Kirchenvisitation am 13. Mai 1866 durch Superintendent Siegel, gefunden im Geheimen Staatsarchiv unter GStA HA X Pr.Br. Rep 40 (Kurmärkisches Konsistorium) Nr. 1269, Blatt 26 bis 29 (...35)

Bericht über die am 13ten Mai
1866, in der Parochie Ahrensfelde
abgehaltene Kirchen Visitation
Prfr. Superintendent Siegel
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Nach zuvor ergangener vorschriftsmäßiger Bekanntmachung, fand heute die Kirchenvisitation in der Parochie Ahrensfelde Statt. Die Parochie besteht aus der Mater Ahrensfelde und den beiden filialen Hönow und Mehrow. Die beiden sind erst genannten sind landesherrlichen, die letztgenannte Gemeinde ist privat-patronats; Patron ist de Rittergutsbesitzer Heise. Ahrensfelde zählt 390, Hönow 443 und Mehrow 284 Seelen. Als Gehülfe des Superintendenten fungirte der Prediger Klamroth aus Neuenhagen. Die letzte Kirchenvisitation ist im Jahre 1857 durch den Superintendenten Kümmel abgehalten. Prediger der Parochie ist Friedrich Adolf Harmuth, 50 Jahre alt, seit 15 Jahren im Amte, und auf der gegenwärtigen Stelle.

Die Visitation begann in dem Filial Hönow, Morgens 7 Uhr. Sämtliche Mitglieder des Gemeinde-Kirchenraths waren gegenwärtig. Das Landesherrliche Patronat war durch den unterzeichneten Superintendenten schriftlich eingeladen, hatte aber keinen Vertreter geschickt. Die Kirche war im Ganzen gut besucht. Gesungen wurde zu Anfang das Lied: Allein Gott in der Höh sei Ehr. Es folgte dann die Liturgie bis zu Ende des Apostolicums, dann die 3 ersten Verse des Liedes: O du allersüß'ste Freude: hierauf die Predigt, über den vom
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Ephorus vorgeschriebenen Text. Hesekiel 36. V. 26 - 27: "und ich will Euch ein neues Herz" u.s.w., und dann das Altar Gebet und den Segen, ebenfalls von der Kanzel, worauf der eigentliche Gottesdienst mit den folgenden Versen des begonnenen Liedes schloß.

Der Gesang der Gemeinde war richtig aber etwas hart; die Liturgischen Chöre wurden sämtliche von der ganzen Gemeinde gesungen, eine Orgel fehlt leider. Der klar und verständlich vorgetragenen Predigt folgte die Gemeinde augenscheinlich aufmerksam. Unmittelbar an den Gottesdienst schloß sich die vorgeschriebene Katechisation, welche nach Vorschrift des Ephorus der Parochus über den dritten Artikel hielt, und zu welcher sich etwa 10 Confirmirte der 3 letzten Jahre und 13 Katechuminen eingefunden hatten. Der Artikel wurde in seinen Haupttheilen mit den Kindern durchsprochen, und es wurde dabei in erfreulicher Weise kund, daß die Kinder, das Ihnen seiner Zeit mitgetheilte im allgemeinen wohl gefaßt und gut behalten hatten.

Nachdem der Parochus etwa 20 Minuten katechisirt hatte, trat der Ephorus an seine Stelle, und sah es bei seiner Prüfung vorzugsweise darauf ab, zu erforschen, in wie weit die vor ihm stehende Jugend mit der Heil. Schrift, ihrer Eintheilung, und besonders mit den meßianischen Weissagungen
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des alten Testamentes bekannt sei. Der größere Theil zeigte sich damit recht wohl vertraut, und wußte auch eine Reihe von kürzeren und längeren Bibelstellen richtig herzusagen.

Nach der Katechisation hielt der Ephorus eine Ansprache an die Gemeinde, in welcher er auf die Bedeutung einer Kirchenvisitation hinwies, und die Gemeinde bat und ermahnte, aus derselben einen Anlaß zur gründlichen Prüfung des eigenen Herzens zu nehmen.

Hierauf richtete der Aßistent, nachdem zuvor der nicht verheirathete Theil der Gemeinde, zufolge der Aufforderung des Ephorus die Kirche verlassen hatte, ausgehend von 2. Corinth 1, - 24: "nicht daß wir Herren", u.s.w., eine Ansprache an die zurückgebliebenen Familienväter und Familienmütter, in welcher er denselben den Zweck seiner Anwesenheit aussprach, trat dann herunter vom Altar, und wandte sich an die Gemeinde mit Fragen über die Sonntagsfeier und Sonntagsheiligung, so wie überhaupt über das Christliche Leben in der Gemeinde und in den Familien, letzteres wegen der Kürze der Zeit nur nebenbei berührend, indem er ihr ernstlich an das Herz legte, auf das zu halten was einem Christen zieme. Die Gemeinde ging in erfreulicher Weise auf die Besprechung ein, und zeigte sich wohlgeneigt über das Besprochene nachzudenken, wie denn hier zugleich noch bemerkt wird, daß sich Gemeinde vom Anfange des Gottesdienstes bis zu Ende dieser Besprechung in decenter Weise, und wie es sich
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für eine solche Gelegenheit eignet, verhielt.

