Literatur zum Thema "1813 - Die Kosaken vor und in Berlin":

Vor fünfzig Jahren.

Nach den Aufzeichnungen von Augenzeugen und den
Stimmen jener Zeit.
Von
Friedrich Adami.
Berlin.
Verlag und Druck von F. Heinicke.
1863

Gefunden bei Google Books:
http://books.google.de/books?id=AJBBAAAAcAAJ

Titel  Vor fünfzig Jahren
Autor  Friedrich Adami
Verlag  Heinicke, 1863
Original von  Bayerische Staatsbibliothek
Digitalisiert  17. März 2010


Seite 267
9. Die Kosaken vor und in Berlin

Welch eine heftige Sehnsucht nach den Kosaken damals in der Hauptstadt geherrscht, wie Alt und Jung für die wildfremden Söhne der Steppe geschwärmt hat: das bezeugen unter andern Stimmen namhafter Zeitgenossen ...

Seite 270
Es war in den ersten Februartagen 1813, als die Franzosen in der Mark Brandenburg ihre erste blutige Begegnung mit den Kosaken hatten. Am 1. Februar war Davoust von Posen her in Landsberg an der Warthe eingerückt. Der stolze Marschall, der aus dem Feldzuge gen Rußland als Heerführer des ersten Corps mehr als 71,000 Mann unter seinem Commando gehabt hatte, befehligte jetzt nur ungefähr 1500 Streiter mit sechs Kanonen, und sein halbes Dutzend Geschütze hatte nicht einmal eigenes Gespann. Desto voller nahm er den Mund, indem er seine augenscheinliche Seitenbewegung zum Schutze des weiteren Rückzuges für ein allgemeines Vorrücken der französischen Armee ausschrie. Während seine 1500 Mann am 2. Februar in Landsberg rasten, eilt er nach Küstrin, verbietet dort den ferneren Durchmarsch preußischer Truppen durch die Festung, fordert herrisch eine Lieferung von 6000 Palissaden, 3000 Brettern und 1000 Stück starkes Bauholz aus den königlichen Forsten, läßt die Posten anhalten, die Passagiere scharf befragen und droht, wenn sie anders nicht mit der Sprache über das von den Russen Gesehene und Gehörte heraus wollen, ihnen die Zunge zu lösen durch Stockprügel auf den hier nicht zu nennenden aber von Davoust genannten Körpertheil. ...

Seite 272
Nachdem die Kosaken also am 5. Februar ihre Visiten-Karte für den Marschall Davoust in der Neumark abgegeben hatten, machten sie am 15. Februar Nachmittags nun auch in der Kurmark ihre Aufwartung. Zuerst erschien hier eine Patrouille von 5 Mann vor Wrietzen an der Oder, um nachzusehen, ob das Bataillon Westfalen, das auf seinem Marsche von Küstrin nach Stettin durch Wrietzen kommen sollte, noch nicht da sei. Sie ritten bei der Kunde von dessen Annäherung nach Zellin zurück. Abends um 6 Uhr trafen die 450 Mann Westfalen richtig in Wrietzen ein und nahmen Nachtquartier bei den Bürgern.

Am nächsten Morgen um die sechste Stunde wurden sie aus dem Schlafe geschreckt durch das Geschrei „Die Kosaken“. Der Major Konstantin von Benkendorf, der Führer von Tettenborns Vortrab, stand mit ungefähr 200 Kosaken vor Wrietzen. Er wollte ehe er zum Angriffe vorritt, erst Verstärkung abwarten und hatte vorläufig einen Zaun von Lanzen um die Stadt gepflanzt. Einige Bürger nehmen, während ihre aufgeschreckte Einquartierung aus den Häusern auf die Straße stürzt, die Gelegenheit wahr, sich aus der Stadt zu stehlen, um den Kosaken draußen einen guten Morgen in Gestalt voller Flaschen zu bringen. ...

