Johann Christian Adolf Wilcke, der von 1756 bis 1799 Pfarrer (Prediger) in Ahrensfelde und Mehrow war, ist von einem Zeitgenossen als ein hervorragender Obstbaumzüchter gepriesen wurde.
D. Johann Georg Krünitz widmet ihm in seinem 1793 erschienenen 61. Band der „Oekonomisch-technologischen Encyklopädie“ im Kapitel „Land-Pfarrer, Land-Prediger“ ab Seite 237 einen langen Abschnitt, in welchem dieser selbst zu Wort kommt.
Eingebettet in eine Beschreibung seiner persönlichen Situation und der Beweggründe für die von ihm angestellten Obstbaumveredlungen, erklärt er sehr ausführlich das Vorgehen beim „Copuliren und Oculiren“ von Obstbäumen. - Ja, „Kopulieren“ (lat. „copulare“ für „verbinden“) gibt es auch bei Pflanzen!

Wilckes Empfehlungen für das Kopulieren finden sich nachfolgend, der Rest des interessanten Beitrages ist unter „Menschen / Prediger Wilcke“ zu finden.

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Das Copuliren, ist von allen das beste, um Wildlinge bald in gerade und schöne Fruchtbäume zu verwandeln. Es gehört dazu eine Menge Baumwachs, selten daß 2 Pfund jährlich für mich zureichten; das muß man also selbst zubereiten, denn das aus den Apotheken ist zu spröde, und hat zu viel Harz. Man findet die Zubereitung fast in allen Gartenbüchern beschrieben, und man thut wohl, so viel man von Leinwand etwa täglich bestreichen will, etliche Tropfen Baumöhl darauf zu gießen, wodurch es noch geschmeidiger und anziehender wird; denn darauf kommt beym Copuliren sehr viel an. Das Anziehende läßt sich durch nichts ersetzen. Zu alte Leinwand taugt hierzu nicht; der Lappen reißt. Man kann also lieber etliche Ellen feinen Zwillich kaufen, oder man nimmt von alten Hemden, die aus Hausleinwand bereitet sind, das Haltbarste und Beste. Ich schneide mir davon Streifen, 1 ½ Fuß lang, und 6 Zoll breit, lasse das Baumwachs, in einer alten Theetasse, so zu 300 Lappen völlig zureicht, in der Röhre oder über Kohlen ganz flüssig werden, tröpfle 6 bis 7 Tropfen Baumöhl dazu, und sobald es wieder geronnen, nehme ich ein glattes Messer, bestreiche die zugeschnittenen Striemen von Leinwand, doch nie mehr, als man an Einem Tage zu verarbeiten im Stande ist; den folgenden Tag, oder wenn kalte regnichte Tage kommen, sind die Pflaster schon untauglich, die Sonne muß scheinen, die Bienen müssen ausfliegen und sich lustig machen. Ausgangs Februar, den ganzen März und April durch, kann man mit gutem Erfolg copuliren. Die zugeschnittenen bestrichenen Striemen schneidet man Mit der Schere zu 2 Zoll breite Lappen durch; jede 2 Zoll breite Strieme giebt 2 Copulir-Lappen, ungefähr nach dieser Figur [Zeichnung] von Ecke zu Ecke durchgeschnitten. Hierauf nehme ich in Bund abgeschnittene Enken (versteht sich: zu jede Linie von Zöglingen,) alle von einerley Sorte, mache mit den süßen Kirschen den Anfang; z. B. süße große Herz-Kirschen, nehme ein Körbchen, schneide so viel Enken als in 2 oder 3 Linien Bäume sind, entzwey, immer von 3 Augen, mehr nicht, im Nothfall, wenn sie fehlen, auch nur 2 Augen. 2 scharfe Federmesser, und einen kleinen Schleifstein, denn sie werden bald stumpf, gehe gegen 10 Uhr an meine Arbeit, klebe an einen jeden Wildling, die aber vorher schon von allen ihren gemachten unächten Zweigen, wie auch Augen, gereinigt sind, und zwar bey hellen Tagen anfangs Februar, mit einer scharfen guten Garten-Hippe, die Augen von oberwärts, die Zweige von unterwärts hart am Stämmchen, lieber etwas zu tief als zu wenig, mit der Rinde des Baumes immer ins gleiche, nur nicht abgeschält, aber behutsam; nehme hernach eins von meinen Pflastern, und gehe dann von Linie zu Linie, das Körbchen mit einem kleinen Haken versehen, nehme eine Enke, besetze den Wildling, ob er da eine glatte Stelle hat, wo sie sich wohl paßte; und wenn ich sie finde, so mache ich den Schnitt erst an der Enke, unter dem untersten Auge, aber ja auf der andern Seite, doch so, daß der Bau des Auges nicht verletzt oder gar getödtet wird, und eben so am Wildlinge, von eben der Länge, keilförmig und so glatt als immer möglich. (Um es bald zu einer solchen Fertigkeit zu bringen, daß