Mittelalterliche Roßdienste im Kreise Niederbarnim
Von Max Frentz

Bei der fortschreitenden Germanisierung der Mark Brandenburg, vom 11. Jahrhundert ab, entwickelte sich das Lehnssystem, das viele Jahrhunderte hindurch die politische und kulturelle Entwicklung unseres Heimatlandes beeinflußte und unter dem vor allem unser Bauernstand seine Leidenszeit durchzumachen hatte. War ein Landgebiet dem Wendentum abgerungen worden, so wurde es einem Markgrafen als Lehen übertragen. Dieser hatte seinem kaiserlichen Lehnsherrn, neben Abgaben in Geld und Natuaralien, im Bedarfsfalle ein Kriegsheer zur Verfügung zu stellen, das sich aus Rittern zusammensetzte, die ihrerseits wieder dem Markgrafen gegenüber lehndienstpflichtig waren. Der Markgraf verteilte nämlich das besetzte Land unter seine Ritter, die neben ihren Rittersitzen (Rittergüter!) ihre Knechte als die eigentlichen Bebauer (Bauern!) des Landes ansiedelten. Der Ritter war seinem markgräflichen Herrn zu Mann- und Roßdiensten verpflichtet, während er als Lehnsherr der Bauern Abgaben, Hand- und Spanndienste von seinen Untertanen forderte. Neben den Rittergütern gab es aber auch freie Bauerndörfer, die unter Führung eines Lehnschulzen dem Markgrafen und später dem Kurfürsten von Brandenburg unmittelbar unterstellt waren. Diese Bauern zahlten nur die Abgaben und waren von den Roßdiensten befreit. Nur der Lehnschulze hatte vielfach ein Lehnpferd zu halten. Auch die Städte waren dem Kurfürsten lehndienstpflichtig.

Das alte deutsche Wahlkaisertum brachte es aber mit sich, daß diese Lehnsverhältnisse mehr und mehr gelockert wurden. Die Kaiser suchten ihre Wahl sehr oft durch Abtretung von Rechten an die Fürsten zu sichern. Da diese aber wieder finanziell von den Ständen abhängig waren, konnte sich der Ritterstand zu der Willkürherrschaft emporschwingen, die die Hörigkeit (Leibeigenschaft!) der Bauern im Gefolge hatte und in Brandenburg erst durch die Hohenzollernfürsten wieder gebrochen werden konnte. Wie sehr die Ritter bestrebt waren, ihre Lehnsherrschaft zu "wahren", können wir aus der Bezeichnung "Lehnware" entnehmen, worunter man die Abgabe verstand, die der Bauer bei Übernahme des Hofes oder beim Wechsel des Gutsherrn an die Grundherrschaft als Huldigungsgeschenk abzuliefern hatte.

Die mittelalterlichen Roßdienste wurden nach der Größe des Lehens berechnet. Für vier Ritterhufen (1 Hufe = 40-60 Morgen) Land war ein Pferd zu stellen oder ein Gegenwert von 20 Talern zu entrichten. Nach den Musterungsplänen von 1583 und 1588 hatte die gesamte Kurmark Brandenburg aufzubringen: 1212 reisige Pferde, 27 Fußknechte, 3 Troßklepper, 160 Wagenpferde, 8 Kutschpferde und 38 Rüstwagen. Die Ritter mußten ihrer Verpflichtung gemäß, stets zum Krieg gerüstet sein. Die Städte waren ferner angehalten, tüchtige Leute zu werben, auszubilden und gegen Wartegeld in Bereitschaft zu stellen. Der kriegerische Adel konnte aber ruhige Zeiten nicht vertragen und ließ sich vielfach für ausländische Dienste anwerben. Gegen dieses unwürdige Benehmen wendet sich Kurfürst Johann Georg in einem Mandat von 1589, da Frankreich wieder Werbungen im Lande veranstaltete und Kämpfe mit Polen und Türken zu befürchten waren. Es heißt darin: "... das außreiten Inn unsernn landenn ohne unser vorwissenn unnd sondere Bewilligung verbotenn und darinnen keine frembde werbungen unnd kriegsbestallungen gestatten wollenn ..."

Solche Mandate des Kurfürsten wurden den "Schloßgesessenen" (Hoher Adel!) direkt zugestellt, den "Unbeschlossenen" (Niederer Adel!) durch Zirkularschreiben von den bei den Landvogteien angestellten Landreutern übermittelt.

Das Land Niederbarnim, das zur Mittelmark gehörte und vor dem 30jährigen Krieg 79 Dörfer umfaßte, weist nach einem Verzeichnis vom Jahre 1565 folgende Roßdienste auf:

1 Pferd die Barfueße zue Malchow und Nieder Schonhaußen;
¼ Pferd die Falkenberge zue Landtspergk;
1 Pferd die Görtzken zue Boldenstorf und Fredersdorff und die Trebbueße zue Eggerstorf;
1 Pferd die Jotzen zue Celendorff;
1    "    die Hoppenraden zue Stolp;
1    "    Caspar v. Krummensehe zue Landtspergk;
1 1/6 Pferd Arndt v. Krummensehe zue Landtspergk;
1 1/6 Pferd Christoff v. Krummensehe zue Landtspergk;
2 Pferde Hannß v. Krummensehe zue Blumbergk und Krummensehe;
1 Pferd Albrecht v. Krummensehe zue Krummensehe und
   Wilhelm v. Krummensehe zue Schoneiche und Junge;
2 ½ Pferde Wilhelm zue Landtspergk;
3 ½   "    die von Krummensehe zu Dalewitz;
½ Pferd die Lindenberge zue Mertzan;
1 1/5   "    die Robell zue Buek;
1 ½   "    Hanß und Wolf Robell zu Eggerstorff und Schönhaußen;

zusammen 19 ¾ Pferde

Die Musterungsrolle der Mittelmärkischen Ritterdienste von 1588:

5 Pferde die von Krummensehe zue Alten Landtspergk, Schöneiche und Wesenthal;
2 Pferde dieselben wegen Krummensehe, so von den Röbeln erkaufft,
   Thamb Jochim und Zachariaßen sehl. söhne daran drey Viertheilt;
3 Pferde Johann v. Löben, von den drey guettern Blumbergk, Eiche und Dalwitz
    (so vor Zeiten auch Krummenseeische Güter gewesen);
6 Pferde die Barfuß ingesambt; doch geben ietzo wegen
    Blankenfelde Nickels von Cötteritz sehl. söhne hierzu 1/6 Pferd;
2 Pferde die v. Görtzke zue Friederstorff und Bollenstorff und
    die von Trebuß zu Eggerstorff, welche daran nur ein dritten theil Pferdts haben
1 Pferd die v. Hoppenrade zu Stolpe,
    Morahn aber Dauidt von Barstorff zu Schönfließ 1/6 helt;
2 Pferde die von Götzen, von Rosenthall, Zehlendorf und Zuhlstorff;
1 Pferd die von Sandersleben, zue Liebenwalde.

Summa 22 Pferde
5 Pferde Bernauw, darunter ein Droß.

Ergänzend werden 1666 noch folgende Lehnpferde aufgeführt:

1 Pferd Sr. Durchl. wegen des von Sandersleben zu Liebenwalde;
1 Pferd die Kurfürstin, wegen Zehlendorff;
1 Pferd die Kurfürstin, wegen Stolpe. - David v. Borstorff zu Schönfließ;
¼ Pferd die Kurfürstin wegen Röbels Gut zu Schönfließ;
1 die von Krummensee, zu Wesenthall und Hohenstein;
1/3 Pferd der Freiherr v. Schwerin, wegen Eckersdorff.

Vielfach besaßen die Adligen auch Freihufen, von denen keine Roßdienste zu leisten waren. Das "Protocollum über die Eximenten im Barnimschen Kreise vom 14. Dez. 1669" gibt darüber eine Aufstellung, die ihres heimatgeschichtlichen Wertes wegen hier wiedergegeben sei:

Oberhofmeister Zacharias Friedr. v. Götze wegen:
4 Hufen zu Rosenthal (von 16 Hufen)
4 Hufen zu Hermbstorff neben 13 Ritterhufen
   (es waren dort nur noch Kossäten und keine Bauern vorhanden)

Ober-Kommissarius Hans Christoph v. Röbell:
6 Hufen in Blankenburg. (1579 dem Kammermeister Heinrich Strauben 2 Hufen mit Hof,
   1592 Wolf v. Röbeln 4 Hufen mit Hof frei bewilligt.)
5 Hufen zu Wartenberge (1602 Hans Röbeln und Christoph Beerfelden frei gegeben,
    1665 hat er 2 Hufen gegen 30 Tlr. und 2 von wüsten Pfarrhöfen schoßfrei erhalten.)
4 Hufen zu Hohenschönhausen (seit 1643 von Dahmens wüstem Bauernhof frei,
    neben 8 Ritterhufen).

Jakob Melchior v. Götzken:
4 Hufen zu Bolderstorff.

Kuno Sigismund v. Götzken:
8 Hufen zu Frederstorff.

Hans Heine v. Britzke:
4 Hufen zu Merow (vom angekauften Hof).

Jacob Detlef v. Barfuß:
8 ½ Hufen zu Malchow.

Hans Adam v. Krummensee:
8 Hufen zu Schöneiche, 6 Hufen zu Tastorff.

Frau Seydelin:
9 Hufen zu Blankenfelde (1618 5 Hufen mit 2 Höfen von Otto Barfussen,
    1644 4 Hufen mit 1 Hof von Georg Wilhelm von Rochow für 63 Rthlr. frei erhalten).

Frau v. Platen:
8 Hufen zu Falkenberg.

Bernd v. Arnim:
18 Hufen zu Löhme.
11 Hufen zu Bornimb (1577 3 oder 4 Bauern ausgekauft).

Oberpräsident Frh. v. Schwerin:
18 Hufen zu Klein Schönebeck (mit 250 Rhtlr. freigekauft).
5 Hufen zu Newenhagen.
2 Hufen zu Seheberge.

Graf Johann Ernst v. Sparr:
2 Hufen mit einer Mühle zu Prenden.

Martinus Weise:
4 Hufen zu Panckow (für 63 Rthlr. gekauft).

Aus dieser Aufstellung ist zu entnehmen, daß die roßdienstfreien Hufen durch Loskauf entstanden sind oder von verwüsteten und aufgekauften Bauernhöfen herrührten.

Sämtliche Bauern und somit auch alle Freidörfer ohne einen ritterlichen Lehnsherrn waren von den Roßdiensten befreit. Dafür mußte aber von ihren Hufen ein Land- oder Hufenschoß entrichtet werden, der 1856 noch jährlich 5 Groschen für die Hufe betrug.

Die Roßdienste der Ritter fanden unter König Friedrich Wilhelm I. ihr Ende. Dieser entsagte der alten Lehnsherrlichkeit gegen Erlegung von 40 Talern für die Ritterhufe.


Quelle: Kalender 1928 für den Kreis Niederbarnim, (Herausgegeben 1927), Seite 85-87
Herausgegeben von Walter Möller
Druck und Verlag von Wilhelm Möller, Oranienburg-Berlin