Wenn man wieder mal einen Stapel Bilder zugesteckt bekommt und dann damit durchs Dorf zieht, um herauszubekommen, wer darauf abgebildet ist, geht oftmals das große Rätselraten los und bei drei Befragten hat man manchmal hinterher auch drei Namen für eine abgebildete Person.

Bei einem sind sich aber alle sofort einig, Gustav Micheel.
Und der große, kräftige Mann meist die Umstehenden überragt, sondern vor allem wohl, weil er dem Vernehmen nach als anständig und fleißig galt, allseits beliebt war und stets zur Stelle war, wenn er gebraucht wurde.

Letzteres zeigt sich auch in den Gemeindeakten: Gustav Micheel war viele Jahre in der Gemeindevertretung bzw. im Gemeinderat tätig, was damals zwei verschiedene Gremien waren. Bereits bei den Wahlen zur Gemeindevertretung 1957 wird der "werktätige Bauer" als langjähriger Gemeindevertreter ausgewiesen. Einige Jahre war er auch stellvertretender Bürgermeister - und das zu Zeiten, als die hauptamtlichen Bürgermeister häufig wechselten und einen Großteil ihrer Dienstzeit auf Schulungen verbrachten.

Da mußte er immer wieder als kommissarischer Bürgermeister einspringen, z. B. im August 1957, als Bürgermeister Platschik gehen mußte, im August 1959 (Bürgermeister Brunn krank) und von Februar bis Juni 1964 (Bürgermeister Schimansky auf Schulung).
Und nur selten gab es eine Vergütung, obwohl die von ihm vertretenen Bürgermeister hauptamtlich angestellt waren und Gehalt bekamen.


Gustav Micheel stammte ursprünglich aus der Ukraine, wo er am 6. August 1899 geboren wurde. Nach dem ersten Weltkrieg wurde seine Familie wie viele andere deutschstämmige Familien von dort vertrieben und kam nach Landsberg an der Warthe, von wo einige der heutigen Mehrower stammen.

Nach dem zweiten Weltkrieg erwischte ihn das gleiche Schicksal erneut - er wurde wieder vertrieben, diesmal aber schon mit eigener Familie: Frau Anna, Sohn Lothar und die Töchter Margarete, Irmgard und Inge.

Im Frühjahr 1946 kam er nach Mehrow, wo er mit seiner Familie zunächst Wohnraum in der ehemaligen Molkerei zugewiesen bekam. Später hat er dann schräg gegenüber das ehemalige Gutsverwalterhaus (jetzt Dorfstraße 11) gekauft, das doch etwas mehr Platz für die Familie bot.


An diesem Haus hat ihn wohl vor allem der 30m tiefe Brunnen gereizt, der ihm eine gewisse Unabhängigkeit versprach. Wenn man sich den ganzen Schlamassel mit der Wasserversorgung in Mehrow vor Augen hält, war das wohl eine sehr weise Entscheidung. Bis in die 80er Jahre war hier der eigene Brunnen keine Alternative zur Wasserleitung, sondern ersparte dem Besitzer die Benutzung des Gemeindebrunnens.
Obwohl politisch durchaus an der Seite derer, die den Sozialismus favorisierten, hat sich Gustav Micheel lange Zeit hartnäckig dagegen gesträubt, in die LPG einzutreten.

Als einen der Letzten konnte man ihn Ende der 50er Jahre "überzeugen".
In der LPG war er dann auf der MTS (Motoren- und Traktoren-Station) im Technikstützpunkt tätig und hat zugleich Waage und LPG-eigene Tankstelle betreut.

Bis 1975, also gut 10 Jahre über das Rentenalter hinaus, hat Gustav Micheel gearbeitet. Im April 1994 ist er 94-jährig gestorben. Seine 1901 geborene Frau Anna ist ihm bereits 1980 voraus gegangen. Beide sind auf dem "neuen" Mehrower Friedhof beerdigt.