In unserem Nachbardorf Hönow ist es schon eine schöne Tradition, sich in jedem Frühjahr einmal abends zu treffen, um gemeinsam durch das Dorf zu ziehen und sich von ortskundigen Bürgern die Geschichte der Gebäude und ihrer Bewohner erklären zu lassen. Wir waren 2012 dabei und haben uns schon auf die Fortsetzung in diesem Jahr gefreut.
Allein schon die Einstimmung von Wolfgang Schüler (oben links), der viele Jahre Hönower Bürgermeister war und sich neben seiner Tätigkeit als Anwalt noch als Krimiautor betätigt, ist es wert, zum Nachtspaziergang nach Hönow zu kommen. Wir haben schon Lesungen von ihm erlebt, sowohl aus einem seiner Krimis („Sherlock Holmes in Berlin“), als auch aus der Hönower Ortschronik, an der er mitgewirkt hat. Beides hat Lust gemacht, ihn wieder zu hören.
Am 3. Mai 2013 war es endlich so weit. Treffpunkt war wieder der Hof der früheren Bäckerei Gustke - abends um 21 Uhr, damit es hinreichend dunkel ist, um sich mit alten Fotos und Filmaufnahmen, die an die Häuserwand projiziert werden, auf den Spaziergang durchs Dorf einstimmen zu lassen. Herr Prof. Menzel hatte wieder tolles Material zusammengetragen.
Etwa 80 Leute sind der Einladung gefolgt und standen nun dicht gedrängt auf dem Hof und hatten die Giebelwand des Hauses mit den flimmernden Bildern fest im Blick. Der erste Beweis Hönower Gastfreundschaft war hier schon mal erbracht, denn die vielen Leute wurden nicht nur aufs Gehöft gelassen, sondern auch noch gratis bewirtet - mit Brot aus Gustkes Steinofen und Soljanka eines anderen Spenders.
Herr Gustke (rechts) hat darüber hinaus noch bereitwillig erzählt, wie er nach dem Krieg nach Hönow gekommen ist, um hier die unbesetzte Bäckerstelle zu übernehmen und wie er sein Geschäft aufgebaut und zu DDR-Zeiten betrieben ist.
Zur Überraschung der Zuhörer hat er sogar noch seinen ersten Gesellen (unten links in der Mitte) präsentiert, der inzwischen auch schon etwas in die Jahre gekommen war.
Jetzt klickten ringsum die Fotoapparate und Herr Professor Dr. Menzel (unten rechts) hat schnell die Video-Kamera angeworfen, um den von Herrn Wolf (ganz links) moderierten Meister-Lehrling-Auftritt für die Chronik festzuhalten.
Bestimmt ist das im nächsten Jahr beim Video-Rückblick auf den diesjährigen Spaziergang durchs Dorf zu sehen.
Günter Wolf, Zimmermeister aus Hönow, hatte hier seinen ersten Einsatz als Moderator. Er sollte wie im Vorjahr im Laufe des Abends noch viel zu tun bekommen - als Führer durch das nächtliche Hönow.
Unverzichtbare Utensilien sind dabei die von allen bestaunte biegsame Taschenlampe, die man um den Hals hängen kann, um beide Hände frei zu haben - z.B. für sein schlaues Büchlein, in dem alle nötigten Geschichtsdaten stehen.
Eine weitere wichtige Person bei jeder Nachtwanderung war in diesem Jahr ziemlich arg angeschlagen: der unentbehrliche Nachtwächter. Das böse Straßenpflaster in Berlin hatte ihn ein paar Tage zuvor zu Fall gebracht und neben einem dicken Fuß üble Schrammen im Gesicht hinterlassen.
Aber einen harten Hönower kann das nicht erschüttern und ein wahrer Nachtwächter erfüllt trotzdem seine Pflicht.
Und so schritt der humpelnde Nachtwächter ganz tapfer der wissbegierigen Schar voran durch das Tor auf die Dorfstraße.
Der nächste Halt war gleich gegenüber vor dem Sitz der Baufirma Sommer. Das jetzt schick hergerichtete Gebäude mit der Doppeltür an der Straßenfront ist zu DDR-Zeiten alles Mögliche gewesen ist: Rathaus, Konsum, Sparkasse usw.
Dann bog die Truppe in die kleine Gasse hinter dem Haus ab und stand nach wenigen Metern vor der Feuerwehr.
Das Gebäude war schon hell beleuchtet und davor wartete geduldig Charlie Clauß von der Hönower Freiwilligen Feuerwehr, um den Besuchern etwas über die Wehr, ihre Geschichte und die jetzige Ausstattung zu erzählen.
Danach konnte man durch die Fahrzeughalle streifen und sich die Fahrzeuge und die Ausrüstung der Feuerwehr anschauen und aus sachkundigem Mund erklären lassen.
Beeindruckend waren die langen Reihen mit den fein säuberlich aufgehängten Monturen und Helmen.
Manche hatten sogar Schuhe und Hosen so aufgestellt, dass man schon von weitem reinspringen kann.
Eindrucksvoll war auch die Drehleiter - selbst in eingefahrenem Zustand. Die lässt sich bis zu einer Höhe von 30 Metern ausfahren. (Das sind noch ein paar Meter mehr als beim Hub­steiger, der bei uns manchmal auf Dorffesten anzutreffen ist.)
