Im Brandenburgischen Landes-Hauptarchiv in Potsdam-Bornstedt findet sich unter Pr. Br. Rep. 2A II NB Nr. 1384 eine Akte bzgl. des Schulgebäudes und der Schulverwaltung in Mehrow, die den Zeitraum 1924 bis 1941 umfasst und sich fast ausschließlich mit dem Neubau eines Schweinestalles neben dem Schulgebäude befasst.
Im Jahre 1924 beabsichtigte das Rittergut Mehrow, die Schweinehaltung zu erweitern und dafür einen neuen, zusätzlichen Schweinestall zu errichten. Der sollte längs an den bereits existierenden Schweinestall auf dem ehemaligen Müllerschen Hof (jetzt Dorfstraße 5) angebaut werden und ca. 40 Zuchtsauen mit ihren Ferkeln, also insgesamt 200 bis 300 Schweine aufnehmen. Der Giebel diese neuen Schweinestalles sollte wie der des bereits bestehenden direkt an das Schulgrundstück grenzen.

Der Kreisschulinspektor hat im Dezember 1925 davon Kenntnis bekommen und mit ziemlich scharfen Worten bei der Regierung gegen dieses Bauvorhaben protestiert, weil die zu erwartende Geruchs- und Lärmbelästigung sicher dem Schulbetrieb abträglich sein würde. Er schreibt:

Man vergegenwärtige sich einmal das Geschrei und Gequieke von 2-300 Schweinen in unmittelbarer Nähe einer Schulklasse! Sodann muß auch aus gesundheitlichen Gründen schärfster Protest erhoben werden. Da der Wind in unserer Gegend erfahrungsgemäß fast immer aus Westen kommt, so würde er den ganzen Gestank ins Klassenzimmer treiben. Wie ich erfahren habe, ist vor einiger Zeit in Mehrow eine Baukommission gewesen und hat dem Projekt zugestimmt. Auch seitens der Kreisinstanz soll das Projekt genehmigt worden sein. Beides vermag ich weder zu glauben noch zu verstehen.

Eine Baugenehmigung war zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits mit der Begründung erteilt worden, dass Mehrow eine ländliche Gemeinde ist und deshalb lt. Bauordnung die Errichtung "störender Betriebe" keinen Einschränkungen unterliegt. Allerdings wurde die Baugenehmigung nur widerruflich erteilt, unter anderem verbunden mit der Auflage, zum Schulgelände hin eine 4 Meter hohe Mauer zu errichten.

Daraufhin fand im Januar 1925 ein Lokaltermin statt, bei dem die Beteiligten die Situation in Augenschein genommen und verschiedener Maßnahmen festgelegt haben, die dazu dienen sollten, die Beeinträchtigung des Schulbetriebes durch die Schweinehaltung so gering wie möglich zu halten. So wurde unter anderem festgelegt, dass die zum Schulgrundstück hin zu errichtende 4 Meter hohe Mauer erforderlichenfalls zu verlängern ist, dass Dung- und Jauchegruben anzulegen sind und dass die Schweine durch Zäune von dem bisher als Schweinesuhle benutzten Teich fernzuhalten sind.

Die trotzdem vom Mehrower Gemeinde- und Schulverbandsvorstehers Meißner geäußerten Bedenken sind in der Folgezeit vom Landrat immer wieder mit dem Hinweis auf die beschlossenen Maßnahmen abgewiegelt worden - erkennbaren Einfluss darauf, dass diese Maßnahmen auch umgesetzt werden, hat er jedoch nicht geleistet.

Ein noch weniger tauglicher Beitrag kam vom Kreisarzt, Dr. Hartwich, der Ende Januar 1925 die Regierung davon unterrichtet, dass er sich in Mehrow von der peinlichen Sauberkeit und der absoluten Ruhe in den Schweinezucht-Ställen überzeugen konnte. Um etwaige Beeinträchtigungen des Schulbetriebes gänzlich auszuschließen, hat er schließlich vorgeschlagen, die Schule zu verlegen.

Diesem Vorschlag hat sich der Landrat sofort angeschlossen, aber in seinem diesbezüglichen Schreiben an die Regierung anstandshalber wenigstens in einem Nebensatz erwähnt, dass die Kosten einer Verlegung der Schule vom Schulverband, also von Gemeinde und Gut gemeinsam, zu tragen wären.

Die Regierung ist aber auf diesen Vorschlag nicht eingegangen, sondern hat vielmehr darauf gedrungen, erst einmal die beschlossenen Maßnahmen umzusetzen und deren Wirksamkeit zu überprüfen.

