Im Nachlaß von Anna Bothe findet sich auch eine Mappe, die mit dem Titel "Aus politischer Zeit" beschriftet ist und einige Zeigungsartikel aus den 20er Jahren über Mehrow enthält.

Darunter befindet sich auch Berichte über Waffenfunde auf dem Rittergut Mehrow in den Jahren 1920/22, die offenbar ohne Konsequenzen blieben.


Das Waffenlager auf dem Rittergut
Ein „Depot der Einwohnerwehr“

Ueber die Verhältnisse im Kreise Niederbarnim, die sich ähnlich gestaltet haben, wie die Lage in Pommern, wird uns von gutunterrichteter Stelle mitgeteilt: Den reaktionären Mittelpunkt bildet in der dortigen Gegend das Rittergut Mehrow. Der Gutsbesitzer Bothe hat nach dem Bekanntwerden des Kapp-Putsches am 14. März vor- und nachmittags je einen Umzug veranstaltet, um für die „neue Regierung“ zu demonstrieren. Der Zug bewegte sich durch Mehrow, Falkenberg, Marzahn, Eiche, Alt-Landsberg, Seeberg, Hönow, Krummensee und Blumberg. Die Bevölkerung verhielt sich diesem Treiben gegenüber größtenteils passiv. Bei der nach der Kapp-Periode stattfindenden Suche nach Waffen war es bekannt geworden, daß auf dem Gut Mehrow ein größeres Waffenlager vorhanden sein sollte. Es wurden dann auch 2500 Gewehre, 2 Maschinengewehre, 1 Kiste Handgranaten und Gewehrmunition vorgefunden. Diese Waffen wurden am 16. April auf Anordnung des Ministers des Innern durch Mannschaften der Berliner Sicherheitswehr abgeholt. Der Gutsbesitzer behauptet, die Waffen stellten ein Depot der Einwohnerwehr dar. Eine Untersuchung dieses Einzelfalles ist im Gange. Es scheint auch, dass Herr Bothe auf seine Gutsarbeiter einen Druck ausgeübt hat, um ihr Ausscheiden aus dem Landarbeiterverband zu erreichen. Einige Arbeiter gaben daraufhin „freiwillig“ ihre Verbandsbücher ab. Inwieweit hier die Befürchtung, im Verweigerungsfalle um Lohn und Brot zu kommen, mitgewirkt hat, bedarf wohl keiner Erläuterung.

Diese Zustände, die keinesfalls vereinzelt dastehenden, wenn auch besonders krassen Fall darstellen, sollten die Regierung mahnen, rücksichtslos gegen Elemente vorzugehen, die sich bei gegebener Zeit nicht gescheut haben, ihrerseits alle Skrupeln beiseite zu lassen.

Quelle: „Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung“
Donnerstag, 22. April 1920, Morgenausgabe
(49. Jahrgang, Nr. 186 - Ausgabe A Nr. 102, Ausgabe für Berlin und Umgegend Nr. 186)

Zwei Jahre später wird erneut über einen Waffenfund in Mehrow berichtet - diesmal wurden komplette Militärausrüstungen für 70 Mann gefunden.
Die Waffensuche ging allerdings sehr "zaghaft" vonstatten, wie der sozialdemokratische "Vorwärts" berichtet und auch dieser Waffenfund blieb offenbar für unseren Rittergutsbesitzer Bothe ohne Folgen.

Wir haben bei unseren Recherchen zur Geschichte von Dorf und Gut Mehrow wiederholt von Waffenfunden in den 20er Jahren gehört, die sich offenbar schnell herum gesprochen hatten. Bernd Thiele, langjähriger Bürgermeister in Mehrow, hat z. B. berichtet, daß Richard Dietrich, der zwischen den Weltkriegen auf dem Rittergut gearbeitet hat, von Waffenfunden auf dem Gut erzählt hat. Detailierte Angaben zu Ort, Zeit und Umfang fehlten uns aber bisher, weshalb die vorgefundenen Zeitungsberichte einen großen Wert für uns haben.


Zaghafte Waffensuche.
Das Versagen der Verwaltungsbehörden.

Immer wieder kommen Klagen an uns, daß gegen die reaktionären Inhaber von Waffenlagern von gewissen Verwaltungs- und Gerichtsbehörden nur mit äußerster Lässigkeit eingeschritten wird. Dabei ist der unbefugte Waffenbesitz durch das Schutzgesetz unter verschärfte Strafe gestellt. Typisch ist ein Fall, der sich vor den Toren Berlins abgespielt hat.

Bei Ahrensfelde wohnt auf dem Gute Mehrow der Rittergutsbesitzer Max Bothe, der offenbar zu den Agrariern alten Schlages gehört, für welche die allgemein gültigen Gesetze nicht existieren. Für seine politischen Umtriebe bedient sich Bothe noch des ehemaligen Leutnants Grimme als Werkzeug, der durch materielle Notlage offenbar eng an Bothe gekettet ist. Bei Bothe wurde schon vor zwei Jahren ein großes Waffenlager, bestehend aus etwa 2000 Gewehren, gefunden. Davon, daß Bothe zur Verantwortung gezogen worden sei, hat man nie etwas gehört.

Dadurch offenbar ermutigt, hat sich Bothe ein neues Waffenlager zugelegt. Vor einigen Wochen meldete der Amtsvorsteher von Ahrensfelde, daß auf Mehrow Waffen verborgen seien. Es begab sich der Oberkommissar Steinauer von der Potsdamer Regierung nach Mehrow und beschlagnahmte dort Militärausrüstungen für über 70 Mann, vollständig komplett vom Stahlhelm bis zu den Fußlappen. Einige Tage später meldete der Amtsvorsteher telephonisch beim Oberkommissar in Potsdam, daß außer den gefundenen Militärausrüstungen noch Waffen vorhanden seien, deren Versteck er angeben könne. Auffälligerweise wußten bereits am Morgen darauf die Herren auf Mehrow, das nochmals bei ihnen Haussuchung gehalten werden würde. Diese fand noch am gleichen Tage statt und enthüllte ein Lager von Maschinen- und Infanteriegewehren.

Trotz der doppelten Waffenverheimlichung, trotz der schweren Strafen, die das Gesetz zum Schutze der Republik vorsieht, läuft Bothe nach wie vor frei umher. Der Staatsanwalt, dem die Sache gemeldet ist, läßt weder Bothe noch Grimme verhaften. Dies fällt der Bevölkerung ebenso auf, wie der Umstand, daß nach der zweiten Waffensuche der Kommissar der Potsdamer Regierung sich von Herrn Bothe bewirten ließ und mit dem Manne, dessen Waffenlager er eben beschlagnahmt hatte, aß und trank.
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Quelle: „Vorwärts“, Berliner Volksblatt, Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Vorwärts-Verlag G.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3),
Dienstag, den 15. August 1922, Abend-Ausgabe (Nr. 383 / 39. Jahrgang, Ausgabe B Nr. 185)


Das oben benutzte Material entstammt dem Nachlaß von Frau Anna Bothe, unserer letzten Gutsbesitzerin, und wurde uns freundlicherweise von Herrn Hans Müller aus Nordhorn zur Verfügung gestellt.