Wer keine Brandenburger Tageszeitung liest und im Fernsehen nur verfolgt, wie Deutschland Superstars sucht, der hat eventuell gar nichts von dem im Barnim herrschenden Wahlfieber mitbekommen und sich über die Einladung zur Landratswahl im Briefkasten gewundert.
Das Wahlfieber glich aber auch eher der Körpertemperatur eines Verblichenen. In Mehrow war nur ein Wahlplakat zu finden, was in der Sache begrüßenswert ist, da das dem Ortsbild durchaus gut tut und das Müllaufkommen reduziert. Wir können deshalb gar nicht aus Gründen der Gleichbehandlung die Plakate der Konkurrenten zeigen. Die Wahlaussage von Bodo Ihrke (SPD), auf den sich SPD, CDU und FDP als gemeinsamen Kandidaten geeinigt haben (nachdem man sich darauf verständigt hatte, dass der Vize von der CDU seinen Posten behält), war aber auch nicht zu toppen: "Ein Barnimer für alle".

Aber worum geht es denn nun überhaupt? Hier im Barnim und in vier anderen Brandenburger Landkreisen wird in diesem Jahr erstmals der Landrat nicht von den Kreistagsabgeordneten, sondern von den Bürgern direkt gewählt.
Erreicht hat das ein Student, der sich an der bestehenden Praxis der Postenvergabe störte und hinreichend viele Unterschriften für die Einführung einer Direktwahl gesammelt hat.
Hier im Barnim verteidigt Landrat Bodo Ihrke (SPD), der schon zwei Amtsperioden hinter sich hat, seinen Posten gegen Margitta Mächtig (PDS), die bei den letzten Landtagswahlen "mächtig" abgeräumt hat, und Frank Valentin (BVB/Freie Wähler), der bisher auf dem politischen Parkett noch nicht viele Lorbeeren gewonnen hat.
Trotz des Postengeschachers, das schon bei der Kandidatenaufstellung statt fand (Die CDU verzichtet auf einen eigenen Kandidaten, wenn die SPD Carsten Bockhardt von der CDI als Vize durchwinkt), ist das ein Zugewinn an Mitbestimmungsmöglichkeit.

Doch das Traurige ist: Jetzt haben wir Demokratie und keiner geht hin!

... und das kann böse Folgen haben. In beiden Wahlgängen gilt nämlich, dass ein Kandidat nur dann gewählt ist, wenn er nicht nur über 50% der abgegebenen Stimmen auf sich vereint, sondern auch 15% der Stimmen aller Wahlberechtigten bekommen hat. Es gibt also nur bei hinreichend großer Wahlbeteiligung einen Sieger. Und wenn es keinen schafft, dann muss die Landratsstelle ausgeschrieben werden und die Wahl unter den Bewerbern obliegt dann wieder den Kreistagsabgeordneten. D.h. dann ist alles beim alten, aber in den Wochen und Monaten bis zur Wahl werden sich die Abgeordneten wohl ausschließlich mit Ausschreibungskriterien, Kandidatenprüfungen, allen möglichen Absprachen und Kungeleien beschäftigen und kaum Sinnvolles leisten können. Dann heißt es vermutlich für lange Zeit "Alle für einen Barnimer" statt "Ein Barnimer für alle".

Am 10. Januar waren die Barnimer aufgerufen, zwischen den drei genannten Kandidaten zu entscheiden. Im gesamte Kreis entfielen (lt. MOZ vom 11.1.2010)
  • 48,7% der Stimmen auf Bodo Ihrke (16520 Stimmen)
  • 36,4% der Stimmen auf Margitta Mächtig (12327)
  • 14,9% der Stimmen auf Frank Valentin (5057)
Das heißt, es wird schon wegen des Stimmenverhältnisses eine Stichwahl geben. Aber selbst Bodo Ihrke die an 50% fehlenden 1,3% auch noch bekommen hätte - es hätte nicht gereicht, denn er hätte mindestens 22731 Stimmen einfahren müssen, um über die 15%-Hürde zu springen. Wie allgemein erwartet ist bei dieser Wahl die Beteiligung entscheidend - umso unverständlicher ist es, dass so wenig für die Mobilisierung der Wähler getan wurde.

