Bei Google haben wir in der Zeitschrift "Der Gesellschafter - Blätter für Geist und Herz" von 1826 einen sich über mehrere Blätter erstreckenden Bericht eines Reisenden gefunden, der in jenem Jahr mit der Postkutsche auf der jetzigen B 158 von Berlin nach Freienwalde und über die Oder weiter bis Soldin in der Neumark unterwegs war.
Der Reisende, Dan. Lehmann, ein vermeintlicher Schriftsteller, beschreibt darin die Fahrt­strecke und die während der Fahrt geführten Gespräche, die mitunter weit abschweiften und die Reisenden in ihren Gedanken ans Mittelmeer und bis nach Nordafrika versetzten. Diese Konversation ist zwar lesenswert, würde hier aber den Rahmen sprengen, weshalb wir uns im Wesentlichen auf die unseren Landstrich betreffenden Passagen beschränken:

Der Gesellschafter
Blätter für Geist und Herz

1826. Freitag den 22. Dezember. 203tes Blatt.
Redakteur und Herausgeber: F. W. Gubitz.
Verleger: Maurersche Buchhandlung.
Gefunden bei Google Books:
http://books.google.com/books?id=vVZEAAAAcAAJ

203. Blatt / Seite 1031
Zeitung der Ereignisse und Ansichten.

Reise-Berichte aus entfernten Ländern. Soldin in der Neumark, im Oktober 1826. - Die glückliche Reise, welche Sie mir, mein werther herausgebender Freund, bei unserem letzten Zusammentreffen in Berlin ans Herz gelegt haben, ist schönstentheils in Erfüllung gegangen; ich bin so angenehm gereist, als Sie es wollten, und befinde mich so frischgesund, als Sie es nur verlangen können. ...
203. Blatt / Seite 1032
... Mit den Klagen über die kahle Reizlosigkeit der Gegenden um unsre Hauptstadt verhält es sich eben so. Es ist nichts als ein arrogantes Vorurtheil. Keine Berge und keine Thäler! ... Und ist nicht das Steinpflaster in den Straßen unserer Städte der schönste Ersatz dieses so Vielfach beschriebenen Mangels, eine sächsische Schweiz im Kleinen, ein Alpenland in verjüngtem Maaßstabe, das alle drei Jahre von den Händen des Steinsetzers nach einem neuen Plane umgebildet wird? ...
... Die Chaussee nach Freienwalde ist vortreflich. Aber wozu? Wir gehen dem Zeitalter der Luftballons entgegen; wie lange wird es dauern, so macht man seine Ferien-Besuche in einem hochsegelnden Fahrzeuge, schreibt oben verschiedene erhabene Sonette und kommt seinen erwartenden Freunden zum Schornstein hereingefahren. Dann mögen die Kunststraßen sich noch so glatt hinziehen, oder das Chausseegeld noch so liberal herabgesetzt werden, wem liegt daran? ...
Meine Reisegesellschaft entwickelte sich sehr bald. Zwar war anfangs das Gespräch eben nicht sehr lebhaft, einzelne Bemerkungen über das Manöver, über die Universität Halle und über Ali Pascha verloren sich in der weiten Kutsche ...
... Die Stoppelfelder, der schlecht rasirte Stachelbart des Herbstes, führten das Gespräch auf das Getraide, das Getraide auf die Sommerhitze, die Sommerhitze auf ihr edelstes Erzeugniß, die beseligende Traube. Und so standen wir nach wenige Sprüngen an der Südküste Europas ...
204. Blatt / Seite 1035
... Arensfelde und Blumberg gingen unbeachtet vorüber; wir schwärmten in den Reis- und Dattelfeldern am Fuße des Atlas und hatten keinen Sinn für preußische Dörfer. ...
204. Blatt / Seite 1036
... und als ich gerade, trotz der gefährlichen Beduinen-Schwärme, unter besoldeter Begleitung von funfzehn Mamelucken mich auf den Weg nach Sennaar machen wollte, hielt der Wagen vor dem Posthause in Werneuchen still. Sämmtliche Mitglieder der Gesellschaft, bis auf ein Rehkalb und drei Hasen, stiegen aus, ...
