Hönow unter dem Eindruck der Kriegsereignisse 1800-1820.
Von Lehrer Meyer, Hönow

In ein ereignisreiches Jahrhundert, das von den Trümmerhaufen eines Jena bis zur Neugründung des Deutschen Reiches führt, treten wir mit dem Jahre 1800 ein. Die Doppelschlacht bei Jena und Auerstädt war geschlagen und damit der militärische Zusammenbruch Preußens besiegelt. In wilder Flucht löste sich das Heer auf und zwei Wochen später hielt der stolze Kaiser der Franzosen, Napoleon, seinen Einzug in Berlin. Im benachbarten Biesdorf hielt er am 28. Oktober 1806 eine Truppenschau über das Armeekorps des Marschall Davoust, das sich unmittelbar darauf nach Küstrin und Frankfurt a. O. in Marsch setzte. Es bezog an diesem Tage in Dahlwitz und den benachbarten Orten, auch vermutlich in Hönow Biwak. Weitere Truppen folgten. Zwar berührten diese Truppen nur unseren Ort, aber sie ließen doch genug Jammer und Elend zurück. Der größte Teil unseres Dorfes flieht nach Alt-Landsberg. Unser Kirchenbuch meldet z. B. an einer Stelle: "Kossät Peter Christoph Staabs Tochter Marie Elisabeth, welche den 5. November v. J. in Altlandsberg bei der ergriffenen Flucht der Eltern geboren, gestorben 1807".

Zwar hatte der Ahrensfelder Pfarrer den hiesigen Bauersleuten erzählt, wie sehr human die Franzosen seien, er wurde aber nach dem Kirchenbuch von den Franzosen sehr zerschlagen. Über die furchtbaren Einquartierungen berichtet unser Nachbardorf Neuenhagen am 1.12.1806: "Mit heutigem Tage waren die französischen Truppen über 4 Wochen in unserer Gegend. Die Effekten und sämmtliches Hausgeräth sind theils genommen, theils muthwillig ruiniert und zerschlagen. Diesseits Berlin bis an Hönow heran befindet sich ein Lager von 30000 Mann französischer Infanterie, welche zum Biwakfeuer sämtliche Zäune im Dorfe abgerissen und verbrannt haben."

Nach den Erzählungen der Alten ist unsere alte Turmuhr von den Franzosen zerstört, die Messingleuchter der Kirche verpackt in den See (Gegend des Schlosses) gesenkt, alte Schätze und wertvolle Sachen vergraben oder ins Wasser geworfen worden. Der alte damalige Schulze Gathow versteckte sich, sobald sie kamen, in der hohlen Rüster, die in seinem Garten stand. Alles wurde den Wirten genommen. So verlor allein der Bauer Joachim Rackewitz in unserem Dorf durch den Krieg:

4 Pferde, welche die Feinde mit dem Artellerie-Park totgefahren 80 Taler, 1 jungen Hengst 60 Taler, 1 altes Pferd 17 Taler, 4 Schweine 12 Taler, 6 Stück Gänse 6 Taler, 6 Stück Hühner 3 Taler, 1 Schiefwagen 30 Taler, 1 Puffwagen 18 Taler, Scheideleitern und 2 Mistleitern 3 Taler 18 Groschen, 1 eiserne und 1 hölzerne Egge 2 Taler 18 Groschen, 1 neuen Pflug 3 Taler, 1 halbe Tonne mit Bier, 1 Aempken mit Branntwein 2 Taler 4 Groschen, 1 großen kupfernen Kessel 12 Taler, 1 kleinen kupfernen Kessel 2 Taler, 1 kupfernen Ofenbläser nebst Schöpfkelle 4 Taler 18 Groschen, 1 Messingtopf 20 Groschen, 10 Mandeln Roggen 45 Taler, 1 Wispel 4 Schffl. Hafer 28 Taler, 10 ½ Schffl. Gerste 21 Taler, 4 Mandeln Heidegrütze 24 Taler, 10 Scheffel Erbsen 40 Taler, 1 Scheffel Hirse 8 Taler, 1 Wispel Wickhafer 72 Taler, 6 Scheffel Wickgerste 12 Taler, 3 Fuder Heu 33 Taler, 2 Schock Roggenstroh 20 Taler, ¼ Scheffel weiße Bohnen 1 Taler 8 Groschen, 1 Wispel Erdtoffeln 24 Taler, 1 Deckbett und Pfühl 11 Taler, 1 Bettüberzug 2 Taler 13 Groschen, 1 Tafeltuch 2 Taler 1 Groschen, Flachs, Laken, Bettvorhänge und 2 Hemden 7 Taler 6 Groschen, 2 Schürzen 2 Taler 2 Groschen, 4 Stück Tücher 4 Taler, an Kleidungsstücken 19 Taler 10 Groschen, 2 Gartenzäune verbrannt 40 Taler, 2 Kasten demoliert 2 Taler, 1 Axt 2 Taler, 1 Beil 1 Taler 4 Groschen, 4 Stück Pferdesiele 7 Taler, 2 Sättel 2 Taler 12 Groschen, 4 Stück Pflugleinen 1 Taler 4 Groschen, 2 Stück Halskoppeln 12 Groschen, 2 Halfter mit Ketten 1 Taler, 6 Stricke 2 Taler; zusammen 693 Taler und 16 Groschen.

Und diesen Verlust nur ein einziger Bauer! Die Geschichte soll uns ja Lehrmeisterin sein. Vielleicht lernen diejenigen daraus, die vor Jahresfrist so kühn und gleichgültig sagten: "Laßt doch ruhig die Franzosen Berlin besetzen !"

Wie sehr unser Ort zur Zeit der Franzosenbesetzung, aber noch furchtbarer nach jener Zeit zu leiden hatte, sollen noch weitere Beispiele erhärten und veranschaulichen. Der Bauer Kirchbaum hat 2 Pferde an Rotz verloren, aus eigenen Mitteln kann er sie nicht ersetzen, da er keine Aussicht zu einem Heller Einnahme hat. Er schreibt in seinem Unterstützungsgesuch wörtlich: "Denn ich sehe meine traurige Lage auf den bevorstehenden Herbst und Winter mit Betrübnis vor Augen und weiß nicht, wie ich mich, meine Leute und Vieh durchbringen und erhalten soll. Das Land ist durch auszehrenden Wind und placken Frost, zumal es trocknes Sandland ist, ausgemergelt, daß es nicht die Aussaat gewährt." (28.11.1811.)

Der Bauer Rauch kann nicht seinen Acker bestellen, es mangelt ihm an Saat. Da ihm 1808 die Ernte mißraten, besitzt er im Oktober nur noch 12 Scheffel Roggen. Davon muß er noch das Meßkorn an Prediger und Küster, das Schärfkorn an den Schmied und das Hütekorn abgeben. Nach Abzug dessen hat er weder Saat- noch Brotkorn und er weiß auch nicht, wie er die Saat auftreiben könne. Obwohl er an Abgaben noch 105 Taler schuldig war, hat ihm dann das Amt 1 Wispel Saatroggen vorgeschossen. (Dorfgerichtliches Zeugnis.) Es fehlte an Arbeitsleuten. Das Gespannvieh war wegen der häufigen Vorspanne in den Kriegszeiten in einer solchen Beschaffenheit, daß der Acker der Gemeinde nicht mehr gehörig bestellt werden konnte. Und trotzdem sollten doch die pflichtgemäßen Naturalhofedienste nach Landsberg geleistet werden. So beklagte und beschwerte sich der Beamte Baath in Landsberg am 24.1.1811 in Potsdam und bittet um Unterstützung durch militärische Exekution.