Seite 278...279
Sehen wir nun weiter, wie der Oberst von Tettenborn auf Berlin vorrückt. Am 17. Februar Abends in Hirschfelde mit dem vom französischen General Poinsot zurückgedrängten Major von Benkendorf zusammengetroffen, läßt er Tags darauf von seinem Haupttrupp Kosaken abtraben, um bis Bernau und Alt-Landsberg zu streifen. In der letztgenannten Stadt des Regierungsbezirks Potsdam fanden die Kosaken (wie Prittwitz berichtet) 80 preußische Rekruten, die sich selbst über die Oder escortiren wollten; später sollen sie ihnen Gewehre gegeben und sie aufgefordert haben, mit ihnen zu ziehen. Jedenfalls verliefen sich diese Rekruten. Nahe bei Werneuchen, wo der General Poinsot seit gestern stand, kam es heute wieder zu einem Scharmützel und hier verlor Tettenborn einen seiner tapfersten Waffenfreunde, den Lieutenant Otto von Arnim, von dem er an Stein schrieb: „Sehr bedauere ich den Verlust eines Herrn von Arnim, der einst bei Schwarzenbergs Ulanen stand und jetzt bei mir als Volontair diente.“ Die Todesanzeige erschien erst 16 Tage nachher (zwei Tage nach dem Abmarsch der Franzosen aus Berlin) in der Spenerschen Zeitung. Sie lautet:
„Am 18. Februar, bei dem in der Gegend von Werneuchen stattgehabten Gefecht zwischen den russisch-kaiserlichen und alliirten Truppen blieb Otto von Arnim, aus dem Hause Suckow, durch eine Flintenkugel durch die Brust getroffen. Sein Tod war schnell und ohne Schmerz für ihn, und rühmlich für Ehre und Vaterland.“

Dies in den Berliner Zeitungen des Befreiungsjahres 1813 die erste Todesanzeige eines für sein Vaterland Gefallenen. Der Sohn eines der ältesten Adelsgeschlechter in der Mark Brandenburg war es, der als Freiwilliger in der fremden Schaar einer der Ersten den Heldentod auf der heimischen Erde starb, würdig seines Ahnherrn, jenes das Majorat Suckow stiftenden Georg Abraham von Arnim zu Boizenburg, der unter König Friedrich I. die damals von Marlborough gepriesenen brandenburgischen Truppen bei Turin, Oudenarde und Malplaquet mit zum Siege über die Franzosen geführt, nachher unter König Friedrich Wilhelm I. im Kampfe gegen Karl XII., den tollen Alexander des Nordens, sich den Schwarzen Adler-Orden erstritten hat und 1734 als königlich preußischer General-Feldmarschall, ein rüstiger Greis von 83 Jahren, gestorben ist. Der jenem ritterlichen Geschlecht entsprossene, am 18. Februar bei Werneuchen gefallene Otto von Arnim war schon einmal, vier Jahre vorher, dem Waffenrufe zur Befreiung Deutschlands gefolgt: im Frühjahre 1809, als Oestreich von Neuem den Schild gegen Napoleon erhob. Damals hatte er (er stand früher bei den ansbach-baireuthschen Husaren) sich in die Reihen Oestrichs gestellt und war dort Tettenborns Waffenfreund geworden. Ueber seinen Tod hier bei Werneuchen schreibt der damalige Husaren Lieutenant A. von Hobe (im Februar 1813 vom General von York zum Obersten von Tettenborn commandirt): „Es hatten sich in den Tagen vom 16. zum 17. Februar viele ehemalige preußische Offiziere beim Obersten von Tettenborn eingefunden, theils nur um ihn zu sprechen, theils um sich ihm als Freiwillige anzuschließen. Unter diesen waren die Lieutenants von Bornstedt, von Dobeneck (lebt in Berlin als General-Lieutenant a. D.), von Arnim (starb als Oberst a. D. in Crieven an der Oder), Nöldechen (mir unbekannt, wo er hingekommen), auch Otto von Arnim. Dieser war am 18., etwa um die Mittagsstunde zu den vordersten Kosaken geritten, welche mit Würzburger reitenden Jägern flankirten. Die Kosaken hatten fast durchgängig französische Infanteriegewehre übergehängt und bedienten sich ihrer beim Flankiren. Die Würzburger hatten Carabiner, und durch die Kugel eines solchen fiel Otto von Arnim. Als wir heran ritten, war er schon todt! - Es ist ein seltener Fall, daß beim Flankiren der Cavallerie gegen Cavallerie Jemand getroffen wird; ich habe dies stets für eine unglückliche Schickung angesehen. - Einem ältern Bruder des bei Werneuchen Gefallenen nahm später vor Lübeck eine französische Kanonenkugel in meiner Gegenwart den Kopf weg. Er commandirte das hanseatische Ulanen-Regiment und auf der Stelle wo er fiel, haben die Hanseaten ihm ein Denkmal errichtet.“

