Aus Altlandsbergs ältesten und "jüngsten" Tagen.
Von Artur Niedrich

In den Pfingsttagen des vorigen Jahres beging Altlandsberg das Fest seines siebenhundertjährigen Bestehens. So alt soll es sein ? - Nein, es ist älter; denn eine Stelle mit solch günstiger Verteidigungslage (ringsum sumpfige Wiesen, ehemals Teiche) konnte in einer Zeit, wo Sicherheit für eine Siedlung das Ausschlaggebende war, nicht von Siedlern übersehen werden, gleichviel, ob sie germanisch oder wendisch waren. Die gründlichen Arbeiten von Gaehde und Giertz haben einiges Licht in dies Dunkel gebracht. Daß Altlandsberg auf dem Boden eines wendischen Dorfes steht, ist nicht zu bezweifeln. Wendische Flußnamen (Stienitz = Kaltwasser, Stepenitz = Teichwasser) beweisen es. Mehr noch sagt uns der Name "Jabelfeld" für den Acker, der dicht westlich bei der Stadt liegt. Den bündigen Beweis liefert uns das Wort Saudenz. Es kommt als Flurname einer Jabelhufe und als Fließteil vor und heißt Richterstück oder Richterwasserstück. Das würde bedeuten, daß hier ein wendischer Richter wohnte. Dann muß aber auch ein wendischer Ort hier bestanden haben, und zwar auf dem Boden, den jetzt die Stadt einnimmt; ein anderer kommt aus Verteidigungs- und Erwerbsgründen (Teiche für die wendische Fischerei) gar nicht in Betracht.

Der älteste Teil der Stadt liegt im Norden um die Kirche herum. Dort wird wahrscheinlich in wendischer Zeit ein alter Burgwall gewesen sein; denn der Punkt ist strategisch bedeutsam: Es ist der Zugang zur Halbinsel, und hier errichteten die Deutschen um 1230 ihre Burg. Doch schon viel früher siedelten Deutsche auf dem Barnim, wenn er ihnen politisch auch nicht gehörte, genau so, wie heute unsere Auslandsdeutschen. Damals standen um den Wendenwall slawische Hütten, die sich später mit deutschen Häusern mischten. Noch gegen 1700 hieß dieses Viertel "Auff der Burg". Es ist der Nordteil der Bernauer Straße. Der Acker des Slawenortes lag westlich nach Mehrow hinaus und heißt heute noch das Jabelfeld: das Feld von Jabel, zu deutsch; Apfelbaum. So kann das wendische Dorf geheißen haben. Es ist dort sandiger Boden; den schweren Boden östlich der Stadt konnte der leichte Wendenpflug gar nicht bearbeiten.

Auch die Wiesen an der Stienitz, westlich der Stadt, waren wendisches Eigentum und hießen noch lange die "kleine Jabel". Schon sehr früh sind sie von den Burgbesitzern enteignet worden, die noch um 1400 einen Zins an die Stadt dafür entrichteten. - Auch eine eigene Kirche besaß Jabel. Da ist aus der Lage der heutigen Stadtkirche zu erkennen. Sie liegt nicht in der Nähe des alten Marktes, der heutigen Poststraße, wie wir es bei den meisten Städtegründungen des Ostens gewöhnt sind, sondern am Halbinselausgang im Norden. Man hat das aus Verteidigungsgründen erklären wollen, doch reichte zur Abwehr die Burg dort vollkommen aus.

Man wird also die heutige Stadtkirche auf dem Boden einer schon bestehenden wendischen Holzkirche errichtet haben. Und das muß sehr bald nach 1230 gewesen sein, wie sich aus dem alten Wehrkirchturm und dem verbreiterten Grundmauersockel schließen läßt. Daß die Wenden vor 1230 teilweise schon Christen waren, ist durchaus glaubhaft. Die Pommern (Otto von Bamberg) und die Polen waren es ja schon. Und im gleichen Jahre trug der deutsche Ritterorden das Christentum nach Preußen.

Einen neuen Beweis für das Bestehen einer alten Wendenkirche bringt die Tatsache, daß der Landbesitz der heutigen Stadtkirche (nicht Pfarrhufen) auf dem wendischen Jabelfelde liegt, nicht auf dem deutschen Baufelde. Sie muß deshalb schon als Holzkirche bestanden haben, ehe die Deutschen einrückten. Ähnliches zeigt sich bei den Pfarrstellen. Die 2. Pfarre besitzt mehr Dienstland als die erste. Jede hat vier Baufeldhufen, die zweite aber noch eine Jabelhufe mehr. Diese kann möglicherweise schon dem Pfarrer der alten Kirche von Jabel gehört haben. Als die Deutschen einzogen, brachten sie wohl ihren eigenen Pfarrer mit, dem der Markgraf nach dem geltenden Kirchenvertrage vier Hufen auf dem neuen Lande bewilligte. Das beanspruchte und bekam auch der alte Pfarrer von Jabel, dessen Kirchlein ja mitbenutzt wurde, wenn er auch jetzt der zweite war. Die Einrichtung von gleich zwei Pfarrstellen deutet doch auf eine große Gemeinde hin und gibt zu denken. Ebenso zu denken gibt die Tatsache, daß eine Mehlabgabe der ältesten, früher der Stadt gehörigen Landsberger Mühle (Walkmühle am Amt), die übrigens auch das Richterlandstück, das Saudenz, besaß, von den Krummensees auf die schon reich genug dotierte zweite Pfarre wanderte, nicht auf die erste. Bestehen da nicht dunkle geschichtliche Beziehungen zwischen Wendenrichter, Mühle von Jabel und Pfarre?