In Werneuchen tritt man in das reinlichste Posthaus, welches auf der ganzen Straße von Berlin bis dorthin an zu treffen. Der Ort ist von bescheidener Größe, hat aber manche charakteristische Eigenthümlichkeit, und verdient in Topographien mit längerem Athem heraus gehoben zu werden. Abwechselndes Straßenpflaster und Milch vom schönsten Blau verkündigen die Nähe der Hauptstadt. Im Schulhause sangen die Jungen, und in einem sehenswerthen Entenpfuhle die Frösche. Nachdem ein altmodischer Gasthof in Flammen aufgegangen, sind drei neue Hotels empor gestiegen, welche dem Zeitgeiste mehr angemessen und dem Posthause als triumphirende Nebenbuhler gegenüber stehen. Die Gasttaxe versteigt sich freilich etwas höher, als im alten Wirthshause, dafür wird man aber auch langsamer bedient, und kann nach Allem fragen; auch sind verschiedene hübsche Mädchen d'rin angebracht, durch deren Zauber die Küche allmählig zum Conversations-Zimmer erhoben worden. Die Zeitungen werden hier wenig gelesen, denn man weiß in der Regel alle Neuigkeiten schon vorher; die Leute wundern sich über nichts mehr, jedes Kind ist in Berlin gewesen, und spricht vom Churfürsten auf der Brücke wie von seinem Herren Taufpathen. ...
205. Blatt / Seite 1040
Von Werneuchen nach Freienwalde fährt man durch eine Reihe von trefflichen Bemerkungen, die ein philosophischer Kopf ohne große Mühe machen konnte. ... Von Marokko und Egypten ereignete sich kein Wort weiter, vielmehr war die Gesellschaft aus dem entfernten Welttheile auf sich selbst zurück gekommen, und Jeder suchte unter der Hand hinter die Gründe zu gelangen, weshalb der Andre die schöne Hauptstadt Norddeutschlands verlassen habe. Diese Gründe machten sich in der That sehr mannigfaltig; von Berlin nach Freienwalde und weiter sitzt man nicht wie nach Charlottenburg mit gleichen Absichten auf dem Wagen. ...
Freienwalde liegt mit seinen krummen Straßen, die hin und wieder ordentlich nicht wissen, wo sie hinaus wollen, in einer fast romantischen Tiefgegend, geht nach der nahen Oder durch grasreiche Wiesen spazieren, und erlebt seinen erheblichsten Glanz jährlich am dritten August; an diesem Festtage Preußens strömts von allen Seiten herbei zu einem glänzend Ball, woselbst manche Ehe schon ihren Ursprung und manche ihre Endursachen gefunden. ... Die Stadt besitzt eine Heilquelle, weshalb die Sommergäste das Recht haben, sich Patienten nennen zu dürfen, einen Berggarten mit schätzbaren Alterthümern aus unserer Heidnische Ahnenzeit, und eine rechtgläubige Synagoge. Ueber das Bad schlage man den ersten beste Gesundbrunnen-Almanach für kranke Deutsche auf, über die Alterthümer belehrt Anton's „Slavisches Heidenthum“, über die Synagoge muß eine künftige Geschichte der nicht getauften Israeliten Auskunft geben. Die Kirche auf dem größten und einzigen Platze der Stadt ist in mittelgothischem Styl hingestellt, erinnert nicht ungefällig an die frommen fleißigen Zeiten ihrer Entstehung, und thut meines Erachtens sehr unrecht sich so blöde hinter ihrem Thurm versteckt zu halten; es ist traurig, wenn sich das Alter seiner ehrwürdigen Züge schämt. Der Gasthof zur Stadt Neapel, wo wir ein Unterkommen ausfindig machten, verdient seinen Namen; man glaubt wirklich, in der Nähe des Vesuvs zu seyn; es ist als wenn der Berg spukte, und durch seinen niederschlagenden Rauch die Einwohner in ängstlichem Respekt erhielte. Daraus läßt sich's vielleicht erklären, warum das Räucherfleisch daselbst von so besonderer Vortreflichkeit; überhaupt getrau' ich mir, den Durchreisenden die dortige Köchin zu empfehlen. ...
206. Blatt / Seite 1043
Nach einer Viertelstunde setzten wir über den westlichen Arm der Oder, welcher den Geographen der Gegend unter dem Name der alten Oder bekannt. Den großen Wagen schaffte eine Fahre hinüber, die beiden Beiwagen fuhren wegen Seichtigkeit des Wassers gradesweges hindurch. So etwas muß einen Fluß von Bedeutung ungemein kränken, ... Die neue Oder ist tiefer und breiter, auch sind die Fährleute dort schwerer aus den Betten zu holen. Erst auf vieles mörderisches Rufen kamen sie herbei gegähnt. Die Uebersetzung war angenehmer, als manche andere im Leipziger Meß-Catalog; man gleitet auf dem Wasserspiegel dahin, ohne es zu empfinden, und das Schnarchen der Schlafenden ist das einzige Geräusch, welches einen Schlummernden weckt. ...