer ganzen Reihe von Sponsoren, die Bier vom Fass, Glühwein, äußerst leckere Soljanka und die unvermeidlichen Schmalzstullen spendiert haben, fiel es aber sehr leicht, die Zeit bis zum Dunkelwerden zu überbrücken.
Zudem gab es auf dem Hof viel zu sehen: Museumsstücke bis hin zum Trabbi und einige Hönower Vorkriegsbilder.
Die Begrüßung durch den Hausherrn (links) wurde auch nicht als Signal zum Aufbruch verstanden, sondern zur Aufforderung, nochmal ordentlich zuzulangen.
Los ging es ja eh noch nicht, denn Rituale sind bei solch einer Veranstaltung unverzichtbar. Und zu diesen Ritualen gehört die Einstimmung durch Wolfgang Schüler.
Wolfgang Schüler, der sich seine Brötchen als Rechtsanwalt verdient, war lange Jahre ehrenamtlicher Bürgermeister in unserem Nachbarort Hönow und ist daher den Leuten dort sehr gut bekannt.
Sowohl in seiner Funktion als Bürgermeister, als auch bei den Recherchen für die spannenden und interessanten Krimis, die er „nebenbei“ schreibt, hat er sich viel Wissen über Hönow und unsere Region angeeignet, das er bei solchen Gelegenheiten gern weitergibt. Und zwar nicht einfach so, sondern stets auch dem Anlass entsprechend gekleidet - als stolzer Soldat, wenn es um Hönow während der Befreiungskriege geht, mit Motorradkluft und Sturmhaube wie Bersarin, wenn der Einmarsch der Roten Armee behandelt wird, oder als Küchenchef, wenn wie in diesem Jahr die Gastronomie des Ortes im Mittelpunkt steht.
Ein weiteres Ritual ist das „Freiluftkino“ vor dem Marsch durch das Dorf. Professor Dr. Menzel hat zu diesem Anlass immer Bilder vom Vorjahr und einen Zusammenschnitt der vielen von ihm fabrizierten Hönow-Videos dabei.
Wenn es hinreichend dunkel ist, projiziert ein Beamer die Bilder und Filme an die Giebelwand der Bäckerei.
Erst danach ist an einen Abmarsch zu denken, wenn denn der Nachtwächter seine Laterne auf maximale Leuchtkraft gekurbelt hat. Taschenlampen sind bei dem nächtlichen Spaziergang verpönt - die darf höchstens mal das „Leittier“ benutzen, wenn ihm eine Jahreszahl entfallen ist und er in seinem Notizbüchlein nachsehen muss.
Das passiert dem Zimmermeister Günter Wolf (unten) aber selten. Er kennt sich bestens in der Geschichte des Ortes aus und weiß viele Namen von früheren und jetzigen Bewohnern zu nennen, interessante Orte zu zeigen und spannende Begebenheiten zu erzählen.
An ein Zählen der Besucher ist nicht zu denken, denn trotz steter Bewachung durch den Hönower Nachtwächter wuseln die Leute durcheinander. Die Mehrzahl umringt Herrn Wolf, um möglichst viel zu erfahren, andere schauen sich ganz genau die vorgestellten Gebäude an, wenn der Tross weiter­gezogen ist, und wieder andere nutzen die Gelegenheit, mit anderen Besuchern ins Gespräch zu kommen und Neuigkeiten oder alte Kamellen auszutauschen.
Aber „über den Daumen gepeilt“ mögen es wie im Vorjahr wieder an die hundert Besucher gewesen sein, die sich zu so später Stunde durch ihren Heimatort führen lassen. Die Mehrzahl der Besucher stammt natürlich aus Hönow selbst, aber nur wenige sind Ureinwohner. Viele sind erst in den letzten Jahren zugezogen und möchten jetzt etwas über die Geschichte ihres neuen Heimatortes erfahren.
Die bedeutsamste Gaststätte im Ort war wohl stets die von Hörnicke an der Landsberger Allee, schräg gegenüber dem früherer Chausseehaus, das erst vor ein paar Jahren abgerissen wurde, nachdem ein LKW hineingedonnert war.
Hier bei Hörnicke haben viele Durchreisende Halt gemacht, die Pferde ausgespannt und es sich gut gehen lassen. Hier konnte man auch nächtigen, wovon angeblich sogar mal der Kaiser Gebrauch gemacht haben soll.
Die Familie Hörnicke, die seit ziemlich genau 500 Jahren im Ort nachweisbar ist, stellte über viele Jahre den Bürgermeister und das Haus war ein Austragungsort hitziger und auch gemäßigter Gemeindevertretersitzungen.
Zum Ende des zweiten Weltkrieges macht die Rote Armee, die hier am 20./21. April 1945 einrückte, das an strategisch wichtiger Position gelegene Haus zu einer Kommandantur und zum Kontrollpunkt. Vor dem Haus standen stets Militärfahrzeuge und Posten, die vor Langeweile Sprüche und ihre Namen in den Pfeiler des Gartentores geritzt haben. Nach 70 Jahren sind die immer noch bestens erkennbar.
