Bei unseren Recherchen in den Preußischen Verlustlisten des 1. Weltkrieges auf genealogy.net sind wir auf einen Mehrower Gefallenen gestoßen, der bisher nirgendwo auftauchte: Der Leutnant der Reserve Friedrich Petersen von der 6. Kompagnie des 3. Garderegiments zu Fuß, dessen Tod am 26.6.1916 gemeldet wurde.
Zu „Friedrich Petersen“ findet sich dann auch in der Datenbank des Volksbundes für Kriegsgräberfürsorge auf volksbund.de ein passender Eintrag:
Ein Leutnant der Reserve mit diesem Namen ist am 31.05.1916 gefallen und liegt auf dem Soldatenfriedhof Nampcel nordöstlich vom Compiègne im Block 3, Grab 197. Da Todes- und Benachrichtigungsdatum zueinander passen und mehrere Leutnants dieses Namens unwahrscheinlich sind, handelt es sich hier zweifelsfrei um „unseren“ Friedrich Petersen.
Das Geburtsregister von 1896, weist unter Nr. 41/1896 aus, dass er am 24. November 1896 als Friedrich Wilhelm Ernst Petersen in Mehrow geboren wurde. Sein Vater, Ernst Petersen, war seinerzeit Administrator des Rittergutes Mehrow und lt. Amtsblatt der Regierung vom 10. Januar 1896 zugleich Amtsvorsteher-Stellvertreter des Amtsbezirks Ahrensfelde.
Mit dem Wissen, dass wir einem prominenten Mehrower auf der Spur sind, machen wir uns auf die Suche nach dem Soldatenfriedhof Nampcel. Von Paris aus geht es vorbei am Wald von Compiègne, wo 1918 das Kriegsende besiegelt wurde..
Auf einem Abstellgleis im Wald steht jener Eisenbahnwagen, in dem am 11. November 1918 seitens der Franzosen Marschall Ferdinand Foch und seitens der Deutschen Matthias Erzberger die Waffenstillstandsvereinbarung unterzeichneten. Aber so weit sind wir noch nicht. Was uns hierher führt, hat sich zwei Jahre vorher hier abgespielt - entlang der L'Aisne, die bei Compiègne in die L'Oise mündet, haben sich monatelang heftige Kämpfe abgespielt, die auf beiden Seiten zehntausenden Soldaten das Leben kosteten.
Wir überqueren auf halber Strecke zwischen Compiègne und Soissons die Aisne und landen in Vic-sur-Aisne. Die Straße windet sich hier um eine Burg mitten im Ort uns ist flankiert von Schautafeln, welche die Ereignisse vor 100 Jahren in Erinnerung rufen und detaillierte Auskunft über Grenzverläufe und die eingesetzten Truppen geben.
Es fehlt auch nicht das in Frankreich in jedem Dorf und Städtchen obligatorische Denkmal für die Gefallenen des Ortes. Hier ist es ein schlichter Obelisk mit den Namen der Opfer von 1914-18 und 1939-45 und einer Frau im langen Gewand, die „Honneur A Nos Glorieux Morts“ (Ehre unseren glorreichen Toten) auf den Obelisk zu schreiben scheint.
Eine der Schautafeln zeigt an, dass wir uns an einem Ende der „Ligne Rouge“ (Roten Linie) befinden, die von hier in nordwestlicher Richtung bis Roye verläuft.
Im ersten Kriegsmonat (August 1914) haben die Deutschen Compiègne und Senlis überrannt und konnten erst 50 km vor Paris in der Marne-Schlacht gestoppt werden. Sie wurden bis hinter die Aisne zurückgedrängt, wo es zu einem 30 Monate währenden Stellungskrieg entlang der „Ligne Rouge“ kam. Im März 1917 wurden die Deutschen weiter zurückgedrängt, kamen aber von Frühjahr bis August 1918 wieder in ihre alten Stellungen zurück.
Die Kämpfe, die hier fast den gesamten Krieg über andauerten, forderten unzählige Todesopfer unter den Bewohnern dieser Gegend, aber vor allem unter den auf beiden Seiten kämpfenden Soldaten, wovon die vielen Soldatenfriedhöfe in dieser Gegend Zeugnis geben.
In Vic-sur-Aisne selbst findet sich ein riesiger französischer Soldatenfriedhof mit Reihen weißer Steinkreuze, die fast bis zum Horizont reichen. In den Nachbarorten finden sich außerdem große Friedhöfe der alliierten Truppen und dazwischen immer wieder deutsche Soldatenfriedhöfe - einer davon ist der gesuchte Friedhof von Nampcel.
Da, wo sich auf freiem Feld die von Vic-sur-Aisne kommende D145 und die nach Nampcel führende D335 treffen, kann man, wenn man nicht zu schnell vorbeidonnert, ein Areal ausmachen, das mit einer kleinen Hecke eingefasst und mit wenigen, aber sehr stattlichen Bäumen bestanden ist.