Nach einem Schlußgebet dem Segen und absingen des letzten Verses des begonnenen Liedes, verließ die Gemeinde die Kirche; während der Ephorus, die Gemeinde Kirchenraths Mitglieder noch zurückhielt, nachdem zuvor den übrigen gesagt war, daß, wer ihn noch traulich sprechen wolle, sich im Schullocal einfinden möchte. Der Gemeinde Kirchenrath hatte auf die Frage, ob derselbe Wünsche, Behufs Förderung der Seelsorge, oder zum Besten der Kirche, Pfarre und Schule vorzutragen habe, nur vorzutragen, daß die Gemeinde sehnlich eine Orgel wünsche inihre Kirche. Im Schullocal hat sich niemand eingefunden.

Der Ephorus begab sich so dann mit dem Aßistenten, und dem Parochus nach Ahrensfelde, wo der Gottesdienst 10 ¾ Uhr begann. Die Mitglieder des Gemeinde Kirchenraths, waren bis auf einen, der krank war, gegenwärtig. Das Patronat war nicht vertreten. Die Kirche war sehr gut besucht. Der Verlauf des Gottesdienstes war von Anfang bis zu Ende fast ganz wie in Hönow, und unterschied sich nur darin, daß ansprechender gesungen wurde, und zwar unter Orgelbegleitung; daß der Parochus mit den Confirmanden und Confirmirten, von denen etwa 25 von jeder categorie um den Altar standen mehr die Eigenschaften und die Wirkungen des Heiligen Geistes behandelte, wofür den Catechisirten schon ein Verständniß aufgegangen zu sein schien, und der Ephorus mit ihnen noch eine kurze