Infolge der geschilderten Verhältnisse gingen die Wirtschaften in unserem Dorfe rapide zurück, die Armut wuchs. Das Futter war so knapp, daß man das Stroh von den Dächern riß, um das Vieh nur notdürftig durch den Winter zu bringen. Es wundert uns daher nicht, wenn die Wirtschaften teilweise wüste lagen und jahrelang nicht bestellt werden konnten. Folgendes Gesuch des Bauern F. Kirschbaum, auf der jetzt Müller Schmidtchen Wirtschaft, an den damaligen König illustriere das eben Gesagte:

"Allerdurchlauchtigster, Großmächtigcher König, Allergnädigster König und Herr! Ich bin ein kranker, hilfloser Mann, von einigen sechzig Jahren, der nicht im Stande ist, sein Brod mit seinen eigenen Händen zu verdienen, mein bauren guth, welches ich 40 Jahre bewirtschaftet habe, ist in verwichenen Kriegsjahren in solcher Verfassung gerathen, daß ich mich ganz außer Stand sehe, dasselbe weder durch mich, noch durch meine erwachsenen Kinder, jemals bewirthschaften lassen zu können, indem ich weder Vieh, noch Brod, noch Saatkorn habe, da ich aber mein Schicksal nicht selbst verschuldet, sondern blos Krieg, Krankheit und andere Unglücksfälle die Ursachen meines Herunterkommens sind, so habe ich in dieser äußersten Not zu dem Throne Ew. Königl. Majestät meine Zuflucht genommen und mich Ew. Königl. Majestät zu Füßen zu legen, mit der allerunterthänigsten Bitte, meinen ältesten Sohn durch Verleihung allergnädigster Remissionsgelder in den Stand zu setzen, das Guth anzunehmen, oder im Fall dies nicht angehe, den anderweitigen Besitzer desselben allergnädigst zu verpflichten, mir alten hilflosem Manne ein mäßiges Ausgedinge auf meine noch übrige Lebenszeit zu gewähren, da ohnedem mit dem Guthe ein Abgabenfreier Landhof verbunden, welcher die ehemaligen Besitzer ein Alttheil gewährt hat. - Ich getröste mich einer allergnädigsten Erhörung und ersterbe in tiefster Devotion Ew. Königl. Majestät allerunterthänigst gehorsamsten Knecht, der Bauer Friedrich Kirchbohm. - Hönow bei Alt-Landsberg, den 19. Juny 1810."

Der Bauer Kirchbaum konnte sich nicht auf seiner Wirtschaft halten, sie wurde vom Amte Alt-Landsberg veräußert. Ebenso erging es der Bauer Rackewitz'schen Wirtschaft. Und nun wieder etwas wunderbares, ein Charakteristikum jener Zeit voll Armut. Niemand will und kann die Höfe annehmen. Als Inventar war auf dem Kirschbaum'schen Hofe nur noch ein Puffwagen. Zur Instandsetzung wäre an Geld erforderlich gewesen: 1. Zur Anschaffung von 6 Stück Pflugochsen, à 30 Taler = 180 Taler; 2. 3 Stück Pferde, à 50 Taler = 150 Taler; 3. Ackergerät, insgesamt 100 Taler; 4. Zur Anschaffung der erforderlichen Aussaat als 2 W. 8 Sch. Roggen und 1 W. Sommersaat = 80 Taler; außerdem mußten einige Kühe, einiges Schafvieh, Brotkorn und Futter für Vieh angeschafft werden, eine Ausgabe von 200 Talern. Zur Instandsetzung wären daher um 1810 etwa 710 Taler notwendig gewesen. Aber wie schon gesagt, trotz öffentlicher Ausschreibung fand sich zunächst niemand, man hatte kein Geld, man fürchtete die Kriegslasten, und zum anderen grassierte eine ansteckende Krankheit gerade in unserem Dorfe, an der 50 Menschen von den kaum 200 Seelen zählenden Einwohnern darniederlagen.

Nach langwierigen Verhandlungen und jahrelanger Bemühung bequemte sich der Beamte Baath dazu, den Rackewitz'schen Hof zu kaufen, den wüsten Kirchbaum'schen Bauernhof erwarb der Einlieger Schmidt unter folgenden Vergünstigungen und Verpflichtungen am 7. Juni 1813:

1. 4 Freijahre von Kreis-Amts-Abgaben von Johanni 1813-1817.
     Das Dienstgeld war im Amtssold einbegriffen.
2. Freie Reparatur und Bauholz zu den Gebäuden
3. Von der Erlegung eines Erbstandgeldes und rückständigen Bezahlung ward abgesehen.