Und dazwischen viele hundert Eisenkreuze ...
Die Inschrift auf der Bronzetafel an der Tür zu diesem Areal sagt uns, dass wir richtig sind: „Deutscher Soldatenfriedhof / Cimitiere Militaire Allemand 1914-1918 Nampcel“.
Und auf einer Steinplatte gleich hinter dem Tor können wir lesen, dass hier 11324 deutsche Soldaten ruhen - einer davon ist der in Mehrow geborene Friedrich Petersen.
Zum Glück wissen wir den Dienstgrad und das Sterbedatum „unseres“ Friedrich Petersen, denn allein auf diesem Friedhof gibt es drei Gefallene mit diesem Namen ...
Dank des Lageplanes im Namenbuch des Friedhofs ist seine Grabstelle (Block 3, Grab 197) schnell gefunden: leicht rechts vom Eingang in der vierten Reihe.
Das Kreuz, das wie alle hier zur Kennzeichnung von vier Grabstellen dient, steht dicht an einer Konifere auf einer Stelle, die leider auch den Vögeln gefällt, was leicht an deren Hinterlassenschaften zu erkennen ist.
Ansonsten ist hier alles tadellos sauber und gepflegt.
In der Mitte des Friedhofs verläuft quer eine Reihe von vier sauber in Naturstein eingefassten Hochbeeten - einfach, aber tadellos hergerichtet und wie der ganze Friedhof in einem sehr lobenswerten Zustand.
Bronzetafeln verraten, dass es sich hierbei um Gemeinschaftsgräber handelt, in denen zusammen fast 5000 (1157+1134+1716+735) deutsche Soldaten beigesetzt sind, von denen die Mehrzahl namentlich nicht bekannt ist.
Die Namen der jeweils etwa 200 bekannten Soldaten sind auf Bronzetafeln festgehalten, die am Rand der mit Erika bestandenen Hochbeete angebracht sind.
Die auf den Tafeln und Kreuzen vermerkten Todesdaten reichen tatsächlich vom 1914 bis 1918 und bezeugen, dass hier den ganzen Krieg über gekämpft und gestorben wurde.
Unser Leutnant liegt da mit seinem Todesdatum (31.5.1916) auch zeitlich mittendrin.
Nicht einmal die vorbeiführenden Straßen können dem Friedhof die Ruhe rauben, die er ausstrahlt. Man mag nicht glauben, dass hier vor hundert Jahren erbitterte Kämpfe stattgefunden haben und fast ununterbrochen Kanonen- und Gewehrfeuer zu hören war.
In Anbetracht der schlichten Landschaft ringsum fragt man sich außerdem, warum man sich überhaupt hier zwischen Feldern und Äckern die Köpfe einschlagen musste.
Mit Wegweisern ist die Kreuzung vor dem Friedhof sehr gut ausgestattet. Wir folgen jenem Wegweiser, der in den Ort führt, der diesem Friedhof seinen Namen gab: Nampcel.
Das ist ein kleines verträumtes Dorf, dessen wichtigste Gebäude um einen rechteckigen, mit arg gestutzten Bäumen eingefassten Platz angeordnet sind: Kirche, Schule, Rathaus, Post - früher sicher außerdem noch eine Kneipe. Und auch das Denkmal für die Gefallenen des Ortes fehlt nicht.
Die große Rasenfläche, die den Platz bedeckt, sieht aus, als wär sie gerade mit der Nagelschere bearbeitet worden.
Da haben alle Grashalme die gleiche Länge. Es ist kein Unkraut zu sehen, keine Hundekacke und auch kein Abfall.
Vor hundert Jahren war hier sicher alles zerwühlt und zerschunden, von Schützengräben und Panzersperren durchzogen und voller Kriegsgerätschaften.
Möge uns erspart bleiben, so was nochmal mitten in Europa zu erleben! Noch besser wäre es natürlich, wenn auf allen Kriegsschauplätzen dieser Welt englischer Rasen wachsen würde und solche Ruhe wäre ...
Zum Schluss zurück zu Friedrich Petersen und seiner Familie:
Im Niederbarnimer Kreisblatt vom 5. Mai 1901 ist zu lesen, dass der Administrator Petersen verstorben ist und Administrator Lindemann seine Ämter übernommen hat. Seine Mutter, Luise Petersen, ist offenbar bald nach dem Tode Ihres Mannes und noch bevor ihr Sohn gefallen ist, nach Oberschöneweide gezogen, denn dort findet sich lt. denkmalprojekt.org auf einer der Gedenktafeln in der Kirche der Eintrag „Petersen 1916“.
Frau Petersen tritt übrigens später nochmal bei uns in Erscheinung:
Am 15.5.1925 schreibt sie (als Reaktion auf einen Zeitungsartikel) aus Oberschöneweide an den Gutsvorstand des Rittergutes Mehrow und lobt dessen „nationales Bewusstsein“. Bei uns nachzulesen unter „Die Reiter von Mehrow“.