Passiert ist allerdings zwei Jahre lang gar nichts, vielmehr hat der Landrat zwischenzeitlich (im Juni 1926) der Regierung auf Anfrage mitgeteilt, dass bisher keine Störung des Schulbetriebes eingetreten ist.

Im Februar 1927 hat dann aber der Kreisschulinspektor Hoppe Alarm geschlagen und erneut in einem Schreiben an die Regierung die "unglaublich skandalösen Zustände" auf dem Mehrower Schulgelände anprangert, die er sich als Schulinspektor in der "verrufenen Polackei" nicht einmal hätte träumen lassen. Bei seinem Besuch stand das gesamte Schulgelände unter Schweinejauche und nur weil diese gefroren war, konnte er überhaupt in die Schule gelangen. Er schließt seinen Brief mit den Worten:

Ich kann es mit meinem Gewissen nicht verantworten, daß durch solche „Schweinerei“ im wahrsten Sinne des Wortes, die Gesundheit von Schülern und Lehrern aufs Spiel gesetzt wird und habe deshalb den Lehrer angewiesen, bei eintretendem Tauwetter die Schule solange zu schließen, bis der Skandal beseitigt worden ist.

Die Regierung hat daraufhin sofort einen Ortstermin angesetzt und feststellen müssen, dass die vom Kreisschulrat geschilderten Verhältnisse tatsächlich vorliegen und keine der geforderten Maßnahmen durchgeführt wurden. Die entsprechende Verfügung ist nicht einmal vom Landrat an den Amtsdirektor weitergeleitet worden.
Das Bauamt hatte zwar einige Tage zuvor nach einer erneuten Beschwerde des Gemeindevorstehers eine Aufstellung gemacht, welche Veränderungen an der Kanalisation vorzunehmen sind, um eine Überflutung des Schulgeländes zu verhindern und eine Ableitung der Abwässer über den Dorfteich in Richtung Steinhöfelsee sicher zu stellen, aber davon war nichts geschehen.

Im März 1927 hat dann der Landrat der Regierung versichert, dass er alles nötige veranlasst hat, um die Missstände abzustellen und die polizeilichen Auflagen zu erfüllen.

Ein halbes Jahr später, im September 1927 hat der Landrat stolz verkündet, dass die geforderten Rohrlegungen ausgeführt wurden und dass er die Ausführung der vorzunehmenden "Restarbeiten" überwacht. Die Herren bei der Regierung waren nun aber schon so mit dem Vorgang vertraut, dass sie erkannten, dass mit den "Restarbeiten" die bei der Erteilung der Baugenehmigung geforderte 4 Meter hohe Mauer gemeint war und haben für deren Ausführung eine Frist gesetzt. Wie sich später zeigt, ohne jeden Erfolg.

Im Februar 1928 konnte der Kreisschulinspektor Hoppe zwar verkünden, dass das Schulgelände trocken ist, dies aber auch nur, weil der Schweinestall bereits längere Zeit nicht benutzt wurde.

Eineinhalb Jahre später, im September 1929, als der Schulrat Wolff Mehrow besuchte, war der Schweinestall wieder belegt und "der Aufenthalt auf dem Schulhof durch sehr starken Gestank fast ungenießbar". In seinem Bericht an die Regierung hat er außerdem darauf hingewiesen, dass die geforderte 4 Meter hohe Mauer immer noch nicht gebaut wurde.

Dann scheint wieder eine Weile nichts passiert zu sein, bis im Januar 1931 der Vorsitzende des Elternbeirates, Herr Pose, erneut auf die Missstände aufmerksam macht, vor allem darauf, dass "die widerlichsten Gerüche das Schulgrundstück überfluten". Die Forderung des Lehrers Grensing nach Errichtung der zugesagten Mauer wird unterstützt - dem vorherigen Lehrer Köppe, der sich dagegen ausgesprochen hatte wird bescheinigt, dass er "mitunter nicht das nötige Interesse für die Schule mitgebracht hat oder aber ihn Gründe anderer Art zu dieser Erklärung bestimmt haben." Im Klartext: Der war von der Gutsherrschaft gekauft ...