Otto von Arnim, dessen Leiche nach Werneuchen gebracht worden, ruht auf dem dortigen Kirchhofe. ...

Seite 281...282
... Am 18. Februar, als der Oberst von Tettenborn von Hirschfelde aus den Feind bei Werneuchen beschäftigte, ging der russische General Graf Tschernitscheff gegen Mittag bei Zellin über die Oder. Ein Alliirter von Rußland her, der Winterfrost, hatte ihm und seinen 2000 Pferden mit Balken von Eis die Brücke dazu gebaut. Wenige Stunden später, um 4 Uhr Nachmittags, brach das Eis, auf dem drei russische Regimenter (Kosaken, Dragoner und Husaren) nebst einigen Kanonen über die Oder marschirt waren; es hatte, schien es, nur eben noch die Landsleute des harten nordischen Winters hinüberlassen wollen.

Tschernitscheff übernachtete auf dem Schlosse des Grafen Itzenplitz in Cunersdorf; seine Reiter lagerten rings auf den Dörfern zwischen Wrietzen und Mögelin. Tags darauf, am 19. Februar gingen sie über Straußberg bis Herzfelde auf der Straße nach Berlin vor, die Kosaken immer an der Spitze. Der Marschall Augereau hatte von Berlin aus, wie nach Werneuchen hin, so einen zweiten Trupp durch das Frankfurter Thor bis Dahlwitz vorgeschoben. Zwischen diesem Detachement der Alliirten, wie die Franzosen sich nannten, und den feindlichen Truppen, wie die Franzosen (im Widerspruch mit den kosakenfreundlichen Berlinern) die Russen hießen, kam es wenige Meilen vor Berlin wieder zu einem jener kleinen Kriege, worin die verwegenen asiatischen Reiter unübertreffliche Heermeister waren, ihre kleinen Pferde die flinksten Gesellen, ihre langen Piken das geschickteste Werkeisen. Sie fingen wieder mehrere „Alliirte“ und entführten nebenher an 200 französische Remontepferde. Am 19. Februar Abends vereinigte Tschernitscheff sich in Alt-Landsberg mit dem von Hirschfelde herangezogenen Obersten von Tettenborn zur Ueberrumpelung Berlins. ...

Seite 285...294
Noch ein ächtes Zeugniß über den kriegerischen Hergang des 20. Februars, das genaueste von allen, geben die bisher ungedruckten Aufzeichnungen des damaligen Husaren-Lieutenants von Hobe (jetzt Landrath und Rittmeister a. D. in Dyrotz bei Nauen). Er war damals, nachdem er auf dem Rückzuge aus Rußland in Königsberg in Preußen krank gelegen, durch den General von York zum Obersten von Tettenborn commandirt er begleitete diesen von Soldin an. ... Wie der Lieutenant von Hobe von Moskau zurück nach Königsberg, von da zu dem Obersten von Tettenborn und mit ihm am 20. Februar nach Berlin gekommen ist - ein kurzer Auszug aus dessen eigenen Aufzeichnungen gebe uns davon authentische Kunde: ...