Und wie sah es in Mehrow mit der Wahlbeteiligung aus?
Frau Hein und Frau Dr. Unger, die in der Nachmittagsschicht die Wahlzettel ausgaben, hatten wie vormittags Frau Reinkober und Frau Kiesel nicht viel zu tun.

Von den insgesamt 409 wahlberechtigten Mehrowern hatten 18 Briefwahlunterlagen angefordert und von den restlichen 391 sind 74 (18,9%) im Wahllokal erschienen und haben hier ihre Stimme abgegeben.
Da die Wahlbriefe direkt an die Wahlleitung nach Eberswalde geschickt werden, bekommt man im Wahllokal leider nie mit, wie viele der Briefwähler tatsächlich eine gültige Stimme abgegeben haben und auf wen diese Stimmen gefallen sind.

Geht man davon aus, dass jene 18 Einwohner, die Briefwahlunterlagen angefordert haben, tatsächlich ihre Stimme abgegeben haben, dann haben in Mehrow 92 der 409 Wahlberechtigten (22,5%) von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Das entspricht ziemlich genau dem Durchschnitt im Kreis (lt. MOZ vom 11.1.2010: 22,6%).

Was die Verteilung der Stimmen betrifft, gibt es aber ganz deutliche Unterschiede zu den oben genannten Ergebnissen im gesamten Kreis. Die 74 im Mehrower Wahllokal abgegebenen Stimmen verteilten sich wie folgt:
  • 27 Stimmen für Bodo Ihrke (SPD), den Amtsinhaber,
  • 14 Stimmen für Margitta Mächtig (PDS) und
  • 30 Stimmen für Frank Valentin (BVB/Freie Wähler)
    (3 Stimmen waren ungültig.)
Mit aller Anstrengung ließ sich also auch hier kein neuer Landrat und keine Landrätin aus der Wahlurne zaubern. Hier entfielen nur 30 von 71 gültigen Stimmen (42,3%) auf den führenden Kandidaten. Unterstellt man, dass alle Briefwähler gültig gewählt haben und deren Stimmen genau so verteilt waren, wie bei den Wählern an der Urne, dann sind statistisch 37,6 Stimmen auf Herrn Valentin gefallen, das sind 9,2% der Stimmberechtigten - 15% wären hier zusätzlich zu einer Stimmenmehrheit erforderlich gewesen.
Wie im gesamten Kreis wäre hier also der führende Kandidat an beiden Hürden gescheiert.
Auch wenn sich die Mehrwer ihren Landrat selber backen könnten, wäre eine Stichwahl notwendig geworden - allerdings zwischen anderen Kandidaten, als die nun am 24. Januar anstehende Stichwahl.

Herr Valentin von den Freien Wählern, der für alle Befragten völlig überraschend bei uns die meisten Stimmen bekommen hat, ist ausgeschieden, weil er auf Kreisebene weit abgeschlagen hinter Herrn Ihrke und Frau Mächtig rangierte. Am 24. Januar findet also eine Stichwahl zwischen den zuletzt genannten statt und alles wird davon abhängen, wie viele Bürger an diesem Tag ins Wahllokal kommen.

Auch wenn Otto Normalbürger nicht weiss, welche Entscheidungskompetenzen und Gestaltungsmöglichkeiten ein Landrat hat und bei dem mickrigen Wahlkampf schwer einschätzen kann, ob die Herausforderin es besser machen würde, als der Amtsinhaber - man sollte sich nicht durch Fernbleiben jetzt und vielleicht für alle Male die Möglichkeit nehmen lassen, über die Besetzung der Landratstelle mitzuentscheiden.
Gehen Sie also am 24. Januar zur Wahl!

Alle Angaben sind nicht amtlich und ohne Gewähr!

Nachtrag: Die Stichwahl am 24. Januar 2010 hat leider auch nichts gebracht.
Die Wahlbeteiligung war zu gering.