Vom Frühjahr bis in den Herbst hinein hat man mindestens einmal im Monat die Gelegenheit, mit dem Nachtwächter eine Tour durch Altlandsberg zu machen. Meist am letzten Freitag im Monat - die Termine finden sich auf des Nachtwächters Webseite: www.nachtwaechter-altlandsberg.de.
Früher ging es stets auf dem Marktplatz los. Jetzt, wo es auf dem Schloss- bzw. Gutsgelände immer mehr zu bestaunen gibt, sind Start und Ziel an das Gutshaus verlegt worden.
Das ist ein guter Grund, sich mal wieder dem Rundgang anzuschließen, auch wenn man schon öfter dabei war. Irgendwas Neues gibt es immer zu bestaunen.
Mit dem Staunen geht es schon am Start los, denn der Nachtwächter sieht so verändert aus: etwas größer und ein ganz klein wenig schlanker, als man ihn kennt.
Der misstrauisch Beäugte klärt schnell auf: der Nacht­wächter Horst Hildenbrand kann heute nicht und hat ihm, seinem Gehilfen Robin, die Stadtführung übertragen.
Da sind wir mal gespannt, wie er das macht.
Robin ist einer von fünf Nachtwächtergehilfen, die 2008 im September anlässlich eines großen Nachtwächtertreffens in Altlandsberg feierlich in ihr Amt eingeführt wurden.
Während die anderen durch Wegzug oder aus anderen Gründen ausgeschieden sind, ist er noch immer dabei und wann immer er kann, mit seinem Meister auf Tour. Die Freude daran ist offenbar ansteckend, denn seit Dezember 2013 ist auch seine Schwester Lia begeisterte Nachtwächtergehilfin.
An diesem Abend, am Freitag, den 27. Mai 2016, hatte er nun seine erste eigene Führung durch die Stadt und die hat er wirklich gut gemacht.
Sicher war er sehr aufgeregt, aber das hat man ihm nicht angemerkt. Vielmehr hat man stets gemerkt, wie viel Spaß es ihm macht, sein Wissen über die Stadt an andere weiter­zugeben. Dazu wird er künftig auch bei seinem Schülerjob in der Altlandsberger Stadtinfo reichlich Gelegenheit haben.
Nach den Erklärungen zum Gutshaus, an dem man sich getroffen hat, ging es über das Schlossgelände zur ehemaligen Schlosskirche.
Sie und ein Stück Wand sind die letzten Reste des 1757 abgebrannten Schlosses.
Nach dem Auszug der Glaserei, die sich zu DDR-Zeiten in der Kirche befand und diese vor dem Verfall gerettet hat, wurde die Kirche von der Stadt erworben und restauriert.
Im Mai 2015 wurde die Schlosskirche feierlich als Kulturstätte wiedereröffnet. Sie dient zugleich als Standesamt und erfreut sich bei Heiratswilligen einer großen Beliebtheit.
Beim Verlassen der Kirche fällt der Blick zurück auf das Brau- und Brennhaus des ehemaligen Schlossgutes.
Vor kurzem war das noch eine abrissreife Ruine, jetzt ist es eine Augenweide mit einer ansprechenden Gastronomie.
Die Stadtkirche, die tagsüber meist offen steht, ist zu dieser Zeit leider nicht zugänglich.
Aber auch außen gibt es eine Menge zu entdecken und viel zu erklären.
Ein Muss jeder Stadtführung sind die „Altstadtgeschichten“.
Die Plastik ist nicht nur schön anzuschauen, sondern erzählt auch viel über die Entwicklung der Stadt.
Auf dem Marktplatz stand die wechselvolle Geschichte des Stadtzentrums im Mittelpunkt von Robin's Erklärungen.
Vom Kriegsende bis in die 90er Jahre war der Markt für die Altlandsberger nur zu politischen Kundgebungen zugänglich, da hier ein sowjetischer Soldatenfriedhof war. Der ist jetzt an eine Ecke des wieder einladenden Platzes verlegt worden.