Am 16. [Februar? 1813] Abends ging ich im Auftrage Tettenborns nach Königsberg in der Neumark, um bei dem Ober-Jägermeister von Witzleben Nachrichten über das Schillsche Corps einzuholen, das nichts von sich hören ließ. Ich erfuhr dort nur, daß der Major von Schill noch weit ab in Pommern weile. (Erst Ende März ist er bei Hamburg mit seiner Cavallerie zum Tettenbornschen Corps gestoßen.) In der Nacht vom 17. zum 18. Februar traf ich wieder bei dem Obersten von Tettenborn in Hirschfelde ein. An diesem und dem folgenden Tage wurde auf den Vorposten wieder geplänkelt; am 19. Nachmittags sagte mir Tettenborn, daß nunmehr, nachdem auch der General von Tschernitscheff mit seinem Corps über die Oder gesetzt, beide Corps sich gegen Abend in aller Stille nach Alt-Landsberg hinschieben würden; ich möge ihn um 9 Uhr zum Abendessen dort aufsuchen: er habe einen Auftrag für mich. Als es schon dunkel geworden, die Vorposten für die Nacht ausgestellt (vor der Gielsdorf und Blumenthaler Haide, Front gegen Werneuchen), auch viele Feuer angemacht waren, marschirten beide Corps über Wiesenthal nach Alt-Landsberg ab; nur einige Pulks Kosaken ließen wir hinter uns. Sie hatten den Befehl, die Feuer die ganze Nacht über brennend zu erhalten; der Feind bei Werneuchen sollte über unsern Abmarsch getäuscht werden und in der Meinung bleiben, sämmtliche Russen lägen ihm gegenüber im Bivouac. Beide Corps bestanden zumeist aus Kosaken; es mögen zusammen 16 bis 20 Pulks gewesen sein. Doch waren sie nicht stark, und die Stärke der Pulks verschieden; mehr als etwa 1800 betrug deren Gesammtheit nicht. Außer den Kosaken waren noch 2 Escadrons vom Isumschen Husaren-Regiment (etwa 200 Pferde) da, ebenso viel Dragoner (Kasansche, wenn ich mich recht erinnere) und an Artillerie 2 Geschütze reitender Artillerie, dazu zwei Kosaken-Kanonen.

In Folge des erhaltenen Befehls stellte ich mich am 19., Abends 9 Uhr, in Alt-Landsberg ein. Dort, im Hause des damaligen Hofpredigers, traf ich den General Tschernitscheff und den Obersten Tettenborn in einem Gewühle von Offizieren und andern, mir unbekannten Personen, so daß es wohl eine Stunde dauerte, bis wir uns zu Tische setzten, etwa zwölf Personen. Beide Corps-Chefs befragten mich über meine Kenntniß von der Gegend und sagten mir: wie es die Absicht sei, die Franzosen in Berlin zu überrumpeln. Man wisse, daß der Marschall Augereau mit etwa 12,000 Mann Infanterie und nicht gerade geringer Artillerie, aber mit sehr wenig Cavallerie die Hauptstadt besetzt halte. Es liege zu Tage, daß die beiden russischen Corps, nur aus Cavallerie und vier Kanonen bestehend, den Franzosen nichts anhaben könnten; aber man habe vertraute Personen in Berlin, und nach den Mittheilungen, welche diese gemacht, sei anzunehmen, daß die Bewohner der Stadt sich gegen die Besatzung erheben würden, so bald sich nur Kosaken zeigten. Mit sämmtlicher Cavallerie der beiden Corps in die Stadt einzufallen, erscheine nicht rathsam; man müsse die Möglichkeit im Auge behalten, daß das von uns umgangene französische Corps bei Werneuchen von unserm Vorrücken Kunde bekäme und sich dann auf Berlin zurückzöge. Für diesen Fall müsse man bereit sein, diesen Feind auf- und von Berlin abzuhalten. Morgen (am 20.) früh 7 Uhr solle von Alt-Landsberg aufgebrochen werden; Kosaken-Patrouillen seien bereits gegen Werneuchen und gegen Berlin bis Biesdorf, Marzahn und Ahrensfelde hin entsendet; sie hätten theils schon Meldungen gemacht, daß kein Feind angetroffen wäre; theils würden sie noch mit ihren Meldungen erwartet. Im Zusammenhang mit diesem Plane wurde ich beauftragt, sogleich mit einem Commando von 50 Kosaken von Alt-Landsberg abzugehen; ein mir dazu überwiesener Unteroffizier von den Isumschen Husaren, der deutsch und russisch sprach, sollte mir als Dolmetscher dienen. Etwa bei Hönow sollte ich auf der Straße nach Berlin eine Feldwache etabliren, mit Vorposten gegen Marzahn und Kaulsdorf, und dort die Nacht über bleiben, aber kleine Patrouillen entsenden in der Richtung auf Eiche, Marzahn, Mehrow und die von Berlin nach Frankfurt führende Straße. Morgens um 6 Uhr etwa sollte ich dann mit gehöriger Vorsicht aufbrechen und zwar nach Malchow zu, sollte mich dort, Front gegen Berlin, postiren, die Dörfer Heinersdorf, Weißensee und Hohen-Schönhausen beobachten und an dieser Stelle unser Corps oder weitere Befehle erwarten. Bis dahin sollte ich von Zeit zu Zeit durch einzelne Kosaken den beiden Führern melden lassen: ob irgend etwas Verdächtiges vorgekommen, auch Niemanden nach der Gegend von Berlin hin durchlassen.