Vor der Gaststätte Hörnicke meldete sich Herr Köbke (oben auf der Treppe) zu Wort und erzählte, wie er zusammen mit seinem Vater, der als Handwerker auch für die Rote Armee Aufträge erledigte, in dem Haus war, als das noch Kommandantur bzw. Grenzposten war.
Auch an anderen Stellen im Ort fanden sich ältere Hönower, die ganz spontan und unheimlich interessant und spannend erzählten, was sich vor vielen Jahren im Ort zugetragen hat. Wie diese Dame (oben), deren Elternhaus direkt an der Bushaltestelle stand und steht und dessen Freitreppe eine wunderbare Pinkelecke bot, bis die Treppe dann des Gestankes wegen abgerissen wurde.
Aber zurück zum eigentlichen Thema des Abends: die Gaststätten im Ort. „Hörnicke“ haben wir gerade gesehen - da ist nach der Besetzung kein Bierhahn wieder in Gang gesetzt worden. Die Gaststätte „Scharny“ auf dem Anger ist im Krieg von einer Luftmine, die im Dorfkern alle Dächer abgedeckt hat, stark beschädigt und später abgerissen worden - jetzt finden auf der entstandenen Freifläche die alljährlichen Adventsmärkte statt. Die dritte Gaststätte, nach den Besitzern einst „Seeger“ und später „Roman“ genannt, (Bild links) werden wir noch als Ruine sehen.
Aber zum Glück gibt es im Ort nicht nur aufgegebene, sondern auch neu entstandene und scheinbar gut florierende Gaststätten. Die gilt es, an diesem Abend zu besuchen und unter anderem anhand der gereichten Getränke zu bewerten.
Nicht nur bezüglich der Obstler, die dem schnorrenden Publikum von der Wirtin und vom Personal gereicht werden, schneidet die „Alte Schmiede“ auf dem Anger sehr gut ab.
Vorbei am kurzzeitig abgelenkten Nachtwächter gelingt sogar ein Blick in die Gaststube, die rustikal und gemütlich ist und wo man gut und deftig essen kann.
Die Preise sind sehr moderat, da kann man auch mal bei einer Radtour einen Boxenstopp einlegen. Man sollte seine Tour aber so legen, dass man nicht Montag/Dienstag oder erst nach 22 Uhr hier eintrifft.
Sonst kann es einer alten Flasche passieren, dass sie nur auf leere Gläser trifft ...
Man sollte sich auch nur mit dem Rad nach Hönow aufmachen, wenn man weiter auf dem Europa-Radweg nach Kopenhagen will, und nicht, wenn es einen nach Mehrow zieht. Bis auf ein Stückchen am Ortsausgang, wo neben der Straße ein Radweg angelegt wurde, um auf der Straße störungsfrei Blitzen zu können, gibt es zwischen unseren Orten nur eine halsbrecherische Rad-Verbindung. Quasi als Einstimmung auf das Stück zwischen Mehrow und Ahrensfelde ... Um da unter die Räder zu kommen, braucht man nicht betrunken zu sein - aber wenn man schon angekarrt wird, dann macht das mit einem guten Bier oder Schnaps im Magen weit mehr Spaß als nüchtern!
Aus diesem Grunde wurde in der Kurve am Ortsausgang ein Etablissement errichtet, das sich „Landhaus Hönow“ nennt und neben der Gastwirtschaft ein gutes Hotel bietet.
Dorthin führt uns Herr Wolf, der zwischendurch immer wieder einen Anlass findet, die Schnaps-süchtigen Nachtwanderer mit geschichtlichen Einwendungen und belehrenden Worten auf dem schmalen Pfad der Tugend zu halten.
Am Landhaus angekommen reicht ein deutliches Klopfen des Nachtwächters an der Tür, um die Wirtin mit einem dicht mit Schnapsgläsern bestückten Tablett vor die Tür zu beordern, wo ihre milde Gabe reißenden Absatz findet.
Mit einem leckeren Kräuter zwischen Lippe und Gaumen lauscht man gern den Ausführungen der Wirtin.
Das war wie in den Vorjahren ein schöner, interessanter und in jeder Hinsicht genussvoller Abend. Schade nur, dass es die drei früheren Gaststätten im Dorf nicht mehr gibt - die hätten an diesem Abend bestimmt auch noch ein paar alkoholische Köstlichkeiten beizusteuern gehabt!
Im nächsten Jahr geht es vielleicht durch die Hönower Siedlung, das heißt, durch den südlich der Landsberger Allee gelegen Ortsteil, der zwischen den Weltkriegen entstanden ist und vorwiegend von Berlinern besiedelt wurde..
Da fällt einem doch gleich der „Mittelpunkt der Erde“ ein. Mal sehen, ob es da auch einen spendablen Wirt gibt. Im alten Dorf ist man bisher nie enttäuscht worden - und wär' Familie Richter nicht gerade unterwegs gewesen, hätte es in deren Pension hinter dem Anger bestimmt noch einen Absacker in der prima ausgebauten Scheune gegeben.