Weiter geht es durch die Poststraße, vorbei an der Apotheke mit den „Stolpersteinen“ vor der Tür, die an das Schicksal der einst hier wohnenden jüdischen Familie Borkowski erinnert.
Als man sie holen wollte, hat der Vater darauf bestanden, in Uniform und mit den im ersten Weltkrieg erworbenen Orden abgeführt zu werden. Das brachte erstmal Aufschub.
Erst nach dem Tod des mutigen Vaters, der im ersten Weltkrieg für sein deutsches Vaterland kämpfte, traute man sich, die Familie abzuholen, die dann in der Deportation den Tod fand.
In der Klosterstraße, wo sich die Schulgebäude befinden, wusste Robin zu berichten, warum diese Straße so breit ist und Wasserrinnen besitzt: hier fanden früher unter anderem die Viehmärkte statt. Das Serviten-Kloster am Ende der Straße hat die Reformation nicht überlebt - jetzt ist da ein ganz toller, moderner Schulhort in alten Gemäuern.
Hinter den Türen und Toren, die zu dieser Tageszeit fast alle verschlossen sind, verbergen sich meist schön hergerichtete Höfe, von denen sich einige beim Vogelscheuchenmarkt am ersten Sonnabend im September präsentieren.
Der Zirkusjunge, der an der Einmündung der Klosterstraße in die Strausberger Straße steht, sollte angeblich die Schul­kinder trösten, die bis vor ein paar Jahren auf dem Weg von der Schule zum weit entfernten Hort hier vorbeikamen.
Robin konnte nicht bestätigen, dass das geholfen hat.
In der Strausberger Straße, kurz vor dem Storchenturm steht noch ein Tor offen, das auf einen Hof führt, der gut als Muster für die schönen Altlandsberger „Hinterhöfe“ dienen kann.
Jetzt ist es hier still, aber bei großen Festen herrscht reichlich Trubel, denn seit Jahren stellt sich hier die polnische Partner­gemeinde mit Blumen-, Gemüse- und Imbiss-Ständen vor.
Der Storchenturm, der den Zugang zur Stadt aus Richtung Strausberg bewacht, diente viele Jahre auch als Gefängnis. Dort, wo einst die Bösewichte bei Wasser und Brot schmoren mussten, hat heute der Nachtwächter sein Stübchen.
Wenn die Gruppe nicht zu groß ist, wird sie hereingebeten, um hier etwas über das Nachtwächterleben zu erfahren.
Gleich um die Ecke findet sich in der Stadtmauer das „Armenhaus“, das einst Feuerwehrdepot und tatsächlich auch mal eine Bleibe für die Ärmsten der Stadt war.
Jetzt ist da eine Gaststätte, deren Besuch sich lohnt: Dort sitzt man wie im Museum, bekommt wohl zubereitetes Essen und kann sich über die Namen der Gerichte amüsieren.
Weiter an der Stadtmauer entlang kommt man an eine Stelle, die hoffentlich bald zu den Schmuckecken der Stadt gehört.
Bis vor wenigen Monaten standen da heruntergekommene Fabrikgebäude, die alles andere als eine Zierde waren. Jetzt verschwinden diese, um für altersgerechte Wohnungen Platz zu machen. Hoffentlich bleibt der Blick auf die Kirche frei!
Dort wo der Mauerrundweg auf die Buchholzer Allee trifft, sind wir schon fast wieder am Ausgangspunkt unseres Stadtrundgangs. Es gibt hier noch ein paar Worte zu diesem Teil der Stadt, der „Amtsfreiheit“ genannt wird und dann geht es durch das Löwentor, das wegen der beiden wilden Tiere auf den Säulen so heißt, wieder auf den Gutshof.
Den Gästen hat der kurzweilige Rundgang durch die Stadt gefallen. Es war ein gelungenes Debüt des Nachtwächter-Gehilfen Robin, auf den sein Meister wirklich stolz sein kann!