Böse Zungen behaupten ja schon immer, dass früher [!] bei der Feuerwehr auch mal was getrunken wurde. Bisher fehlte uns dafür der Beweis, aber das Niederbarnimer Kreisblatt von 1874 klärt uns jetzt auf, dass da wirklich mal was in dieser Richtung vorgekommen ist.

Da war doch die ehrbare Feuerwehr unseres Nachbardorfes Eiche zu einem Feuerwehreinsatz nach Marzahn gerufen. Und obwohl sie, wie die Marzahner hinterher behaupteten, mit zu wenig Pferden vor der Spritze gemütlich auf dem Sommerweg angereist sind, waren sie zu erst an Ort und Stelle und wurden vom Landrat für ihr schnelles Eingreifen ausgezeichnet.

Das konnten die Marzahner natürlich innerlich nicht verkraften und haben nur die Gelegenheit abgewartet, daß die Eicher Kameraden mangels anderer Getränke ein paar winzige Schlucke von dem in Marzahn (trotz längst abgeschaffter Folter) üblichen "Spiritus mit Kümmel" probiert hatten.

Nachdem die ausgemergelten und vom "Spiritus mit Kümmel" gelähmten Eicher Feuerwehrleute beim Einpacken ihrer Gerätschaften (selbstverständlich versehentlich) ein paar umstehende Marzahner mit ihrer Feuerspritze bespritzt hatten, schlugen die Marzahner zu. Da die sich ja beim Löschen nicht so verausgabt hatten und dank zugereister Handwerker, denen man nachträglich die Schuld in die Schuhe schob, in der Überzahl waren, hieben sie beim Heimweg auf die braven Eicher ein.

Einige Eicher Kameraden hatten tagelang zu tun, ihre Beulen und Schrammen zu kurieren, die noch ärger schmerzten, als der "Spiritus mit Kümmel", mit dem die Marzahner offenbar die anständigen Eicher Feuerwehrleute vergiften wollten.

Das alles kann man im Niederbarnimer Kreisblatt nachlesen, wo in mehreren Nummern der übliche Rahmen der Kreisnachrichten durch Darstellungen und Gegendarstellungen weit überzogen wurde:


Ein tragisches Nachspiel zu dem am 21. d. M. auf dem Elsholz'schen Kossäthenhofe zu Marzahn ausgebrochenen Feuers entwickelte sich gegen Abend desselbigen Tages eine blutige Schlägerei, bei der, wie von verschiedener Seite versichert wird, selbst das Messer eine nicht unbedeutende Rolle spielte. Eine Thatsache, die in ihren Folgen um so beklagenswerter ist, daß abgesehen von dem sich immermehr verbreitenden demoralisierenden Einfluß der Messeraffairen - die Excesse hauptsächlich von Einwohnern des betreffenden Ortes ausgingen. Am übelsten bei dieser Rauferei ist die Dorfschaft Eiche gefahren. Es sind hier ca. 4 bis 5 Fälle von Verletzungen an Löschmannschaften zu constatiren, die je nach ihrer Art und Lage einen mehr oder weniger gefährlichen Character an sich tragen.
Selbst ältere Männer, die als friedliebende Einwohner bekannt, sind nicht ohne Contusionen davongekommen. Allem Anschein nach war der Streit kein zufälliger, sondern ein planmäßig gesuchter, in dem die Häupter der activen Parthei trotz ihres physischen Sieges über den mehr als zehnmal kleineren Feind leider des Kampfes Preis - "des Lorbeers" - verlustig gingen. Ohne Zweifel eine Niederlage, wenngleich nur eine moralische. ...

- In der bekannten Marzahner Prügel-Affaire wurden am dritten Pfingstfeiertage die gemißhandelten Eicher Löschungsmannschaften von dem Herrn Amtmann Muhr aus Hellersdorf zu Protocoll genommen und beschlossen, der Staatsanwaltschaft die Sache zur weiteren Verfolgung zu übergeben. In der That ein Entschluß, der seines Zweckes nur zu loben ist, um bei diesem Falle einmal ein Exampel zu statuiren, das Excesse ähnlicher Art in Zukunft verhüten dürfte.

