Kalender 1927
für den Kreis Niederbarnim

Herausgegeben von Walter Möller
Druck und Verlag von Wilhelm Möller, Oranienburg-Berlin

Gefunden auf BrandenburgDok - dem Dokumentenserver der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam (SLB)
als Dokument 9209 (Rep. Z48_3826_1927).

Jahresrückschau. ...
Den Krankenhäusern gilt die besondere Fürsorge des Kreises. Die Erweiterungsbauten der Kreiskrankenhäuser in Kalkberge und Bernau sind im Jahre 1926 zu Ende geführt worden; ... Im vollen Gange ist der Erweiterungsbau des Kreiskrankenhauses in Oranienburg. Hiermit geht der Ausbau der fünf Kreiskrankenhäuser seinem Abschluß entgegen. ...
Das Bestreben des Kreises geht dahin, die Wasserversorgung aus Zentral-Grundwasserwerken immer weiter über den Kreis auszudehnen. Vielfachen Wünschen folgend, hat deshalb der Kreistag die Errichtung eines Kreiswasserwerkes in Zepernick beschlossen, durch das in absehbarer Zeit die Orte Zepernick, Schwanebeck, Schönow, Blumberg, Birkholz und Lindenberg versorgt werden sollen. Nachdem die Vorarbeiten ergeben haben, daß Wasser in ausreichender Menge vorhanen ist, wird mit dem eigentlichen Bau im Frühjahr 1927 begonnen werden. ...
  • Der tiefste See des Kreises ist der Wandlitzsee mit 24 Metern.
  • Der höchste Berg der Niederbarnimer Landes ist der Große Kranichsberg bei Woltersdorfer Schleuse. Er hat eine Höhe von 97 Metern.
  • Der Wandlitzsee ist der südlichste See der Mittelmark, in dem die kleine Maräne vorkommt.
  • Die höchsten Erhebungen in der Oranienburger Gegend sind Inlanddünen in der Nähe der Briese. Die höchste Dünenkuppe liegt bei der Försterei Wensickendorf. Sie erreicht eine Höhe von 68 Metern und trägt ein trigonometrisches Signal erster Ordnung.
  • Bei Lehnitz hat man eiszeitliche Ablagerungen von 180 Metern Mächtigkeit festgestellt.
  • In den Rüdersdorfer Kalkbergen erreicht die Waldanemone (Anemone silvestris) die Westgrenze ihres Vorkommens in der Mark
  • Das tiefste Bohrloch des Kreises befindet sich am Kesselsee in Kalkberge. Es endigt in einer Tiefe von 1181 Metern und durchdringt die Zechsteinformation bis in das ältere Steinsalz.
  • Die älteste Eisenbahn im Kreise ist die Stettiner Bahn. Die Strecke Berlin-Bernau-Eberswalde wurde am 30. Juli 1842 eröffnet.
  • Bei der jetzigen Woltersdorfer Schleuse wurde bereits 1550 ein Schiffswehr erbaut.
  • Der älteste Kanal im Kreise ist der Finowkanal. Die erste Anlage wurde 1605-1620 unter Joachim Friedrich und Joachim Sigismund geschaffen.
  • Ein Hektar Buchenwald verdunstet täglich 10000 Liter Wasser. Ein Hektar Moorwiese sogar 52000 Liter. Daraus ergibt sich, welche große Bedeutung die Erhaltung der Wälder und Moore für die klimatischen Verhältnisse unseres Landes hat.
  • Der älteste Eisenhammer der Mittelmark wurde bei dem heutigen Sachsenhausen an der Havel errichtet, sicher schon zur Askanierzeit. Die Anlage hieß Neumühl (zuerst 1350 genannt).
  • Am 10. Juli 1877 1927 besteht die Nordbahn fünfzig Jahre.
  • Die älteste urkundlich genannte Stadt ist Oranienburg. Der früher Bötzow (Buchzowe) geheißene Ort wird bereits 1616 in einer Urkunde des Bischofs Siegfried II. von Brandenburg a. Havel aufgeführt.