Daraufhin fand zwei Tage später eine Ortsbesichtigung durch das preußische Hochbauamt Niederbarnim-Teltow statt, an dem auch ein Vertreter des Landrates, der Amtsvorsteher, der Gemeinde- und Schulverbandsvorsteher und ein Vertreter der Gutsherrschaft teilnahmen. Der Vertreter des Landrates (Regierungsassessor Bläsing) wies darauf hin, dass die von der Gutsherrschaft geforderten Maßnahmen, insbesondere die Errichtung der 4 Meter hohen Mauer und der inneren Zäune, noch nicht ausgeführt wurden und nunmehr im Zwangswege durchgeführt werden könnten. Der Vertreter der Gutsherrschaft (Major Ruperti) erwiderte, dass das Gut bei der gegenwärtigen ungünstigen Wirtschaftslage die Kosten nicht aufbringen könne, aber bereit sei, die Schweine an einer anderen Stelle des Gutes unterzubringen. Die Anwesenden erklärten, dass in diesem Falle von allen weiteren Maßnahmen abgesehen werden könnte.

Damit hätte das Problem tatsächlich endgültig gelöst werden können - aber der misstrauische Leser wird nach dieser Vorgeschichte schon vermuten, dass es ganz anders kam. Statt sich mit dieser Ankündigung des Gutes zu begnügen und fortan darauf zu achten, dass diese auch eingehalten wird, holte der offenbar im Behördenschlaf gestörte Bauamtsvertreter zum Gegenschlag aus.

In einer dem Bericht angefügten persönlichen Stellungnahme verstieg er sich zunächst in der Vermutung, dass die Schule das Schulgrundstück kostenlos von der Gutsherrschaft erhalten habe und die Schule einfach am falschen Platze errichtet wurde, weshalb jede Härte bei der Durchsetzung der Forderungen zu vermeiden sei. Irgendwelche Gerüche hat er nicht wahrnehmen können, dafür hat er aber jede Menge schwerwiegender Mängel an den Gebäuden auf dem Schulgrundstück entdeckt, die unbedingt umgehend behoben werden müssen. So wurde das Schuldach, die Schornsteine, der Außenputz und der Innenanstrich des Schulgebäudes bemängelt und (sicher als Retourkutsche für den opponierenden Lehrer) beiläufig erwähnt, dass nur die Lehrerwohnung gründlichst instand gesetzt sei. Ärgste Beanstandung fanden beim Bauamt die Aborte der Schule, deren Beleuchtung und die Tatsache, dass zwar Knaben und Mädchen getrennte Aborte haben, aber dort ohne Trennwände nebeneinander sitzen müssen. Diese Missstände müssten unbedingt sofort beseitigt werden und der Schulvorstand sollte umgehend entsprechende Kostenanschläge beizubringen.

Damit hat das Hochbauamt und noch viel mehr der bisher schläfrige Landrat eine Punktlandung erzielt. Die Regierung in Potsdam, die bisher (wenn auch nicht übermäßig eifrig) bemüht war, die durch den Schweinestallbau verursachten Missstände zu beheben, verlor nun auch dieses Ansinnen aus den Augen und sah plötzlich die Beanstandungen des Bauamtes an der Bausubstanz der Schule als viel schwerwiegender an. Ob die Gutsherrschaft wie angekündigt tatsächlich die Schweinezucht verlegt, hat nunmehr in den Behörden niemand mehr interessiert.

Sechs Wochen später, Ende März 1931 hat der Gemeindevorsteher Meißner noch mal einen Vorstoß gewagt und sich mit einer Erwiderung auf den Bericht des Hochbauamtes an die Regierung gewandt. Bezüglich der Eigentumsverhältnisse hat er einleitend klargestellt, dass das Schulgrundstück keinesfalls ein Geschenk der Gutsherrschaft war, sondern seinerzeit [um 1860] auf Wunsch der Gutes gegen das bisherige Schulgrundstück [zwischen Kirche und Mühle] getauscht wurde. Außerdem stellte er klar, dass das Schulgrundstück bis zum Verkauf des Müllerschen Hofes im Jahre 1908 von Obstgärten umgeben war - es ist demnach nicht die Schule, sondern der Schweinestall an ungeeigneter Stelle errichtet worden. Des Weiteren reklamiert der Gemeindevorsteher, dass bisher weder die in der Baugenehmigung geforderten Maßnahmen ausgeführt wurden, noch die zuletzt versprochene Verlegung der Schweinezucht erfolgt ist. Er beschwert sich zugleich darüber, dass einerseits auf die angespannte wirtschaftliche Lage des Rittergutes Rücksicht genommen wird, aber andererseits von der Schule Ausgaben verlangt werden, welche diese nicht aufbringen kann. Er bittet im Namen der Gemeindevertretung darum, von der Forderung nach einem Neubau der Abortanlagen Abstand zu nehmen und verspricht, durch bauliche Maßnahmen (Trennwände, Oberlichter etc.) die Abort-Situation zu verbessern und die beanstandeten Schäden am Schulhaus beseitigen zu lassen.