Niederbarnimer Kreisblatt, Sonnabend, den 30. Mai 1874, No. 41, Aus dem Kreise [Seite 162]


Von dem Ortsvorstande zu Marzahn geht uns folgendes Schreiben zu:

"Zu dem, im nichtamtlichen Theil des Niederbarnimer Kreisblattes vom 30. Mai cr. stehenden Inserat über die Marzahner Prügel-Affaire bei dem am 21. desselben Monats stattgehabten Brande auf dem Elsholzschen Bauerngute daselbst diene dem, genanntes Blatt lesenden Publikum Nachstehendes zum besseren Verständniß, resp. zur richtigen Beurtheilung und Würdigung vorgenannten Artikels:
Der Wahrheit zur Ehre wird constatirt, daß sich leider am 21. Mai, Abends zwischen 9 und 10 Uhr eine hartnäckige Schlägerei am Ausgang des Dorfes auf der nach Landsberg führenden Chaussee entwickelte zwischen Löschmannschaften mehrerer benachbarter Ortschaften, unter ihnen auch Marzahner.
...
Es ist keinem ehrsamen Einwohner des Dorfes Marzahn eingefallen, an der Rauferei irgend einen activen Antheil zu nehmen, und wenn oben gesagt war, daß auch Marzahner unter der Raufgesellschaft waren, so gilt das von fremden hier im Dienste und Tagelohn stehenden, aber nicht ansässigen Personen.
...
Wenn nun die Mannschaft von Eiche am übelsten gefahren ist, so ist das eigentlich nicht zu verwundern; denn man könnte hier sagen: "Böse Saat trägt böse Früchte", und "Wie die Thaten, so der Lohn." Stundenlang vor der Schlägerei hat sich die Mehrzahl der Mannschaften genannten Ortes im Gasthause aufgehalten und hier gütlich gethan im bairischen Bier und - Spiritus mit Kümmel. Welche Wirkungen aber solche Erquickungen hervorgerufen haben, das können mehrere Einwohner Marzahn's bezeugen, welche diese Leute in ihrem Gebahren und den allgemein ausgestoßenen Drohungen beobachtet haben. Freilich mag der Mensch in einem solchen unzurechnungsfähigen Zustande nicht wissen, was er redet und thut. Jedenfalls sieht er seine eigenen Thaten im rosigen Lichte; die Thaten Anderer aber sind für ihn mit der schwärzesten Farbe gestrichen.

Sollten jene "älteren friedliebenden Männer", welche auch Contusionen davon getragen haben, wirklich so friedliebend sein, wie gerühmt wird? - Man sollte doch dann auch glauben müssen, daß sie den Ort der Rauferei gemieden und sich auf ihren Posten, zu ihren Feuergeräthschaften zurückgezogen hätten, falls sie Löschmannschaften waren; im andern Falle gilt von ihnen das Wort: "Wer sich muthwillig in Gefahr begibt, kommt darin um." - Was aber ihre gerühmte Friedliebe betrifft, so richten wir an die Betreffenden das Wort: "Sage mir, mit wem Du umgehst, so sage ich Dir, wer Du bist."

Der Einsender des erwähnten Inserats sagt: "Allem Anschein nach war also der Streit kein zufälliger, sondern ein planmäßig gesuchter". Wir stimmen ihm hierin vollkommen bei, nur mit dem Unterschiede, daß das Suchen nach einem Streitmotive nicht auf der Seite der Marzahner, sondern auf entgegengesetzter Seite geschah; denn die nach dem übermäßigen Trinken ausgestoßenen Drohungen der Löschmannschaften, wie auch das keineswegs unvorsichtige , sondern geradezu muthwillige Benetzen anständiger und ruhiger Bewohner des Ortes mit dem wirkenden Strahl der Feuerspritze, und noch manche andere Chicane, wo es des Einschreitens und der Zurechtweisung bedurfte, gaben hinreichend Zeugniß von dem aufgeregten und erhitzten Geblüt und somit auch von der Wahrheit unserer vorhin ausgesprochenen Behauptung. Die phrasenhafte moralische Niederlage, deren der Einsender erwähnt, dürfte somit sich jedenfalls mit der physischen vereinigen und beide dieselbe Parthei treffen.