man selten nur fehlschneidet, imaginire man sich eine lange irdene Tobakspfeife; und wenn man Enke und Wildling zuerst, wo eine glatte Stell ist, ansieht, denke man sich Pfeife oben, Pfeife mitten, Pfeife unten; selten, sehr selten wird man fehlschneiden, und augenblicklich treffen.) Dann lege man seine Enke auf den Wildling, so, daß Schnitt auf Schnitt, Rinde an Rinde genau paßt, lege den Copulir-Lappen mit der rechten Hand durch Daumen und Zeigefinger an, sehe ob es paßt, halte beydes mit dem linken Daumen und Zeigefinger nur unterwärts fest, schlage mit der rechten Hand den Lappen um, so daß es sich nicht verrückt. Man sieht ob alles noch ins gleiche ist, wohlbedächtig vorher noch genau nach. Ist dann der Umschlag geschehen, hält man mit der linken Hand immer noch fest, so kneift man nach hinten zu, gerade als ob man beydes, Baum und Enke zusammen in Eins bringen und verbinden wollte, recht fest den Lappen zusammen, so daß sich der größte Theil dann von selbst umlegt. (Auf den Kniff kommt das meiste an. Hat man am Daumen und Zeigefinger gute starke Nägel, [denn diese muß man während der Copulir-Zeit nicht beschneiden,] so geräth der Kniff oder das Anziehen der Enke desto besser.) Dann legt man den Lappen vollens ganz sacht herum; solchergestalt ist die Stelle vor Nachtfröste gedeckt, auch vor der Sonenhitze geschützt, und wird bald zusammen verbunden, so daß es binnen 2 bis 3 Jahren kaum sichtbar ist, wo der Schnitt gemacht war. Abricosen auf ordinaire Pflaumen copulirt, gerathen ungemein gut, und tragen viel reichlichere Früchte, als die auf Hunde-Pflaumen.
Das Pelzen auf starke Bäume. Man kann starke Bäume ansetzen, und solche auch am besten im zweyten Jahre, insonderheit schöne gerade Pflaumstämme, auch Kirschen durch das Copuliren fortbringen. Ich setze oft auf die einjährigen Triebe 6 bis 8 Enken. Hat man aber einen Baum, der schon eine etwas stärkere Krone, und der schon etliche Jahre gestanden hat, so pelzet man ihn lieber. Man säget die ganze Krone, davon uns die Frucht nicht gefällt, ab, aber da, wo er eine glatte Stelle hat, bereitet sich bis 4 Enken mit einem Absatz, auch unter das erste Auge, schneidet die Enke eben so keilmäßig und zugespitzt, als beym Copuliren, fährt ganz sacht mit dem Messer, wo der Absatz ist, herum, und zieht die obere Rinde von der Seite so weit der Schnitt geht, ab, (denn zwischen der grünen und obern Rinde circulirt der Saft,) nimmt ein spitziges glattes Holz, und macht eben so viele Einschnitte in die Rinde des Baumes, als man Enken darauf setzen will, sticht erst mit dem Pelzholze vor, und schiebt dann die Enke herein, (Abricosen und französische Pflaumen, auch Birnen, Kirschen, und Aepfel nehmen sehr gut an;) nimmt den mit Baumwachs geschmierten Pelzlappen, ½ Fuß lang und 1 ½ Z. breit, schlägt ihn um, aber recht fest angezogen, belegt oberwärts den Stamm, wenn der Lappen nicht übersteht, und hinlänglich deckt, noch mit etwas Baumwachs, so bekommt der Baum gleich eine schöne Krone, und trägt gewiß im 2ten oder 3ten Jahre die beliebten Früchte reichlich. Pfirsichen, Abricosen am Espalier, setzt man auf Hunde-Pflaumen ganz niedrig, oculiret sie auch lieber, wie allgemein bekannt, ist im Jul. und August. Auch kann man, was in der Baumschule an Birnen und Aepfeln durch Copuliren nicht fortgegangen ist, durch Oculiren ausbessern.
Zur Frühjahrszeit besuche man täglich alle seine Zöglinge. Kaum fangen die aufgesetzten Enken an zu treiben, so sind auch schon unsere Feinde da. Kleine Raupen, Spinnen, auch wohl Blattläuse finden sich ein; und Fliegen, die mit ihrem Stachel in die aufgebrochenen Knospen herein fahren, und den Saft heraus saugen. Wer also zu dieser Zeit saumselig ist, wird viel verlieren.
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Quelle: Google Books (http://books.google.de/RdcFRKVVcl0C)

Google läßt wirklich nicht unversucht, um den Leser bei solch schwerer Lektüre aufzuheitern. Auch bei diesem Buch hat sich der Herr oder die Dame am Scanner verewigt. Sicher war es schon spät am Abend, denn die Verhüterli auf den Fingern sind schon ganz durchgewetzt ...