Die Bedeutung der Feuerversicherung (Feuersozietät). ...
Die Feuersozietät, die bereits auf eine Jahrhunderte umspannende Geschichte zurückblicken kann, ist eine amtliche gemeinnützige Anstalt, die dem Provinzialverband der Provinz Brandenburg angegliedert ist. Sie erstrebt keinen Gewinn, sondern dient allein dem Wohle der Provinz und deren Bewohner. ...
Entsprechend ihrem geschichtlichen Werdegang und den für sie geltenden gesetzlichen Bestimmungen hat die Feuersozietät eine Reihe sehr weittragender Verpflichtungen, indem für die Sozietät in erster Linie der Gebäude-Versicherungs-Annahmezwang besteht. Diese Verpflichtung ist von größter volkswirtschaftlicher Bedeutung, weil hierdurch insbesondere die Schutzbedürftigen, d. h.die Besitzer der schlecht gebauten und daher feuergefährlichen Gebäude, deren Versicherungsannahme von anderen Versicherungsanstalten allgemein gemieden wird, vor Verarmung infolge Brandschadens bewahrt wird. ...
Die Feuersozietät legt ferner besonderen Wert auf richtige Taxierung der Gebäude, weil die Versicherungssumme bei der Sozietät als Grundlage für die Abschätzung der Brandschäden unter Berücksichtigung des Gebäudezustandes unmittelbar vor dem Brande dient. Die Taxen werden daher von vereidigten Sachverständigen unter Berücksichtigung der örtlichen Baumaterialienpreise und Arbeitslöhne bewirkt und am Sitze der Hauptverwaltung einer technischen Nachprüfung unterzogen. ...
Die Sozietät hat ferner die Verpflichtung, nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit und des in ihrem Gebiet (Provinz Brandenburg und Grenzmark) vorhandenen Bedürfnisses im Haushaltsplan Mittel auszuwerfen, aus denen geldliche Beihilfen zu Einrichtungen und Maßnahmen der Meidung und Unter­drückung von Bränden, also zur Vermeidung der Feuersicherheit und Vervollkommnung des Feuerlöschwesens, gewährt werden.

Ein Vierteljahrhundert Reinickendorf-Liebenwalde-Groß Schönebecker Eisenbahn
Am 21. Mai 1926 konnte die Reinickendorf-Liebenwalde-Groß Schönebecker Eisenbahn auf ihr 25jähriges Bestehen zurückblicken. Über die Bedeutung des scherzhaft "Heidekrautbahn" genannten Verkehrsweges noch Besonderes auszuführen, dürfte insofern kaum notwendig sein, als jeder Anlieger weiß, daß die Erschließung des Gebietes zwischen den beiden Hauptbahnstrecken nach Stralsund über Oranienburg und Stettin über Bernau nur durch diesen Schienenweg möglich war, der sich bei Basdorf teilt und nach Groß Schönebeck bzw. nach Liebenwalde weiter führt. ...
Seit dem 1. Juli 1925 rechnet auch die Industriebahn Tegel-Friedrichsfelde zum Besitz der Reinickendorf-Liebenwalde-Gr. Schönebecker Eisenbahn A.-G. Sie ist mit ihrem 26 Kilometer langen Schienenweg und 67 Anschlußgleisen als Zufahrtsstrecke zum Tegeler Hafen besonders wichtig für den Güterverkehr. ...