Wenn Einsender als Nutzanwendung die Fabel vom Wolf, Fuchs und Kranich heranzieht, so gewinnt die Sache beinahe den Anschein, als kämen manche Ortschaften nur an Brandstätten aus eigennützigen Motiven, statt aus theilnehmender, helfender Liebe, wie es Christenmenschen geziemet. Wir aber denken, es heißt dabei: "Was Du willst, daß Dir die Leute thun sollen, das thue Du ihnen auch." Heichelt man aber bei solchen Liebesthaten nach dem besonderen Lohne, dann strebe man darnach, sich des Lohnes würdig zu machen, der von Seiten des Königlichen Landrathsamtes zur Prämiirung [!] festgesetzt ist, das ist dann wenigstens noch Loyalität. Zu solcher Würdigkeit gehört freilich ein anderer Eifer als der, den eine benachbarte Gemeinde dadurch entwickelte, daß sie mit zwei Pferden vor der Spritze im langsamen Trabe den Sommerweg der Chaussee daher gefahren kam, als bereits durch die eigene mit Lebensgefahr verbundene Bravour der Marzahner Einwohnerschaft das unglückselige Element besiegt und auf seinen Heerd [!] beschränkt war. ...

Es ist hier wohl auch am Orte, daß die Gemeinde Marzahn der Wahrheit zur Ehre nun auch den irrigen Zeitungsberichten entgegen tritt: den vereinten Anstrengungen benachbarter Ortschaften sei es gelungen, des Feuers Herr zu werden, ehe es sich weiter als auf die Elsholz'sche Scheune erstreckte. - Die Humanität der Gemeinde Marzahn hat den freilich falschen Ruhm der Zeitungen ihren Nachbarn gönnen wollen und darum bisher geschwiegen, wird aber durch das fragliche Inserat gleichsam herausgefordert, mit der Wahrheit an die Öffentlichkeit zu treten: Nicht fremde Hilfe ist es für diesmal gewesen, sondern einzig und allein die fast übermenschliche Kraftanstrengung der vom Unglück heimgesuchten Gemeinde, wodurch das tobende Element besiegt worden ist.
...
Die Einwohner Marzahns."

Niederbarnimer Kreisblatt, Mittwoch, den 17. Juni 1874, No. 46, Aus dem Kreise [Seite 182]


Von dem Ortsvorstande zu Eiche wird uns folgendes Schreiben zugesandt:

Als Erwiderung auf die am 17. d. M. im Niederbarnimer Kreisbl. erfolgte Gegenschrift betreffend den am 30. Mai cr. erstatteten Bericht über die am Tage des Brandunglücks im Dorfe Marzahn ausgebrochene Prügel-Affaire, möge vorbehaltlich der späteren Veröffentlichung des gerichtlichen Erkenntnisses, als erste und letzte Antwort Folgendes dienen:
...
Wie schwer die Contusionen in vielen Fällen waren, wollen die geehrten Leser daraus schließen, daß selbst heute noch der Schuhmachergeselle W. an den ihm mit einem scharfen Instrumente beigebrachten Kopfwunden zu leiden hat, während der Knecht K. an den Folgen der Mißhandlung lange Zeit Patient war und erst seit Kurzem den freien Gebrauch seiner Sprache wieder erlangte.
Außer den speciell angeführten Fällen von Verletzungen sind deren noch an 9 Löschmannschaften zu constatiren.
...
Um so mehr sehen wir uns, der Wahrheit zur Ehre, durch die Macht der Umstände getrieben, unter Hinweis auf die in Zukunft über diesen Fall von competenter Behörde getroffene Entscheidung - gegen die uns von Seiten der Marzahner Einwohnerschaft gemachten Beschuldigungen entschieden zu protestieren, indem wir erklären:

1) daß die Einsetzung des betreffenden Inserates keineswegs, wie die Gegenseite glaubt, ohne gründliche, gewissenhafte Information des wirklichen Thathergangs erfolgte. ...

