Wir bekommen hier in Mehrow leider nicht viel mit von dem, was im nahe gelegenen Altlandsberg stattfindet - unter anderem, weil Altlandsberg schon zu Märkisch Oderland gehört und es dort eine andere Ausgabe der Märkischen Oderzeitung gibt. In unserer Ausgabe (Barnim Echo) findet sich deshalb nur selten mal ein Veranstaltungshinweis.
Am Freitag, den 5. September gab es aber einen solchen Hinweis auf der "Brandenburg"-Seite, der geeignet war, Interesse zu wecken:
Großes Treffen der Nachtwächter
Altlandsberg, ...


Tatsächlich: In Altlandsberg traf sich an diesem Tag die Regionalgruppe Ost der "Deutsche Gilde der Nachtwächter, Türmer und Figuren e. V." und am Abend stellen sich die Herren und Damen auf dem Marktplatz vor. Auf dem Platz im Zentrum der alten Ackerbürgerstadt war schon alles für das am nächsten Tag stattfindende Vogelscheuchenfest vorbereitet und so fand sich dort eine Bühne und die Möglichkeit, mit wärmenden oder anderweitig anregenden Getränken kalten Füßen vorzubeugen.


In ehrwürdiger Pose standen dort die Herren vereint, die an verschiedenen Orten nach alter Tradition des nachts nach Feuer und Bösewichten Ausschau halten, sowie (da sie dies nur ehrenamtlich tun) nach Gästen, die sich für einen kleinen Beitrag ihrem Rundgang anschließen. Aber unter die Nachtwächter hatten sich auch Damen und Herren gemischt, die auf andere Weise Besucher mit ihrer Heimatstadt vertraut machen.

Zu diesem Volk hatte sich Altlandsbergs Bürgermeister gesellt, der nicht nur die Teilnehmer des "Nachtwächtertreffens" zu begrüßen, sondern auch eine wichtige Zeremonie durchzuführen hatte:
An diesem Abend wurden fünf Altlandsberger Schüler und Schülerinnen im Alter von 9 bis 12 Jahre, die sich zuvor einer strengen Prüfung unterziehen mussten, als Nachtwächtergehilfen in die Gilde aufgenommen.
Ja, die sind jetzt echte (als Kinder beitragsfreie) Mitglieder der Gilde und dürfen künftig neben dem Altlandsberger Stadtwappen auch das Gilde-Zeichen an ihrer "Dienstkleidung" tragen!


Beim diesjährigen Kinderfest wurde ein Wettbewerb veranstaltet, um geeignete Gehilfen für den Altlandsberger Nachtwächter zu finden. Dabei galt es ziemlich schwierige Fragen zur Geschichte der Stadt zu beantworten, mit einer brennenden Laterne einen Hindernis-Parcours zu absolvieren und aus einem Bund mit etwa 70 alten Schlüsseln den passenden zu einem monströsen Schloss herauszufinden.

Fünf Jungs und Mädchen haben diesen wirklich schweren Test bestanden
(von links nach rechts):

  • Robin Prinz
  • Jan Teichmann
  • Anna Schulz
  • Alexandra Tosch
  • Antonia Felgner

    Herzlichen Glückwunsch!


  • Aus der Hand des Bürgermeisters erhielten sie ihre Ernennungsurkunde und Glückwünsche von Horst Hildenbrand, dem sie künftig zur Seite stehen werden. Zuvor war aber noch der "Nachtwächter-Eid" abzulegen: Wir versprechen,
    unsere Tätigkeit als Nachtwächter-Gehilfe der Stadt Altlandsberg treu und ehrenamtlich zu erfüllen, und den Gästen unserer Stadt ihren Aufenthalt schön zu gestalten.

    Künftig werden die fünf Nachtwächter-Gehilfen abwechselnd mit Horst Hildenbrand durch Altlandsberg ziehen und den Gästen der Stadt die vielen schönen Ecken zeigen und interessante Details über diese mittelalterliche Stadt erzählen. (z. B., dass es hier mal 44 Brauereien gab...)
    Herr Hildenbrand selbst übt seit Dezember 2005 ehrenamtlich den Nachtwächter-Posten aus - zusätzlich zu vielen anderen Aktivitäten, die er braucht, um nach einem spannenden Berufsleben (30 Jahre Hewlett Packard, Marketing-Chef bei den Berliner Eisbären, den Dresdner Eislöwen und dem HC Empor Rostock) abzutouren.
    Als begeisterter Sänger ist er Mitglied im Neuenhagener Männerchor, er betätigt sich im Kulturverein und als Schöffe am Amtsgericht, ist im Rahmen des "Senior Expert Service" als Berater im Ausland tätigt und kandidiert nun auch noch für das Stadtparlament. Da braucht er Gehilfen!

    Nach dem feierlichen Akt der Gehilfen-Ernennung war es an der Zeit, dass sich die zur Regionalkonferenz in Altlandsberg versammelten "Nachtwächter, Türmer und Figuren" einmal persönlich vorstellen und etwas über ihre Herkunft und Funktion erzählen.

