Heimat und Welt 32/1935 (10.8.1935), gekürzt


Max Rehberg:
Niederbarnimer Volkskunde
[Teil 3: Giebel- und Hofzeichen etc. / gekürzt]

An älteren Bauernhäusern (auch Scheunen) finden wir Giebelzeichen, in unsern Gegenden meist gekreuzte Tierköpfe. Daneben kommen auch senkrechte Giebelverzierungen vor, besonders östlich der Oder. Es wäre reizvoll, festzustellen, wo sie sich in unserm Kreis erhalten haben. Meist werden die gekreuzten Giebelzeichen als Pferdeköpfe gedeutet und auf Wotans heiliges Roß zurückgeführt. Ob eine solche Deutung allgemeine Gültigkeit hat, ist fraglich. Allem Augenschein nach sind die Giebelzeichen erst im späten Mittelalter entstanden, als man dazu überging, den ursprünglich abgeschrägten oder abgewalmten Giebel zu einer senkrechten Fläche aufzurichten. Dadurch wurde man gezwungen, die Giebelkanten des Strohdaches, die früher nicht vorhanden waren, gegen den Wind zu schützen. Das geschah durch Windbretter, die sich über dem First kreuzten und zu Tierköpfen oder anderen Zierraten ausgesägt wurden. Es gibt nämlich auch zahlreiche Giebelzeichen, die keine Pferdeköpfe darstellen, sondern z. B. Hähne, Storch- oder Schwanenköpfe, vielleicht auch alte Hauszeichen u. dgl. mehr.

Aeltere Hausinschriften habe ich bisher im Kreise Niederbarnim nicht gefunden. Sie sind verschwunden wie die Trachten. Neuerdings lebt da und dort die schöne Site der Hausinschriften wieder auf (Oranienburg). Geradezu fürchterlich sind die Buchstaben und Jahreszahlen auf manchen Falzziegeldächern. Sie gehören einer in der Baukunst tiefstehenden Vergangenheit an.

In manchen Orten hat das wenig schöne Schieferdach das Stroh- und Ziegeldach verdrängt. Auch Pappdach und glänzende Falzziegel haben nicht selten das Dorfbild verschandelt. Es wäre zu wünschen, daß ein noch billigeres Verfahren erfunden würde, um das Stroh- und Rohrdach feuersicher zu machen, damit diese beiden wertvollen Bedachungen wieder mehr Verbreitung finden.

Das Innere des Bauernhauses ist im Laufe der letzten Jahrzehnte so grundlegend umgestaltet worden, daß von der früheren Einrichtung in unsern Gegenden kaum noch etwas erhalten sein wird. In meiner Kindheit, Anfang der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, gab es in vielen Dörfern noch Küchen mit offenem Herd und offenem Schornstein, in dem Wurst und Speck geräuchert wurden. Es wär ein Wunder, wenn in irgendeinem versteckten Winkel unseres Kreises heute noch so etwas anzutreffen wäre. Damals waren da und dort auch noch Kamine in Benutzung (Wensickendorf). In einzelnen alten Bauern- und Tagelöhnerhäusern sind sie noch vorhanden. Ebenso mögen sich hie und da auch noch Alkoven vorfinden.

Eine Erinnerung an den offenen Herd ist der Rauchfang, der sich hin und wieder, auch in Städten, noch erhalten hat. Er wurde selbst noch angebracht, als man schon Kochmaschinen aufstellte. Der echte Rauchfang bildet mit dem Mantelschornstein eine Einheit. Als vor einer Reihe von Jahren das Feuer in Glashütte bei Sachsenhausen einige Kolonistenhäuser zerstörte, ergaben die stehengebliebenen Mantelschornsteine ein interessantes und eigenartiges Bild.

Die Oefen in den Wohnstuben wurden früher aus Ziegeln oder schwarzen Kacheln errichtet. Nur selten noch finden sich Oefen mit verzierten Kacheln aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts. Wertvoll wäre es, festzustellen, wo noch Oefen vorkommen, die von der Küche aus geheizt werden.

Die alten Möbel sind fast überall von modernen Einrichtungen verdrängt worden. Höchstens finden sich noch ältere Eckschränke, Standuhren und Truhen. Das Oranienburger Heimatmuseum besitzt eine Truhe aus dem Jahre 1777. Leider enden viele schöne, teilweise bemalte Truhen als Futterkästen auf dem Boden oder im Stall.

Früher war es üblich, daß jeder Hofbesitzer ein bestimmtes „Hofzeichen“ hatte, mit dem er Vieh, Acker- und Fischereigeräte und auch die ausgelosten Ländereien kennzeichnete. Die Hofzeichen haben sich bis in die neueste Zeit hinein erhalten. Als Zeichen dienen einfache geometrische Figuren, Ackergeräte, Stern, Buchstaben und auch Zeichen, die große Aehnlichkeit mit Runen haben und vielleicht von ihnen abgeleitet sind. Die Hofzeichen haben sicher ein sehr hohes Alter. Wo finden sie sich heute noch im Kreise Niederbarnim?

In Schönerlinde befand sich früher in der Wand der Schmiede neben der Tür ein waagerechter Spalt, durch den die vom Felde heimkehrenden Knechte die stumpf gewordenen Flugschare steckten. Sie fielen dicht neben dem Herd auf den Boden. Waren sie geschärft, so wurden sie von den Knechten wieder abgeholt. Jeder erkannte sein Eigentum an dem auf der Flugschar angebrachten Hofzeichen. Das letztere befand sich auch an der Wohnung des Besitzers.

So wie die Hofzeichen vielfach verschwunden sind, so gehört auch der „Schulzenknüppel“ in vielen Dörfern der Vergangenheit an. Ursprünglich, in der Zeit, da nur wenige lesen und schreiben konnten, genügte der von Nachbar zu Nachbar weitergegebene „Schulzenknüppel“, um zu einer Dorfversammlung einzuladen. Später klemmte man den Ladungszettel in einen Spalt ein. Oft hat der „Knüppel“ eine künstlerische Ausgestaltung erfahren durch Schnitzereien und Nachbildung eines für das Dorf charakteristischen Gegenstandes oder Bauwerks. So hat man u. a. in Stolpe bei Angermünde den „Grütztopp", den alten Burgturm auf den Oderhöhen, als Schulzenknüppel nachgebildet.
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Quelle: "Heimat und Welt / Blätter zur Pflege des Heimatgedankens", Beilage zum Niederbarnimer Kreisblatt
Fundort: Staatsbibliothek zu Berlin - PK, Zeitungsabteilung im Westhafenspeicher, Signatur Ztg 1262 MR