Die Suche nach dem Grab eines Soldaten aus unserem Gemeindegebiet führt uns diesmal nicht bis nach Belgien oder Frankreich, sondern nur bis Spandau, wo man schnell mit der S-Bahn hinkommt.
Vom S-Bahnhof Spandau gibt es mehrere Buslinien, mit denen man zum großen Städtischen Friedhof „In den Kisseln“ gelangt, der sich von der Kisselnallee westwärts entlang der Pionierstraße erstreckt.
Wenn man den nahe der Kisselnallee gelegenen Seiten­eingang benutzt, steht man sehr bald am „Ehrenfeldweg“ und den entlang dieses Weges gelegenen großen Feldern mit Kriegsgräbern - von Opfern des zweiten Weltkrieges.
Das Grab, das wir suchen, werden wir hier also nicht finden, denn wir suchen ein Opfer des ersten Weltkrieges ...
Der hölzerne Wegweiser an der Zufahrtsstraße führt zu weiteren Gräbern mit Gefallenen des 2. Weltkrieges und zu einem Gräberfeld mit 350 Opfern des Faschismus.
Die Größe dieser Felder ist schon beeindruckend.
Aber wie gesagt: Wir suchen nach einem Gräberfeld mit Opfern des Ersten Weltkrieges. Solche Kriegsgräberstätten sind auf heimischen Boden rar, denn gestorben wurde in der Regel an der Front - weit weg von der Heimat.
Dass es hier Kriegsgräber aus dem ersten Weltkrieg gibt, ist wohl nur der Tatsache geschuldet, dass die in einem nahegelegenen Lazarett gestorbenen Soldaten gemeinsam beigesetzt wurden.
Wo sich diese Gräber befinden, erfragt man wohl am Besten in der Verwaltung, die in einem schmucken Backsteinbau nahe der Friedhofskapelle ihren Sitz hat.
Ich habe Glück, nicht nur vor dem Gebäude, sondern auch im Haus gibt es Engel.
Obwohl die Friedhofsverwaltung lt. Aushang geschlossen hat, längst Feierabend ist und die Fensterläden schon geschlossen hat, findet sich da jemand, der Auskunft gibt und einen Friedhofsplan spendiert.
Und nicht nur das. Die nette Dame öffnet sogar bereitwillig noch mal den Aktenschrank und kramt für mich in den Kästen, in denen die Karteikarten mit den Kriegstoten stecken. Aber eigentlich ist das kein Kramen, denn ein gezielten Griff in den Stapel mit dem Buchstaben „A“ liefert das Gesuchte:
Die Karteikarte des Gefreiten Gustav Adler aus „Blumenberg" im Niederbarnim, geboren am 1.10.1890, gestorben am 13.10.1916 im Reserve-Lazarett II.
Das Gräberfeld 39 befindet sich am südwestlichen Ende des Friedhofs. Die dunklen Wolken am Himmel halten noch dicht, da muss man nicht den kürzesten Weg dorthin wählen, sondern kann sich noch etwas auf dem Friedhof umsehen.
Der Hauptweg ist ordentlich gepflastert und mit Bäumen, Bänken und ehemals stattlichen Brunnen gesäumt.
Am nördlichen Friedhofsrand trifft man auf einige großartig gestaltete Familiengräber, die (noch) dem Vandalismus und Buntmetall-Klau trotzen konnten.
Eichhörnchen sind allgegenwärtig und verlieren ganz plötzlich ihre Scheu, wenn sich die Vermutung einstellt, der Besucher könnte was zum Naschen in der Tasche haben.
Am richtigen Friedhofsende angekommen trifft man zunächst auf ein Kriegsgräberfeld, das von einem Denkmal dominiert wird, zu dem ein Weg mitten durch das Gräberfeld führt.
Auf dem Denkmal steht "Ihren im Weltkrieg 1914-1918 gefallenen Söhnen. Die Stadt Spandau".
Hier (Feld 37) liegen offenbar vorrangig Spandauer Soldaten.
Schräg hinter diesem Feld liegt ein weiteres. Jenes, das wir suchen: Feld 39. Reihen- und Grabnummern sind nicht zu entdecken, so dass Suchen angesagt ist, um das Grab von Gustav Adler aus Blumberg (Reihe 8, Grab 23) zu finden.
Seinen Namen haben wir samt Dienstgrad, Todesdatum und Alter auf dem „Kriegerdenkmal“ an der Blumberger Kirche gefunden und seine Grabstätte in der Online-Datenbank des Volksbundes für Kriegsgräberfürsorge ermitteln können.
Die näheren Umstände seines Todes kennen wir nicht. Das heißt, wir wissen nicht, wo er gekämpft hat und vermutlich verwundet wurde und woran er letztlich gestorben ist.
Das „Reserve-Lazarett II“ befand sich übrigens in der 1914-15 für das Garde-Fußartillerie-Regiment gebauten, späteren „Beseler-Kaserne“ am Hohenzollernring in Spandau.
Es ist aber tröstlich zu sehen, dass er nicht irgendwo namenlos verscharrt wurde, sondern hier unter Kameraden eine mit seinem Namen versehene Ruhestätte gefunden hat.
Wobei „Ruhestätte“ nicht ganz treffend ist:
Der Friedhof liegt in der westlichen Verlängerung der Tegeler Startbahnen und die am Freitagnachmittag im 3...5-Minuten-Takt startenden Flugzeuge machen trotz ihrer inzwischen erreichten Höhe einen Höllenlärm.
Auf dem Weg zur Bushaltestelle am Haupteingang grüßt noch das eine oder andere Eichhörnchen.
Die putzigen Tiere fühlen sich hier sichtlich wohl.
Ein paar Busstationen, und man ist wieder mitten im Getümmel. Rings um den Spandauer Bahnhof herrscht zum Feierabend Hochbetrieb. Aber da die S-Bahn (S 5) hier einsetzt, ist problemlos ein Platz zu haben. Steigt man in Lichtenberg in die ODEG (RB 25) um, ist man nach etwa einer Stunde in Blumberg, dem Heimatort des gerade besuchten Soldaten.