Im Nachlaß von Anna Bothe findet sich auch eine Mappe, die mit dem Titel "Aus politischer Zeit" beschriftet ist und einige Zeigungsartikel aus den 20er Jahren über Mehrow enthält.

Darunter befindet sich auch ein Bericht darüber, wie der "Hindenburg-Tag" (Reichstagswahl 1925) in Mehrow gefeiert wurde.


Die Reiter von Mehrow

Wahltag ist immer Festtag in Mehrow. Am Hindenburg-Tage war es. In aller Morgenfrühe großes Wecken. Acht Mann Musik schmetterten ihre Fanfaren durchs Dorf. Auf dem Gutshofe haben sich 32 Reiter aufgestellt, Gutsarbeiter und Angestellte, alle in gleicher Reiterkleidung, Windjacken und Mützen, eine Lanze mit schwarzweißroten Fähnlein in den Stiefelschaft gestemmt. Frisch auf, Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd! Die Musik besteigt einen mit Laub und Fahnen geschmücktem, mit drei Pferden im Prunkgeschirr bespannten Leiterwagen, der Kommandeur setzt sich an die Spitze.

Rundfahrt durchs Dorf, ein letztes Exerzieren. Dann vorwärts auf die Landstraße, - stundenlang durch Dörfer und zwei Städte. Ueberall an den Straßen jubelnde Begeisterung. In jedem Orte ein paar Märsche geblasen und dann weiter.

Wahlergebnis in Mehrow: von 180 Wählern 162 Stimmen für Hindenburg. Wo liegt dieses Mehrow? Pommern? Ostpreußen? Nein, liebe Berliner! Zwei Meilen von Preußisch-Berlin. Das ist Bothes wilde verwegene Jagd. Von Mehrow ging diesmal der Ritt nach Eiche, Ahrensfelde, Blumberg, Seefeld, Werneuchen, Alt-Landsberg, Seeberg, Hönow. Das ist die Gegend, in der noch fröhlicher Reitergeist herrscht. Das „Reichsbanner“ hat dort noch keine Versammlung gehalten.

Quelle: „Nationalpost. Die deutschnationale Tageszeitung“
Berlin, Mittwoch, 13. Mai 1925 (Nr. 111, 7. Jahrgang). Preis: 10 Goldpfennige


Der Zeitung beigefügt waren diese Bilder, die wir schon an anderer Stelle in Anna Bothes Nachlaß gefunden hatten. Sie haben uns damals zu einem (glücklicherweise mit Fragezeichen versehenen) Beitrag "Reichswehr in Mehrow ?" veranlaßt, mit dem wir offenbar völlig falsch lagen.
Die Bilder sind auf der Mehrower Dorfstraße zwischen dem Gutshaus und dem Rondell aufgenommen worden: der Zaun links begrenzt die Grünfläche vor dem Gutshaus, der Zaun rechts den Dorfteich, im Hintergund it das Rondell vor der jetzigen Bushaltestelle zu sehen.

Welchen Zuspruch Max Bothe und seine Reiter für ihre politische Demonstration gefunden haben, kann man aus folgender, ebenfalls zusammen mit der Zeitung gefundenen "Leserzuschrift" adressiert "An den Gutsvorstand des Rittergutes Mehrow bei Hönow
(abgestempelt in Berlin-Oberschöneweide am 15.5.1925) ersehen:


An den Guts und Wahlvorstand des Ritterguts Mehrow b. Hönow

Mit stolzer Freude fand ich in meiner Zeitung den Artikel „Die Reiter von Mehrow“ denn nicht umhin, ihnen darüber in meiner nationalen Befriedigung, als alte Mehrowerin ein Dankeswort zu sagen, möge noch einmal, auch in unserem schwierigen … das nationale Bewusstsein in derselben glänzenden Verhältniszahl erreichen. In diesem Sinne habe ich meine Hoffnung u. Vertrauen auf unseren „Hindenburg“ gesetzt. Sollten noch alte Mehrower sich meiner erinnern, so entbiete ich ihnen beste Grüße, auch Ihnen unbekannterweise, denn wir ziehen ja denselben nationalen Strang, mit deutschem Gruß

Luise Petersen
Oberschöneweide
Rathenaustr. 6


Das oben benutzte Material entstammt dem Nachlaß von Frau Anna Bothe, unserer letzten Gutsbesitzerin, und wurde uns freundlicherweise von Herrn Hans Müller aus Nordhorn zur Verfügung gestellt.