Wie die Geschichte ausgegangen ist, wissen wir leider nicht, da die Akte mit diesem Schreiben endet. Es ist zu vermuten, dass nichts passiert ist. Die geforderte 4-Meter-Mauer ist wohl nie gebaut worden und ob die Aborte damals modernisiert wurden, wissen wir nicht. Es ist auch unbekannt, ob in Folge des Streites zwischen Schule und Gut jemals die Schweinezucht verlagert wurde. Sie ist wohl insgesamt herunter gefahren worden, was aber nicht auf Einsicht beruhte, sondern der wirtschaftlichen Situation geschuldet, denn in den 30er Jahren, nach dem Tod des Rittergutsbesitzers Max Bothe ging es mit dem Gut bergab.
Die "Akte betreffs des Schweinestallneubaus" zeigt doch aber recht deutlich die seinerzeitige Lagerbildung bei den Behörden. Da ist einerseits der Landrat, der alles unterlässt, was den Gutsbesitzer verärgern könnte und (wenn er denn überhaupt mal was unternimmt) Gutachten fabrizieren lässt, in denen Mehrow die reinste Idylle ist. Auf der anderen Seite stehen Schulräte und Schulinspektoren, die sich bemühen, den Gutsbesitzer in die Schranken zu weisen, um einen geregelten Schulbetrieb zu gewährleisten. Die Regierung sitzt zwischen den Stühlen und versucht mit mäßigem Engagement und ohne wirklichen Erfolg für Recht und Ordnung zu sorgen. Wann immer eine Schreckensmeldung aus Mehrow eintrifft, wird ein Ortstermin angesetzt, werden Berichte angefordert, Verordnungen erlassen und dann alles für ein Jahr auf Wiedervorlage gelegt. Beim Wiedervorlagetermin zeigt sich dann jedes Mal, dass nichts passiert ist und es entwickelt sich ein kurzzeitiger Papierkrieg, der die Akte bis zum nächsten Wiedervorlagetermin füllt.

Irgendwie kommt es einem vor, als hätte man so was schon mal selbst erlebt oder ähnliches gerade erst erzählt bekommen. Insofern ist die Akte ziemlich zeitlos und sicher nicht Mehrow-typisch. Dass wir sie trotzdem ziemlich gründlich durchgearbeitet und hier ausgebreitet haben, ist unter Anderem darin begründet, dass hier beiläufig. Fakten erwähnt werden, die uns bisher unbekannt waren oder für die uns bisher eine Bestätigung fehlte. Zum Beispiel:
  • Die Gutsherrschaft hat etwa 1860 den Tausch des Schulgrundstücks veranlasst, um auf dem alten Schulgrundstück (zwischen Mühle und Kirche) einen Eiskeller anlegen zu können.
  • Das Schulgebäude ist 1860/161 erbaut und 1892 zwecks Vergrößerung der Lehrerwohnung erweitert worden.
  • Bis 1908 standen rings um die Schule noch Obstbäume. Das jetzt noch existierende Stallgebäude (Dorfstraße 5), welches durch den inzwischen nicht mehr vorhandene Neubau erweitert wurde, ist also erst nach 1908 entstanden.
  • In der Flucht der Mauer zwischen Schule und ehemaligem Müllerschen Hof (etwa da, wo die 5 jüngst am Blumberger Weg entstandenen Grundstücke beginnen) stand ein Backofen.
  • Zwischen dem jetzigem Spielplatz und dem Dorfteich gibt oder gab es einen gewölbten Durchfluss unter dem Krummenseer Weg, der vermutlich sogar begehbar war.
  • Am südlichen Ende des Dorfteiches gab es in den 1920er Jahren bereits ein 75-Meter-Rohr unter der Dorfstraße, durch welches das Wasser zum Steinhövelsee abgeleitet wurde.
  • Kirchen- und Lehreramt sind 1927 noch verbunden, die Küsterei ist 1850 von der Mutterkirche in Ahrensfelde abgezweigt worden.
  • Es gab in den 1920er Jahren schon einen Elternbeirat, der sich für die Belange der Schüler eingesetzt hat. Der Vorsitzende war Herr Pose.
Und auch zum Schmunzeln hält die Akte was bereit.
So schreibt der Elternbeiratsvorsitzende, Herr Pose, am 18.1.1931 an den Schulrat:

"Es hat auch nicht vermieden werden können, dass Kinder beim Verlassen des Klassenzimmers Augenzeugen des Verkehrs zwischen Sauen und Eber wurden."

Unglaublich, welchen Anfechtungen die Kinder einst in Mehrow ausgesetzt waren ...