Streifzüge durc die Industrie unseres Kreises.
Von Walter Möller.
Obwohl durch die Schaffung von Groß-Berlin dem Kreise Niederbarnim geradesolche Gebiete verloren­gingen, die, ihrer größeren Nähe von Berlin wegen, eine ziemlich stark entwickelte Industrie aufwiesen, hat der Kreis neben seinem vorwiegend landwirtschaftlichen Charakter namentlich in seinen vier Städten und deren Umgebung eine Industrie aufzuweisen, die selbst in den letzten Jahren erschwerten Wirtschaftslebens immer mehr an Bedeutung gewonnen hat. ...
Oranienburg. ... Unter den verschiedenen industriellen Unternehmungen der Havelstadt zeichnen sich die Byk-Guldenwerke durch eine Vielfältigkeit ihrer Erzeugnisse aus. ... Ein weiteres großes Unternehmen ist die Chemische Fabrik Milch A.-G. in Oranienburg, deren Fabrikgrundstück etwa 140000 Quadratmeter umfaßt. ...
Liebenwalde. Auf die Holzindustrie am Rande der Schorfheide ist bereits ... hingewiesen worden. ..
Bernau. Das märkische Nürnberg, die zweitgrößte Stadt des Kreises, Bernau, beherbergt in ihren Mauern eine chemische Fabrik, ferner eine Stätte zur Anfertigung von Lederhandschuhen und Kunsthornknöpfen sowie eine Möbelstoffefabrik. ...
Altlandsberg. Altlandsberg hat seinen Charakter als Landstädtchen bis auf den heutigen Tag ziemlich gewahrt. Infolgedessen ist verhältnismäßig wenig Industrie vorhanden. Die beiden Holzsägewerke und Nutzholzhandlungen der Herren Rottke und Schultz eschäftigen etwa 20 Personen. Der Holzbedarf wird zum Teil bei den Verkäufen aus dem Stadtwalde gedeckt. Die Sägewerke liegen insofern günstbig, als sie eine waldreiche Umgebung haben. Außerdem ist noch die Monopol-Kolbenring-Fabrik in der Stadt. Es werden, wie schon der Name sagt, Kolbenringe in allen Dimensionen für Autos, Flugzeuge, Eisenbahnen usw. hergestellt. Die Firma beschäftigt durchschnittlich 50 Personen; das Unternehmen hat Kleinbahnanschluß. Weiterhin ist noch eine Mehlmühle in der Stadt, die teilweise durch Wasserturbine und teilweise durch Rohölmotor betrieben wird. Da viel Landwirtschaft vorhanden ist, geht der Betrieb gut. Die Stadt selbst betreibt ein eigenes Elektrizitätswerk, in welchem 2 Diesel­motoren und eine Lokomobile für die Stromerzeugung sorgen. In Altlandsberg-Süd befindet sich die Drehorgelfabrik Holl, die bei günstiger Wirtschaftslage vielen Orgelbauern Beschäftigung gibt.
Einen besonderen Industriezweig stellt die Gewinnung von Werten aus der Erde, der Bergbau dar. Wiederholt sind auch in unserm Kreise Versuche zur Kohlenförderung unternommen worden. Erinnert sei nur an die Bohrversuche und den Bau eines Bergwerkes bei Liebenwalde. Die Pläne wurden, wie bereits früher im Kreiskalender berichtet worden, durch den Grundwasserstand zunichte. - Neuerdings hat man nahe der Kreisgrenze -nämlich bei Erkner- erneut Bohrungen nach Braunkohle vorgenommen, die ein Lager von etwa 75000 Morgen Ausdehnung ergeben soll. Die Erschließung dieses Lagers wäre für die Elektrizitätserzeugung Berlins und der Umgegend selbstverständlich von ungeheurer Bedeutung, denn noch immer krankt ja die Braunkohlenverwertung für genannte Zwecke an den im mißlichen Verhältnis zu den erzeugten Energiewerten stehenden hohen Transportkosten der Braunkohle bei weiterer Entfernung. ...
Ein anderer, nämlich der Kalksteinbergbau wird in unserm Kreise schon seit mehr als 600 Jahren betrieben. ... Aus dem Tiefbau des Alvenlebenbruchs führen zwei Schrägaufzüge nach dem zu einem Hafen mit umfangreichen Verlade-Einrichtungen ausgebauten Kriensee. Hier werden die Förderwagen zu einem Teile unmittelbar ins Schiff, zum andern Teile in Eisenbahnwagen entleert oder gehen auf einen weiteren Schrägaufzug zu den Kalkbrennereien. ...

Niederbarnimsche Schulmeister
des 17. und 18. Jahrhunderts.
  • Ahrensfelde: 1742 Andr. Behrendt, Küster.
  • Blumberg: 1726 George Lucas, Küster.

Was tut der Landwirtschaft unseres Kreises not? ...
Von Albert König, Direktor der Landw. Lehranstalt Luisenhof (Kr. Niederbarnim) ...
Der Kreis ist in seiner ganzen Ausdehnung bezgl. des Bodens und auch des Klimas nicht gleich, die Gegend: Blumberg, Seefeld kann nicht mit der von Groß Schönebeck, Ruhlsdorf oder Spreeau verglichen werden. ...
Im Regierungsbezirk Potsdam ist die Jahrestemperatur nicht günstig. Die mittlere Jahres-Temperatur ist 8,7 Grad Celsius. ... Berlin soll einen ungünstigen Einfluß auf die Niederschläge mancher Gegenden ausüben. Selbst hat es 582 mm Niederschlag. ...
Neben dem Klima kommt für die Produktionsverhältnisse der Boden in Frage. Hier zeigen sich innerhalb des Kreises große Unterschiede, man denke nur an die Groß Schönebecker Gegend mit seinem Sand, evtl. noch lehmigen Sandboden, der auf Grund von Untersuchungen große Nährstoff­armut aufweist; ferner an die Blumberger Gegend, die Lehmboden und sandigen Lehmboden aufweist. Das Spreetal hat bis zu 3 m Tiefe Sand, der oben trocken und unten feucht ist. ...
Die Blumberger und Lindenberger Wirtschaften hatten schon vor dem Kriege der Viehhaltung Valet gesagt, und die günstige wirtschaftliche Lage zu Berlin auszunützen. Der für den Boden erforderliche Dung wird entweder von Berlin bezogen, im Austausch für Stroh, oder es wird Gründung und Handelsdünger angewendet. ...