    Klopfende Stöcke und Hellebarden, sowie die Nachthörner gehörten selbstverständlich dazu.


    Den Anfang machte der Nachtwächter aus Spandau (Paul Manfred Schulze), gefolgt vom Görlitzer Nachtwächter (Ulrich Warnatsch), der betonte, dass deutschlandweit in Görlitz zuerst die Sonne unter- und wieder aufgeht. Der Baxmann (Türmer) aus Hessisch Oldendorf (Lutz-Arnim Simon), der als Gast bei der Konferenz weilte, musste hingegen erklären, warum seine Stadt so heißt, obwohl sie gar nicht in Hessen liegt. (oben von links nach rechts)

    Von Mirinda, der Fee, die immer wieder aus dem Nichts auftauchte, war nur zu erfahren, dass sie üblicherweise in und um Dresden herumgeistert - der bürgerliche Name ist bei einer Fee genau so geheim, wie bei anderen Damen das Alter.

    Weiter ging es dann im Vorstellungsreigen mit dem Nachtwächter zu Pirna (Wolfgang Bieberstein), dem Nachtwächter zu Vetschau, dem Tor zum Spreewald (Lothar Rechenberg) und dem Pulsnitzer Nachtwächter (Martin Krähe), der den Besuchern mit seinem Schwärmen vom weltbekannten Pulsnitzer Lebkuchen vorweihnachtliche Gerüche in die Nase zauberte.
    (unten von links nach rechts)

    Aus den Zielen der
    "Deutsche Gilde der Nachtwächter, Türmer und Figuren e. V.":
    Unsere Gilde hat es sich zur Aufgabe gemacht, Überliefertes zu bewahren, die Mitmenschen damit vertraut zu machen und sie zu erfreuen. Wir wollen Informationen und Erfahrungen austauschen und dadurch das Selbstverständnis unserer Mitglieder stärken. In der Gemeinschaft wollen wir uns weiterbilden, unser Wissen erweitern, unsere Fähigkeiten ausbauen, unsere Position stärken und die Kontakte untereinander pflegen und fördern. Die Gilde bietet allen gewandeten Figuren und allen die sich der Kultur, Geschichte und Tradition verbunden fühlen ein Zuhause. ...


    Weiter ging es dann (oben von links nach rechts) mit dem Türmer zu Stolpe bei Angermünde (Dr. Ralf-Dietmar Hegel), der davon schwärmte, welch herrlichen Blick man von seinem Turm über das untere Odertal hat.

    Der Gardist des Hauptmanns von Köpenick (Gert Bölke) brauchte nicht viel erklären - sein Einsatzort ergibt sich aus dem Namen und vor dem Hauptmann von Köpenick und seinem Gefolge hatte einst in Anbetracht der schmucken Uniformen selbst der Köpenicker Bürgermeister so viel Respekt, dass er nicht nach Name und Funktion fragte.

    Der als Gast bei den ostdeutschen Kollegen weilende Ratsnachtwächter Heinrich zu Springe im Hannoverschen Raum (Gerhard Mestwerdt) ließ bei seiner Rede keinen Zweifel an seiner Autorität - schließlich ist er ja auch Schatzmeister der Gilde, auf deren Webseite www.nachtwaechter-gilde.de man Näheres über die Ziele des Vereins erfährt.

    Den Reigen der Gäste beschloss dann der "Süntelgeist" aus Bad Münden (Elvira Wittich), der im Laufe des Abends immer wieder aus der Versenkung auftauchte, sich aber als sehr friedlich erwies.
    Die Nachtwächter-Gehilfen wurden dann schon langsam ungeduldig, denn anschließend sollte es unter Führung des Altlandsberger Nachtwächters mit Laternen durch die nächtliche Stadt gehen. Auf diesen Moment haben sie ja schon lange gelauert und die Aufregung vor ihrem ersten Einsatz war entsprechend groß.

    Dann kamen die Herren endlich von der Bühne herunter, aber ehe sich ein Zug durch die Stadt formieren konnte, war erstmal noch das Informationsbedürfnis eines lokalen Fernsehrsenders zu befriedigen. Danach ging es aber los.


    Aus dem Nachtwächterlied:

    Hört, ihr Leut, und lasst euch sagen:
    unsere Glock hat eins geschlagen!
    Ist nur ein Gott in der Welt,
    ihm sei all’s anheim gestellt.
    Menschenwachen kann nichts nützen,
    Gott muss wachen, Gott muss schützen.
    Herr, durch Deine Güt’ und Macht
    schenk uns eine gute Nacht!


    Erster Halt des Zuges durch die Stadt war am Denkmal "Kleinstadtgeschichten" - einer Bronze-Plastik, die in unendlich vielen Details die Geschichte der Stadt Altlandsberg erklärt. Da wird in figürlichen Darstellungen und Gravuren so viel erzählt, dass der Nachtwächter als Stadterklärer schon hier mit seiner Führung Schluss machen könnte.


    Gespannt lauschten die Kollegen den Ausführungen von Horst Hildenbrand.