Dagegen mußte er sich verpflichten:

1. Von Johanni 1814 an die nachbarlichen Lasten (Einquartierung, Vorspann aller Art) zu übernehmen.
2. Verfallene Gebäude auf seine Kosten zu reparieren und zu bauen.
3. Alle Amts- und Kreisabgaben von 1817 an zu übernehmen.
4. Hirten, Schmied, Prediger und Küster nach der ersten Ernte 1814 das Deputatkorn zu verabreichen.

Die Kontribution betrug monatlich 1 Taler 3 Gr. 4 Pf. Das Holz ward aus der Rüdersdorfer Forst frei geliefert.

Die angeführten Beispiele lassen wohl zur Genüge die furchtbare Lage erkennen, in die unser Dorf durch den Krieg 1806/1807 und die ihm folgende Invasion gekommen ist. Das Herz blutet einem bei der Durchsicht der eingereichten Unterstützungsgesuche und darauf sich beziehenden Schriftstücke, und noch am 15. April 1819 bittet die Gemeinde um Stundung zur Zahlung der Erbstandsgelder. "Unsere Kräfte sind vom Kriege noch ganz erschöpft, die Zeit zur Erholung ist noch zu kurz."
Die äußerste Ecke der Herrendike, am weitesten nach Mehrow gelegen, jenes Waldstück zur linken Hand der Mehrower Chaussee, führt noch heute im Munde der Alten die Bezeichnung "Franzosenkirchhof". Eine unheimliche Ruhe lagert über dem verwilderten und mit mannshohem Ginster und dichtem Unkraut bestandenen Flurstück, der Mehrower Feldmark gehörig. Hier sollen nach mündlicher Ueberlieferung französische Soldaten beerdigt wurden sein, als sich zur Zeit der Franzosenbesetzung in der jetzt abgeholzten Falkenberger Heide ein großes Lager befand. Der ehemalige Gutsinspektor Krause (Mehrow) will auch eine sich darauf beziehende Tafel beim Ackern gefunden haben.

Mit dem Hinweis auf zwei Lichtblicke, die das Dunkel dieser Zeit etwas erhellen, will ich diesen Abschnitt beendigen. Das ist einmal die Zeit der Befreiungskämpfe 1813-1815 (die Erinnerung an jene Kämpfer ist durch die Gedächtnistafel in der Kirche festgehalten) und zum anderen jener denkwürdige Martinitag 1810, an dem "der Landmann durch freien königlichen Entschluß seine uralte, einstige Freiheit wieder erhielt durch Aufhebung der noch verbliebenen Erbuntertänigkeit". In den folgenden Jahrzehnten folgte dann die Ablösung zahlreicher, Jahrhunderte alter Leistungen, Abgaben, Lasten und Dienste.

Das Wirtschaftsleben um diese Zeit stellt sich noch hauptsächlich als Haus- und Naturalwirtschaft dar. Der Landmann lebte von den Erträgnissen seiner Wirtschaft. Im eigenen Hause wurde geschlachtet und gebacken. Der Bauer mauerte, zimmerte und tischlerte selbst. Die Lichte wurden selbst gezogen, die Seife selbst gekocht, das Bier selbst gebraut. Der selbstgebaute Flachs, die von den eigenen Schafen geschorene Wolle wurden im eigenen Hause gesponnen, gewebt, gefärbt und zu Wäsche und Kleidern verarbeitet. Die abendlichen Zusammenkünfte in den Spinnstuben gaben Gelegenheit zu gegenseitiger Unterhaltung und Belehrung.


Quelle: Kalender 1922 für den Kreis Niederbarnim, (Herausgegeben 1921) S. 36-39
Herausgegeben von Walter Möller
Druck und Verlag von Wilhelm Möller, Oranienburg-Berlin