Das Heuschreckenjahr von Strausberg.
Anno 1730 haben sich aus dem Morgen her eine große Menge Heuschrecken, auch Sprengsel genannt, von allerhand Farben allhier und hiesiger Gegend eingefunden, welche alle Tage in den Mittagsstunden wie ein großes gewaltiges Heer in der Luft über hiesige Stadt und Feld hin- und herzogen und geflogen, und anzusehen, als wenn dicke Schneeflocken gefallen, wobei sie ein großes Geräusch in der Luft verursachet, daß man es nicht ohne Verwunderung ansehen und hören können. Und obgleich alle ersinnlichen Anstalten und Verfügungen gemacht worden, also daß es Frühjahrs darauf, da diese Brut, welche sie im Herbste zurückgelassen, so wie große Ameisen gewesen, aller Orte tiefe und weite Graben gemachet und mit Ruten dahineingetrieben und mit Erde über schüttet und dichte getrampelt wurden, so war doch kein Anschein, daß derselben weniger, sondern haben sich mehr eingefunden; als sie fliegen konnten, war keine Rettung mehr und fraßen sie in einer bis zwei Nächten drei Jahr hintereinander den Roggen, Gerste, Hafer und die Wiesen von oben herunter, daß nichts als ganz kurze Stoppeln erbärmlich stehen blieben, bis endlich der Große Gott diese Landplage am 27. Juli 1732 in einer Nacht wegnahm, da sie sich teils einander selbst aufgefressen, tot hangen und tot liegen blieben, die übrigen aber weggezogen. (Bericht des Magistrats Strausberg an Prof. Bekmann in Frankfurt a. O. 1741.)

Maulbeerplantagen im Niederbarnim.
Von Pfarrer H. Kornrumpf, Grünheide.
Die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges bekam auch unsere Mark reich zu schmecken. Nur langsam gelang es dem ausgeplünderten Land sich zu erholen. Nach dem prunkvollen Leben Friedrichs I., des ersten Königs, betrachtete es Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig, als seine erste Pflicht, für das Wohl des Volkes durch Hebung von Handel und Wandel zu sorgen. ...
Im Jahre 1713 erschien eine kgl. Verordnung, Maulbeerbäume und Seidenzucht einzuführen. Forstland wurde für solche Zwecke vielfach in Erbpacht gegeben. Die Kirchhöfe wurden mit Maulbeerbäumen bepflanzt. Pfarrer und Küster, wie damals allgemein die Lehrer hießen, verwendeten allenthalben viel Mühe auf die Aufzucht dieser Bäume, die man im Sommer entlaubte, damals sagte man "belaubte" und zur Nahrung für die Seidenraupe benutzte. Die Seidenraupe spinnt sich vor der Verpuppung noch viel stärker ein als andere Raupen und diese sogenannten Coccons sammelte man eifrig, um sie abzuwickeln und daraus dann Seide zu spinnen.
In Erkner befand sich an der heutigen Beuststraße eine große Maulbeerplantage. Auch der Platz vor dem Gasthof in Eggersdorf diente im 18. Jahrhundert dazu. ... Wenn 1766 berichtet wird, daß jeder Hauswirt in Eggersdorf und Petershagen auf Befehl je einen Maulbeerbaum gepflanzt habe, da fand das sicher auch an vielen anderen Orten statt.
Die heutige Villenkolonie Hohenfließ ist aus einer Maulbeerplantage der Eggersdorfer Revierförsterwitwe ... hervorgegangen. ... In Petershagen hatte der Pastor Meyer (1768 bis 1807 dort im Amt) einen großen Teil seines Pfarrgartens zur Maulbeerplantage eingerichtet.
Plantagen-Inspektoren überwachten im Lande die Maulbeerbaumzucht und doch hatte alle aufgewendete Mühe keinen dauerhaften Erfolg gehabt. Die Seidenraupenzucht ist gänzlich bei uns eingegangen.
Die Entwicklung der Maulbeerbaumzucht und ihren jährlichen Stand auf dem Kirchhof in Rüdersdorf können wir heute noch, dank der erhaltenen Kirchenrechnungen, genau vom Jahre 1752 ab feststellen. 107 Jahre werden wir Jahr für Jahr davon unterrichtet. ...

Ortschaftsverzeichnis des Kreises Niederbarnim. [unverändert, außer:]
  • Ortschaft / Einwohnerzahl am 16. Juni 1925 / Name des Gemeinde- oder Gutsvorstehers
  1. Eiche, Gmd. bei Ahrensfelde b. Berlin / 126 / Lindenberg

Verzeichnis der Kirchensprengel und Pfarrer.
(Abkürzungen der Kirchenkreise: B.I = Berlin Land I; B.II = Berlin Land II; Be = Bernau; ...)
  1. Ahrensfelde (Hönow, Mehrow): B.I, Pfarrer Benecke.
  2. Blumberg (Eiche, Hellersdorf): B.I, Pf. Ramin.
  3. Börnicke (Elisenau, Helenenau, Thörfelde): Be, Pf. Schrader.
  4. Lindenberg (Blankenburg): B.II, Pf. Schacht.


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