Also, wer glaubt, die Weltliteratur kommt an Mehrow vorbei, der sei eines Besseren belehrt. Der sollte sich einfach mal in der Mehrower Dorfbibliothek durch die Regale kramen oder (einem Hinweis der Familie Wächter folgend) sich zielgerichtet auf das Regal mit den Kurzgeschichten und dort unter "H" auf Christoph Hein stürzen.

Dort wird er auf zwei Bändchen mit Kurzgeschichten dieses Schriftstellers treffen, die beide die Erzählung "Frank, eine Kindheit mit Vätern" enthalten:
  • Christoph Hein: "Einladung zum Lever Bourgeois", Prosa
    Edition Neue Texte, Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1986
  • Christoph Hein: "Nachfahrt und früher Morgen", Prosa
    dtv, Deutscher Taschenbuchverlag München, 1987

Die Erzählung "Frank, eine Kindheit mit Vätern" beginnt wie folgt:

"Franks Urgroßvater war Pächter eines Bauernhofes in Mehrow bei Berlin. Aufgewachsen als Sohn eines Tagelöhners war es sein ganzes Bestreben, den Sohn studieren zu lassen, damit dieser ein leichteres Leben führen könne als sein Vater. Er hoffte, daß der Sohn die geistliche Laufbahn einschlagen würde. Den Zwölfjährigen schickte er in eine Internatsschule in Charlottenburg. Er arbeitete mit seiner Frau täglich, werktags wie sonntags, zwölf Stunden, um die Schulkosten aufbringen zu können."

Mehr ist dann aber leider nicht über Mehrow zu erfahren, aber im erstgenannten Band ("Einladung zum Lever Bourgeois") findet sich doch wenigstens noch unser Nachbarort Blumberg wieder.

In der Erzählung "Friederike, Martha, Hilda" über "die vierte Tochter eines selbständigen Müllkutschers aus der Sedanstraße in Weißensee", die mit siebzehn Jahren "einen zwanzig Jahre älteren Mann, Posamentier und Teilhaber einer kleinen Werkstatt in der Franz-Joseph-Straße" heiratete, heißt es:

"Auf Wunsch Friederikes zog man in eine geräumige Wohnung in der Charlottenburger Straße und nahm ein fünfzehnjähriges Mädchen aus Blumberg, einem Dorf in der Mark, als Haushaltshilfe zu sich."



Aber auch wer nicht auf der Suche nach solchen Raritäten ist, ist in der Mehrower Dorfbibliothek, die von Katharina Reich mit viel Geschick und Engagement geleitet wird, gut aufgehoben. Darauf haben wir schon mehrfach verwiesen, aber die Sache ist es wert, dies immer wieder zu tun.



Die Bibliothek befindet sich im Gutshaus über der (leider immer noch verwaisten) Gaststätte, der Eingang ist auf der Rückseite des Hauses.

Geöffnet hat die Bibliothek jeweils dienstags donnerstags, von 17 bis 20 Uhr

Damit dürfte auch für Berlin-Pendler die Gelegenheit gegeben sien, sich während der Öffnungszeiten dort umzusehen und mit Nacht- oder S-Bahn-Lektüre zu versehen.
Unsere Webseite gibt's dort übrigens auch (wenn auch nicht ganz auf dem neuesten Stand) am Computer auf CD oder in der Sitzecke als gedrucktes Exemplar anzusehen.



Für Literatur- und Theatermuffel sei bezüglich des Autors der genannten Erzählungen abschließend noch der Duden ("Das Neue Lexikon in zehn Bänden", Dudenverlag, 1996) zitiert:

Hein, Christoph, * Heinzendorf (Schlesien, heute Jasienica, Polen) 8.4.1944, dt. Schriftsteller.
War Dramaturg an der Volksbühne in Berlin (Ost); schreibt Theaterstücke (u. a. "Cromwell u. a. Stücke", 1981; "Die Ritter der Tafelrunde", 1990) und Prosawerke (u. a. "Horns Ende", R., 1985; "Der Tangospieler", R., 1989; "Das Napoleonspiel", R., 1993).