Der Richtfunktum in Birkholzaue, aufgenommen im April 2003 von der Straße Birkholz-Blumberg aus.

Wer nach Bernau zur Arbeit muss und nicht die Autobahn, sondern die Landstraße nimmt, kommt jeden Tag an ihm vorbei - und die Anderen bekommen ihn spätestens am Wochenende zu sehen, wenn die Auto-, Rad- oder Wandertour in Richtung Norden führt: Den Funkturm im nahe gelegenen Birkholzaue. Er steht direkt an den Landstraße, dort, wo nicht nur zwei Orte, sondern fast zwei Welten aufeinender treffen.

Wenn man auf der Landstraße von Blumberg nach Bernau fährt, trifft man ja nach ein paar Kurven plötzlich auf zwei Ortseingangsschilder:
links steht das von Birkholzaue (neuerdings wie Birkholz zu Bernau gehörend) und rechts das von Elisenau, einem Ortsteil von Blumberg.

Auf der linken Seite kommt dann auch bald ein gut eingezäuntes Grundstück ins Blickfeld mit einem stattlichen Turm mittendrin, der gut hundert Meter hoch ist und ähnlich einem Taubenschlag von einem kreisrunden, mehrstöckigen Gebäude gekrönt wird, an dem jedoch jede Menge "Schüsseln" hängen.

Er dient (so glauben wir zumindest) nach wie vor der Richtfunkübertragung - zumindest ist er Ende der 50er Jahre zu diesem Zweck gebaut worden, wie damals in der Zeitung zu lesen war:

NEUER TAG / Heimatzeitung für den Kreis Bernau, 16.4.1958

Ein Turm von 110 Meter Höhe entsteht

Im Auftrage des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen wird in Birkholzaue ein Dezimeterturm errichtet. Dieser Turm dient ausschließlich dem Richtfunk für Fernsehen. Nach Fertigstellung wird dieser Turm und noch einige andere, bereits im Bau befindliche bzw. schon fertiggestellte dazu beitragen, daß im gesamten Bereich der DDR ein guter Empfang gewährleistet ist und daß auch Uebertragungen von vielen Städten durchgeführt werden können.

Zur Schaffung der Fundamentgrube mußten 3175 Kubikmeter Erde bewältigt werden. Der Fundamentring hat einen äußeren Durchmesser von 32 Metern. Der Turm selbst wird ohne Antenne eine Höhe von 110 Metern erreichen und in Stahlbeton ausgeführt. Bei 80 Meter Höhe die bis Dezember 1958 erreicht werden soll, ist der Durchmesser 5,40 Meter und die Wandstärke 15 Zentimeter. An Baumaterial werden dazu etwa 2200 Kubikmeter Beton und 220 Tonnen hochwertiger Stahl benötigt. Gewissenhaft und sauber müssen die Techniker und Arbeiter des VEB Spezialbau Leipzig, die die Bauarbeiten durchführen, arbeiten. Wie mir der Bauleiter, ein 22jähriger Bauingenieur aus dem Vogtland erzählte, müssen laufend Betonproben an den DAMW eingesandt werden. Schon bei Eingang des Materials müssen ebenfalls ständig Proben durchgeführt werden. Nach Beendigung der Bauarbeiten, etwa im Herbst 1959, werden dann von anderen Spezialfirmen die Innenarbeiten begonnen. In der Mitte des Turmes wird ein Fahrstuhl eingebaut, denn wer möchte am Tage einige Male die rund 600 Stufen steigen ?

Dieser weithin sichtbare Dezimeterturm wird mit dazu beitragen, daß noch mehr Menschen den Aufbau unserer DDR und das kulturelle Leben in unseren Dörfern und Städten am Bildschirm verfolgen können.

VK Elßner

Anm.: Der Turm wurde "Dezimeterturm" genannt, weil er zur Übertragung von sogenannten Dezimeterwellen, d.h. elektromagnetischen Wellen mit 10 bis 100 cm Wellenlänge bzw. Frequenzen von 3000 bis 300 MHz, diente. Die drahtlose Übertragung solcher Wellen wird üblicherweise als "Richtfunk" bezeichnet, weshalb solche Türme auch "Richtfunktürme" genannt werden.

Ob da in den zurückliegenden Jahrzehnten wirklich nur Fernsehprogramme weiter geleitet wurden, oder damals (und vielleicht auch heute wieder) außerdem ein paar "Unauffällige", da oben saßen und sich umhörten und -schauten, wissen wir nicht. Aber warum sollte solch ein schöner "Horch- und Guck-Platz" damals (und heute) verschmäht worden sein?
Zumindest ist weder früher noch jetzt die Einladung an interessierte Ausflügler ergangen, die 600 Stufen oder den Fahrstuhl zur Spitze des Turmes zu nehmen...