Da nirgendwo eine Kurbel zu sehen war, geht das Ausfahren vermutlich sogar hydraulisch ...
Interessiert haben sich die Gäste auch für den Aufenthalts­raum, den sich die Kameraden im Laufe der Jahre selbst ausgebaut und eingerichtet haben. Charlie's Ausführungen war zu entnehmen, dass die Freiwillige Feuerwehr in Hönow personell gut aufgestellt ist, dass auch einige Frauen mitmachen und recht viele Kinder und Jugendliche in der Jugend­feuerwehr sind. Trotzdem ist es manchmal schwierig, bei Einsätzen in der Woche ein Fahrzeug voll zu bekommen, da kaum einer der Kameraden in der Nähe arbeitet.
Die nächste Station lag wieder an der Dorfstraße:
Der Metallbau Mertens. Herr Mertens hat den Besuchern vor dem Haus erzählt, wie es denn als selbständiger Handwerker in den 70er Jahren war. Eigentlich sollten Betriebe wie seiner ausschließlich für die Bevölkerung arbeiten, aber Firmen und LPG's reihum hatten auch Handwerker-Bedarf und das führte immer mal zu Konflikten.
Danach zog der Pulk auf das Gehöft von Familie Wolschke.
Wie auf dem Auto vor der Tür zu lesen war, vertreibt Frau Wolschke Grillkamine etc.
An diesem Abend war sie aber voll mit dem Verteilen von „Pullekens“ beschäftigt.
Grills etc. gab es aber trotzdem zu sehen. Besonderes Interesse fand bei allen Besuchern der „begehbare“ Grill - eine achteckige Holzhütte mit einem Grill in der Mitte und Bänken ringsum. Wer so ein Ding hat, braucht beim Grillen keine Winterpause einlegen - er muss allerdings damit rechnen, dass er laufend Besuch hat und ihm die Ehre zuteilwird, alle Familienfeste auszurichten.
Der leidgeplagte Nachtwächter hat immer noch tapfer ausgehalten. Ihm war aber nicht danach zumute, jeden Grill zu inspizieren - er hat sich lieber am Torpfosten festen Halt gesucht und mit dem hochgehaltenen Pfeil dafür gesorgt, dass auch Nachzügler nicht am Hoftor vorbei laufen.
Die nächste Station der Nachtwanderung lag nur ein paar Meter weiter: der Hönower Hof der Familie Richter.
Wer das erste Mal bei der Tour dabei war, blieb erst mal überrascht hinterm Tor stehen, um sich die liebevoll her­gerichteten Gebäude auf dem Hof der Pension anzuschauen und jene zu beneiden, die hier Urlaub machen.
Jene, die schon im vorigen Jahr dabei waren, wussten aber, dass es sich lohnt, zunächst schnell zur Scheune zu eilen.
Am Eingang zur Scheune, die als Saal zum Feiern ausgebaut und gemütlich eingerichtet wurde, standen nämlich wieder Herr Richter jr. und Frau mit leckerem Holunder-Likör.
In der „Scheune“ erzählte Herr Richter sen. aus der Zeit, als auf dem Hof noch Landwirtschaft betrieben wurde und in diesem Gebäude noch Tiere standen.
Danach war ausreichend Zeit und Gelegenheit, sich in der Scheune und auf dem Hof umzuschauen. Einige der Männer stürzten sich auf dem im Hof postierten „Famulus“ aus dem Jahre 1963 und löcherten Herrn Richter mit ihren Fragen.
Der hat sich auch nicht lange bitten lassen und mit stolzer Miene die Maschine angeworfen, deren Tuckern genauso akkurat war, wie der Anstrich des inzwischen 50jährigen Traktors. Damit aufs Feld zu fahren, wäre eine Sünde ...
Inzwischen war es halb 11 Uhr geworden und einige begaben sich auf den Heimweg. Andere folgten noch der Einladung, sich die Kirche anzuschauen. Anders, als in Angerdörfern üblich, steht sie nicht auf dem Anger, sondern etwas abseits auf einem kleinen Hügel - Resten des sagenumwobenen Blocksberges zwischen Dorfstraße und Haussee.
Dieses und andere Details zur Kirche (wie den „Schachbrettstein“) und zu ihrer Geschichte waren von Herr Wolf noch vor der Kirchentür zu erfahren, auch wer da so auf dem Friedhof ringsum liegt und dass der Grabstein vom „Dotti-Grab“ verschwunden ist.
Im Innern besticht die Feldsteinkirche, die vermutlich wie unsere in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gebaut wurde, durch ihr Kreuzrippengewölbe. An der Brüstung der Empore hängt ein riesiger Schildkrötenpanzer, um den sich Sagen und Geschichten ranken - wer die hören möchte, der sollte beim nächsten Nachtspaziergang mitmachen ...
Wer in diesem Jahr dabei war, konnte mit der Zufriedenheit nach Hause gehen, wieder Interessantes über den Heimat- (oder Nachbar-) Ort erfahren, nette Leute kennen gelernt und überhaupt einen schönen Abend gehabt zu haben.
Den Veranstaltern sei ein großes Lob ausgesprochen und herzlicher Dank gesagt!