1230 eroberten die Askanier den Barnim, und ein deutscher Kolonistenzug rückte heran. Die sichere Lage, die Nähe der Burg lockte. Auf der Südhälfte der Halbinsel war Platz genug für eine Neugründung. Urkunden liegen nicht vor: doch wenn es 1237 ein Neulandsberg (an der Warte) gab, so muß auch schon viele Jahre vorher ein Altlandsberg bestanden haben, und das kann nur bei der deutschen Besiedlung des Barnim Stadtrecht erhalten haben, also um 1230. Fruchtbares Waldland gab es im Osten und Süden genug auf dem heutigen Baufelde, Wiesen ebenso. Dort schenkte der Markgraf den Einwanderern 104 Hufen, 40 behielt er für sich. Seinen Wirtschaftshof errichtete er nahe der Burg (Hotel Deutsches Haus). Zwischen dem Wendendorf auf der Nordhälfte und der deutschen Siedlung auf der Südhälfte der Halbinsel blieb ein freier Raum, der erst später von neuen Kolonisten oder den Söhnen der älteren mit Höfen besetzt wurde.

Noch gegen 1700 wird die Stadt im Schwerinschen Hausbuch in drei Viertel eingeteilt; in das Bernauer (das alte Jabel), das Berliner (die deutsche Siedlung) und das später entstandene Mittelviertel. Der Markt lag an der Grenze beider Gründungen im Zuge der Verkehrsstraße Berlin-Küstrin. Es ist die heutige Poststraße. Hier standen alle Rathäuser der Stadt. Der heutige Markt besteht erst seit dem Brande von 1684.

Mit der Bebauung des Mittelviertels schlossen sich die drei Viertel zu einer Stadt zusammen. Vielleicht ist damals die Braustellenzahl (viele Höfe hatten das Braurecht) „amtlich“ festgelegt worden; jedenfalls hat das neue Mittelviertel die wenigsten Braustellen bekommen. Sicher ist aber um diese Zeit an die Stelle der alten Palisadenbefestigung die Stadtmauer getreten, die den Zusammenschluß auch äußerlich zum Ausdruck brachte.

Damals muß Altlandsberg ein Ort von annähernd 1000 Einwohnern gewesen sein und konnte im Kampf der Bayernmarkgrafen gegen den falschen Waldemar als feste Stadt eine bedeutsame Rolle spielen. 1349 war es sogar Operationsbasis und erlangte 1355 das Recht eines eigenen Stadtrichters. Es schloß damals auch Bündnisse mit den größeren Nachbarstädten und bekam in der Zeit des Kirchenbannes auf den Wunsch frommer Bürger, aber gegen den Willen des Rates das Bettelmönchskloster der Servitten, das einzige in der Mark. Doch Seuchen, Kriege, Brände brachten das blühende Gemeindewesen herunter. 1409, in der Zeit des unseligen Jobst von Mähren, wurde es an die Krummensees verkauft und verlor so seine Selbständigkeit. Der Kampf um die Privilegien wurde der Stadt so furchtbar erschwert durch den Hussitenüberfall von 1432. Die ganze Stadt brannte nieder, nur die Stadtmauer und die Grundmauern der Kirche blieben stehen. Die Burg der Krummensees blieb unversehrt.

Die folgenden Jahre füllten endlose Streitigkeiten des Rats mit seinen Herren um Wald- und Weiderecht, um Gerichtsfragen, Abgaben aus, die meist zum Nachteil der Stadt entschieden wurden, der zum Unglück noch ihre Schenkungsbriefe 1545 verbrannten. 1556 suchten die Ritter durch einen Gewaltakt neue Rechte von der Stadt zu erpressen. Sie überfielen den Rat in der Nacht und führten ihn in die Burgverließe ab. Doch das alles scheiterte größtenteils an der Standhaftigkeit des Rates und seines tatkräftigen Bürgermeisters Jürgen Jödicke, dem Helden des Festspiels. Zu gleicher Zeit, 1540, wurde durch Leutinger die Reformation eingeführt und das Kloster aufgehoben. Auch da gab es Streit mit den Krummensees, die daraus ihren 5. Rittersitz machen wollten.

Erst der 30jährige Krieg befreite Altlandsberg von seinen gewalttätigen Herren, brachte aber unsägliches Elend. 1632 wurde die Stadt geplündert und niedergebrannt. 1655 standen von 100 nur noch 19 Gehöfte. Da kam der Retter: Otto von Schwerin, erster Minister des Großen Kurfürsten. Er erbaute die Stadt neu, rief in den menschenarmen Ort die Reformierten und brachte in die verwilderte Bevölkerung wieder Zucht und Ordnung. Auch er war ihr Herr, aber einer, der fremde Rechte achtete und nur energisch durchgriff, wenn es das Wohl des Gemeinwesens erforderte. Ihm verdankt Altlandsberg, daß es nicht nur eine wiederaufblühende Stadt, sondern in seinen Anlagen auch eine schöne Stadt wurde.

Festtage ...
[Die nachfolgenden Seiten beschreiben den Ablauf der Festtage zur 700-Jahr-Feier 1930]


Quelle: Kalender 1931 für den Kreis Niederbarnim, (Herausgegeben 1930), Seite 40-42 (44)
Herausgegeben von Walter Möller
Druck und Verlag von Wilhelm Möller, Oranienburg-Berlin