    Mirinda und der Süntelgeist entdeckten derweil das Denkmal auf ihre Art ...


    Vorbei ging es an der alten Stadtkirche, die alsbald auch mit ihrem Inneren und ihrem Turm ein fester Bestandteil der Stadtführungen sein wird, an der aber noch immer die Handwerker zugange sind. Im Moment wird dort das Dach neu eingedeckt.

    Nächster Halt war an der Schlosskirche, dem letzten erhaltenen Rest des Schwerinschen Schlosses, in dem der erste preußische König, Friedrich I., seine Kindheit verbracht hat.

    Mit großer Freude haben die mitlaufenden Gäste zur Kenntnis genommen, dass die Stadt Altlandsberg diese Kirche vom jetzigen Besitzer (einem Glaskünstler, der die Kirche zu DDR-Zeiten als Werkstatt gekauft hat) zurückkaufen und restaurieren wird. Entstehen soll eine Konzerthalle, die auch anderweitig kulturell genutzt werden kann - ein Förderverein soll dafür ein tragfähiges Konzept entwickeln.



    Assistiert von Anna Schulz hat der Spandauer Nachtwächter bei einem weiteren Halt ein paar Details aus dem Leben früherer Nachtwächter preisgegeben, unter anderem, wir spärlich sie seinerzeit entlohnt wurden.

    Seine Kollegen nahmen derweil Ehrfurcht einflößende Stellung ein - so dass sich selbst wenn es langweilig gewesen wäre, bestimmt keiner getraut hätte, einfach davon zu schleichen.

    Der Spandauer Nachtwächter war übrigens auch von hinten leicht zu erkennen: Im Hutband steckte hinten ein Holzlöffel. Ob das einen Geschwindigkeitsvorteil bei der Esseneinnahme bringen, oder das irgendwann mal fällige "Löffel-Abgeben" beschleunigen soll, war nicht zu erfahren. Man kann gespannt sein, ob sich diese modische Zutat durchsetzt - oder vielleicht doch eher die Ratswächter-Kappe, die Pickelhaube oder Mirindas umgedrehte Zuckertüte auf dem Kopf.

    Antonia Felgner hatte offenbar viel Spaß an diesem Anblick und überhaupt am Zug durch die Stadt.


    Während der unermüdliche Altlandsberger Nachtwächter unermüdlich mit seinen Ausführungen zur Stadtgeschichte fortfuhr, reckten einige seiner Kollegen bereits die Hälse nach einer Bleibe für den Rest des Abends.

    Viele Wirtschaften hatten schon für das Fest am nächsten Tag gerüstet und nicht nur die Gaststube, sondern auch sich selbst herausgeputzt. Wer da mit einer hübschen Tochter in historischer Tracht aufwarten konnte, war echt im Vorteil.


    Bis zum Schluss ausgehalten hat Albert Hübner, ein alteingesessener Altlandsberger, der sich im Heimatverein engagiert und der Berliner Stadtturm betreut, wenn dieser bei einem der Stadtfeste zum Besteigen einlädt. Er hatte sich als gut situierter Bürger gekleidet dem Zug angeschlossen und bereitwillig jede Frage zu seiner Stadt beantwortet.

    Wieder am Marktplatz angekommen, war der kurzweilige Rundgang durch die Stadt leider zuende und es hieß Abschied nehmen.

    Zum Trost sei gesagt, dass es vom 6. bis 8. März 2009 ein bundesweites Treffen der Gilde in Altlandsberg geben wird, zu dem dann mehr als 20 Nachtwächter, Türmer und Figuren erwartet werden.

    Aber bis dahin wird der Altlandsberger Nachtwächter zusammen mit seinen Gehilfen bestimmt noch einige Runden durch die Stadt drehen und man sollte sich da unbedingt mal anschließen.

    Was sonst bei ihm noch an Terminen ansteht, kann man auf seiner Webseite www.nachtwaechter-altlandsberg.de erfahren. Dort finden sich auch massenhaft amüsante und nachdenkliche Gedichte, die Horst Hildenbrand zu den vielfältigsten Anlässen verfasst hat.

    Ich will da nicht nachstehen und noch eins beisteuern:

    Der Nachtwächter und seine Gehilfen

    In Alten Landsberg in der Nacht
    wird mancher um den Schlaf gebracht.

    Nicht dass es brennt
    oder gar der Feind anrennt,

    nein, Horst Hildenbrand,
    den Bürgern gut als Wächter bekannt,

    im Dunkeln durch die Straßen zieht
    und läßt erklingen manches Lied.

    In der Hand die Hellebarde
    und hinter sich 'ne junge Garde.
    Fünf Knaben und auch Mägdelein
    wollen ihm Gehilfen sein.

    Stolz tragen sie des Wächters Kleid,
    was sicher weckt bei manchen Neid.

    Doch bei dem großen Wächtertest
    auf dem letzten Kinderfest,

    da lösten sie ganz schwere Fragen,
    drum dürfen sie das Wappen tragen.

    Das Wappen einer würd'gen Gilde
    mit Horn und Lampe auf dem Schilde.

    Benedikt Eckelt