Ein Weg von Paris nach Deutschland führt auf der Nationalstraße 2 über Laon.
Wenn man etwa 20 km vor dieser Stadt rechts abbiegt, landet man auf der D18, die hier einem alten Wege auf dem Kamm einer Hügelkette folgt, dem „Chemin des Dames“. Im ersten Weltkrieg verlief hier eine Frontlinie.
An dieser Straße gab es eigentlich nichts zu verteidigen, das einzige nennenswerte Anwesen an dieser Straße war eine Zuckerfabrik, die von den Deutschen zur Festung ausgebaut worden war. Die alliierten Truppen, zunächst Briten, später überwiegend Franzosen haben unter enormen Verlusten versucht, diese Festung zu erobern. Allein bei einer Offensive im Frühjahr 1917 fielen hier binnen 10 Tagen 30000 französische Soldaten. Die Verluste auf deutscher Seite werden wohl ähnlich hoch gewesen sein.
Ein Jahr nach Kriegsende hat man begonnen, die auf den Schlachtfeldern verscharrten oder auf provisorischen Friedhöfen in der Umgebung bestatteten deutschen und französischen Soldaten auf zwei neu eingerichtete Friedhöfe zu verlegen, die direkt aneinander grenzen und so ein Zeichen der Versöhnung setzen sollen.
Auf dem französischen Fried­hof stehen auf langen, dezent bepflanzten Grabreihen paarweise Holzkreuze - eins für jeden der knapp 2800 in Einzel­gräbern beigesetzten Soldaten. Weitere 2400 ruhen in Gemeinschaftsgräbern.
Zu dem nicht direkt an der Straße, sondern etwas versetzt angeordneten deutschen Friedhof, der gleich an den französischen anschließt, führt ein mit Büschen bestandener Weg.
Der Wegweiser mit den fünf Kreuzen als Logo zeigt, dass es sich um einen vom Volks­bund für Kriegsgräberfürsorge angelegten und betreuten Friedhof handelt. Und so muss man sich nicht wundern, wenn man einen tadellos gepflegten Friedhof vorfindet.
Auf diesem Friedhof sind etwa 7500 deutsche Soldaten bestattet, viele von ihnen in Einzelgräbern. Und obwohl sich je vier ein Granitkreuz teilen, ergibt das endlose Reihen von Kreuzen. Man könnte meinen, sie reichen bis zum Horizont.
Unter mindestens einem dieser Grabkreuze liegt ein Ahrensfelder, dessen im Sterberegister der Gemeinde gefundenen Angaben zu einem Treffer bei der Online-Gräbersuche des Volksbundes führte. Dort findet man in der Regel auch die genaue Grablage - die kann man aber ggf. auch vor Ort im Namenbuch des Friedhofs ermitteln.
Wir sind auf der Suche nach Gustav Schulz - und zum Glück haben wir auch das Sterbedatum parat, denn hier gibt es gleich zwei davon. "Unser" Gustav Schulz ist noch im November des ersten Kriegsjahres gefallen, der andere erst im Mai 1917. Jetzt liegen sie hier im gleichen Block ... Aus dem Sterberegister wissen wir, dass der Unteroffizier Gustav Oswald Hermann Schulz am 31.1.1892 in Ahrensfelde geboren wurde und im Feldlazarett 12 im nahe gelegenen Chevregny starb. Als Wohnort war die Garnison Königsberg i.Pr. vermerkt, wo er dem 18.Pionierbataillon angehörte.
GUSTAV SCHULZ
UNTEROFFIZIER
+ 23.11.1914
Mit dem Trost, dass Gustav Schulz und seine Kameraden hier würdige Grabstellen bekommen haben, die auch nach nunmehr 100 Jahren noch gehegt und gepflegt werden, geht es weiter auf der Reise, die noch an vielen solcher Friedhöfe vorbei führen wird. Schließlich fand in diesem Gebiet eine der blutigsten Materialschlachten des Ersten Weltkrieges statt. Nicht nur französische und deutsche Friedhöfe sind die Hinterlassenschaft dieses Krieges, sondern auch britische, kanadische, australische, neuseeländische, afrikanische ...
Informationen über die Geschehnisse vor 100 Jahren, über die riesigen Verluste auf beiden Seiten und über die erfolg­reichen Bemühungen, trotz allem zu einem friedlichen Miteinander zu kommen, finden sich auf großen, mehr­sprachigen Informationstafeln an der Kapelle gegenüber den Friedhöfen, die vor 50 Jahren durch Spenden errichtet wurde.
Einer Empfehlung folgend geht es auf dem „Chemin des Dames“ (Damenweg) noch ein Stück weiter bis zur „Caverne du Dragon“ (Drachenhöhle). Hier verlief die Front genau über einer großen Höhle, die abwechselnd in deutscher und französischer Hand war und als Unter­stand und Lazarett diente. Zeitweise haben sogar beide Truppen gleichzeitig die von zwei Seiten begehbare Höhle benutzt - und waren klug genug, ihren gemeinsamen Unter­schlupf nicht in die Luft zu sprengen. Heute befindet sich in der Höhle und im „Glaskasten“ darüber ein Museum, das an die Kämpfe entlang des „Chemin des Dames“ erinnert.
Die Bezeichnung der Kammstraße als „Damenweg“ rührt daher, daß bei Jagden die Damen auf diesem Weg zum nahe gelegenen Schloss ritten oder fuhren, während ihre Männer in den Tälern dem Wild nachstellten.
Auf der Weiterreise machen wir noch einen Abstecher in das nahe Chevregny, wo Gustav Schulz im Feld­lazarett verstorben ist. Da trifft man auf eine stattliche, leider ver­schlossene Dorfkirche, aber auf nichts, was an ein früheres Lazarett erinnern könnte.
Viel Zeit sich umzuschauen blieb hier nicht, denn es wartete noch ein anderer Friedhof auf unseren Besuch: Der Soldatenfriedhof in Mons-en-Laonnois, wo Rudolf Gebert aus Ahrensfelde liegt, der kurz vor dem Kriegsende 1918 gefallen ist.
Die Friedhöfe in Cerny und Mons wurden im Juni 2011 besucht, vorstehender Bericht stammt vom Mai 2013.