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Besprechung über das Gleichniß vom verlorenen Sohn hielt. Auch hier zeigten die Catechumenen und Confirmirten, daß es ihnen mit gewissenhafter Sorgfalt und nicht vergeblich gearbeitet war.
Bei der Besprechung mit den Familien Vätern und Müttern, ging der Aßistent, der die Besprechung führte, besonders auf das häusliche Leben, auf Hausandachten, Kinderzucht, und das Verhältnis zu den Dienstboten ein, wobei sich dann die Gemeinde lebhaft betheiligte. Besondere Anträge hatte weder die Gemeinde noch der Gemeinde Kirchenrath zu stellen.
Nachmittags bald nach 3 Uhr begann endlich der Gottesdienst in der Filia Mehrow. Einen Gemeinde Kichenrath gibt es hier nicht: Die beiden Kirchenvorsteher waren anwesend. Das Patronat war nicht vertreten. Der Kirchenbesuch war nach Umständen recht gut. Es wurde Lesegottesdienst gehalten. Der Gottesdienst begann mit Absingen der 4 ersten Verse des Liedes: Komm Tröster komm hernieder u.s.w. Der Küster und der Lehrer Schröder las eine Predigt über die Epistel des heutigen Sonntags, aus den Epistelpredigten des Norddeutschen Vereins in einfacher, deutlicher, verständlicher Weise, und als einer der verstand was er las, vor. Der Gesang war gut; die Orgel schlecht. Letztere bedarf der Stimmung und Reparatur.
Nach dem Gottesdienste hielt der Ephorus [?] eine Ansprache an die Gemeinde ähnlich wie in Hönow und Ahrensfelde, wo hingegen der Aßistent des Ephorus [?] auch hier die Besprechung mit der Gemeinde führte.
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Sonntagsheiligung, häusliches Leben, Hausandachten, Kinderzucht, die heilige Verpflichtung der Herrschaft gegen das Gesinde, kamen eingehend zur Sprache unter lebhafter Betheiligung der Gemeinde, und man dürfte wohl annehmen, daß die Besprechung nicht ganz verloren ist.
Auch hier hatte weder die Gemeinde noch der Vorstand etwas besonderes vorzutragen. Die Catechumenen und Confirmirten waren bereits in der mater Ahrensfelde mit geprüft worden. So viel über diesen Theil der Kirchenvisitation.
Im übrigen wird auf Grund der amtlichen Recherchen, und eigener Anschauung folgendes bemerkt; zur Charakteristik der Gemeinde:
Ahrensfelde hat den Charakter einer Bauerngemeinde alten Schlages, in Folge von Einheirathungen und Parzellirungen, nicht eingebüßt. Etliche Grundbesitzer aus der Hauptstadt und deren nächster Nähe, sondern sich besonders auch kirchlich ab. Die Bande zwischen den Herrschaften, und den zumal männlichen Dienstboten lockern sich mehr und mehr. Öftere Tanzvergnügungen befördern die Liederlichkeit unter den Knechten und das abendliche Herumschweifen der Jugend beiderlei Geschlechtes auf der Straße. Sonst zeichnet sich Ahrensfelde noch durch Einfachheit, Ehrbarkeit, Ordentlichkeit, Kirchlichkeit und Opferwilligkeit aus.
Mehrow hat eine unkirchliche Herrschaft mit zahlreichen Tagelöhnern, und daneben eine kleine bäuerliche Gemeinde. Es hat mit Ausnahme einiger Familien wenig Kirchlichkeit und wenig Sonntagsheiligung.
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Hönow hat noch das Gepräge einer alten Bauerngemeinde mit wohlhabenden stattlichen [?] Einwohnern, die aber auch nicht ohne einen Zug zur Weltfrömigkeit sind. Leider kommen hier zahlreiche uneheliche Geburten vor. Die Gutsherrschaft selbst giebt das Beispiel der Unkirchlichkeit, und duldet mancherlei schlechtes Volk unter ihren Arbeitern.
Ueber die Wirksamkeit des Gemeinde-Kirchenraths, Kirchenbesuch, Theilnahme am hl. Abendmahl etc. vergleiche man das in den statistischen Nachrichten bemerkte.
Tägliche Hausandachten sind leider nicht Sitte, doch findet hie und da noch Sonntags häusliche Erbauung statt. Gegen sichtbar Nothleidende wird Barmherzigkeit geübt. Besonderes Interesse für Mission, Gustav Adolf Stiftung etc. ist noch nicht hervorgetreten, doch sind die Sammlungen dafür nicht ohne Erfolg. Besondere Armenpflege ist wegen fehlender bitterer Armuth noch nicht nöthig geworden.
Milde Stiftungen sind nicht vorhanden. In betreffs der Kirchenzucht vergleiche man das in den statistischen Notizen vermerkte.
Das Verhältniß der Herrschaften und Dienstboten ist ein lockeres. Beide Theile suchen von einander den größt möglichen Nutzen zu ziehen.

Kirchenbücher
Die Kirchenbücher gehen bis 1695 zurück. Sie sind sauber gebunden, und sind von dem unterzeichneten Ephorus rividiert worden. Die Sponsalia zu den neuesten Kirchenbüchern sind vorhanden und geordnet. Die gesetzliche Ablieferung der Dublicate an das Gericht ist bescheinigt.
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Pfarr und Kirchenbücher Registratur
Die Akten werden in einem Repositorium aufbewahrt. Ein Register desselben ist vorhanden. Die werthvollen Akten sind geheftet, die anderen anderweitig geordnet. Ein vollständiges Repertorium ist vorhanden. Eine kleine Kirchenbibliothek ist vorhanden und katalogisirt.# Eine Chronik der Parochie wird nicht geführt. Die Amtsblätter sind gebunden. Das Lagerbuch ist im Conzept vorhanden.
# Krügers praxis pietetas melica befindet sich noch in Händen des ... Consitorialrathes Bachmann.
Sämtliche Amtshandlungen wird die Agende zu Grunde gelegt, und streng danach verfahren. Die privat Seelsorge des Geistlichen wird selten in Anspruch genommen. Bei Begräbnissen fungirt er in der Regel. Mit der Gemeinde steht er in gutem Vernehmen.

Küster
Der Küster von Ahrensfelde Domack befriedigt in seinen Leistungen. Bei den Lesegottesdiensten bedient er sich der Evangelien Predigten des Norddeutschen Vereins. In seinem häuslichen Leben läßt er sich nichts zu Schulden kommen. Der Schulbesuch ist im Ganzen gut.
Der Lehrer und Küster von Mehrow ist ebenfalls in seinen Leistungen befriedigend. Bei den Lesegottesdiensten bedient er sich der Epistelpredigten des Norddeutschen Vereins. Sein häusliches Leben entspricht seiner Stellung. Der Schulbesuch ist nicht ganz befriedigend.
Der Lehrer von Hönow Kühn befindet sich nur provisorisch in seiner Stellung, und es wird allgemein bedauert, daß er nicht darin bleibt.

Siegel. Superintd.