2) daß der über den Verlauf der Rauferei erfolgte Bericht durchaus nicht, wie die Marzahner Einwohnerschaft annimmt, die leichtsinnige Aeußerung eines Einzelnen, sondern die besondere ausdrückliche Meinung aller Löschmannschaften, resp. der ganzen Gemeinde war;

3) daß das Verhalten der Einwohnerschaft Marzahn's zu der Schlägerei keineswegs durch das Auftreten einer Persönlichkeit zu charakterisiren ist. Es könnte dieser Vorfall höchstens ein treffendes Beispiel für das Wort bieten: "Wer sich in Gefahr begiebt, kann umkommen." Wir meinen, daß 10 bis 12 feindliche Fäuste den Arbeiter W. genug bearbeitet hatten, als ihn die energische Intervention des hiesigen Gemeindevorstehers K. aus den Händen seiner Angreifer befreite. ...

4) daß die Klassification der Einwohner in Besitzende und Nichtbesitzende unsere Behauptung hinsichtlich der Anstiftung des Excesses nicht aufhebt. Sind etwa die im Orte sich aufhaltenden Arbeiter und Dienstboten keine Marzahner, oder gehören diese einem anderen Continent an? ... Es soll uns herzlich freuen, wenn sich bei der gerichtlichen Untersuchung herausstellt, daß es keinem ehrsamen Einwohner des Dorfes M. eingefallen, an der Rauferei irgend welchen activen Antheil zu nehmen."

5) daß die den Eicher Löschmannschaften zugeführten Verwundungen nicht, wie irrthümlicherweise angegeben, eine Folge des Genusses spriritiöser [!] Getränke ec. sondern einzig und allein die sichtbaren Spuren strafbarer Handlungen durch Menschenhand sind, daß unser Ort allerdings keine Engel, aber lauter mit Vernunft begabte Wesen besitzt, folglicherweise auch die Löschmannschaften dieser Kategorie von Menschen angehören müssen. ...

6) daß das Suchen nach einem Streitmotive nicht auf Seiten der Eicher gelegen, widerlegt sich von selbst, wenn man bedenkt, daß es mehr als lächerlich wäre, wenn ein Häuflein von 13 Mann gegen eine ganze Dorfschaft in's Feld rücken wollte. Zum anderen sei bemerkt, daß alle Spritzen, außer der von Schönhausen und Eiche bereits vor der Schlägerei heimgekehrt waren.

7) daß die Einwohner Marzahn's unseres Wissens nicht die Authorisation besitzen, neue Fahrreglements zu geben. Wenn die Verdienste der Eicher Spritze im Protokoll besonders anerkannt und sie, als die erste an Ort und Stelle, die höchste Prämie erhielt, so sind das wohl die besten Beweise für die Entkräftung jener Beschuldigungen, wobei es natürlich ganz gleichgültig sein kann, ob die nach neuester Bauart construirte Spritze mit 2 oder 3 Pferden bespannt war;

8) daß der Sinn der von uns gemachten Nutzanwendung entschieden verdreht worden. ... - Wir sind durchaus keine Egoisten, am allerwenigsten haben wir für die dem Orte geleisteten Dienste speciellen Dank beansprucht. Mit Freuden gönnen wir Ihnen den Ruhm des Tages, wenngleich wir nicht umhin können, zu bemerken, "daß Eigenlob hinkt, aber fremdes Lob klingt;" "Das Werk lobt den Meister." Die Großthaten der Marzahner würden trotz der irrigen Zeitungsnachrichten ans Tageslicht gekommen sein;

9) daß unser Inserat nur gegen die Schuldigen und Messerhelden gerichtet war. ...
...
Die Einwohner von Eiche

Niederbarnimer Kreisblatt, Mittwoch, den 1. Juli 1874, No. 50, Aus dem Kreise

Wie das Ganze ausgegangen ist, haben wir noch nicht herausgefunden.
Aber inzwischen ist Gras über die Geschichte gewachsen und man grüßt sich schon wieder.

Ein Marzahner Berufs-Feuerwehrmann hat zwischenzeitlich sogar, wenn auch nicht in Eiche, so doch bei uns in Mehrow, Asyl gefunden und versucht hier die Schandtaten seiner ehemaligen Kollegen wettzumachen.