Die Nacht über passirte weiter nichts, als daß ein Reiter, der ganz allein von Berlin her kam, von dem Vorposten angehalten und mir zugeführt wurde. Es war der Kammerherr von Podewils; er wollte zum Grafen Tschernitscheff, er kannte ihn schon aus der Zeit, als dieser noch in Berlin der russischen Gesandtschaft attachirt war. Durch einen Kosaken ließ ich ihn nach Alt-Landsberg geleiten. (Früher nicht Soldat, hat Podewils den General Tschernitscheff während des Krieges von 1813 und 14 begleitet; nach dem Frieden stand er als Major bei der preußischen Garde du Corps und starb vor mehreren Jahren als General a. D. Verheirathet mit einer Baroneß von der Recke, bewohnte er lange das bekannte von der Reckesche Haus in der Leipziger Straße. Er war ohne Zweifel einer von denen, welche damals von Berlin aus mit Tschernitscheff in Verbindung standen.)

Es mochte etwa 6  Uhr Morgens sein, als wir am 20. Februar, nach Einziehung der Vedetten und Patrouillen in der Richtung auf Malchow, aufbrachen. Dort im Kruge des Dorfes, wohin ich mit einigen Kosaken geritten, um eine Tasse Kaffee zu suchen, überraschten wir zwei Würzburger reitende Jäger beim harmlosen Frühstücke; nichts ahnend, hatten sie ihre Pferde draußen vor der Schenke angebunden. Sie ergaben sich ohne Widerstand; sie waren, wie sie aussagten, von Berlin abgeschickt, um zu erkunden, ob sich etwa Kosaken hätten blicken lassen, oder ob vielleicht von Werneuchen her durch Landleute Neuigkeiten hier herum ruchbar geworden. Dafür mußten sie jetzt erzählen, was es in Berlin Neues gäbe, und wurden dann als Gefangene den anrückenden russischen Corps entgegen geschickt. Freilich nicht, ohne daß die Kosaken sie erst rein ausgeplündert hatten. Nackt ausgezogen hätten sie sie, wäre ich nicht dazwischen getreten; denn darin verfuhren die Kosaken abscheulich.

Um zehn Uhr etwa trafen Tschernitscheff und Tettenborn mit ihren Corps bei Malchow ein. Es waren die 2 Escadrons Isumsche Husaren, die zwei Escadrons Kasansche Dragoner, die zwei Kanonen von der reitenden Artillerie und ein paar Pulks Kosaken. Eine Stunde später waren sie zwischen Weißensee und Berlin aufmarschirt, Front gegen die Stadt, aber in mehr als Kanonenschuß-Weite von derselben ab. Kleine Detachements von Kosaken waren schon auf dem Hermarsche abgetrabt, um die Gegend nach Werneuchen hin zu beobachten, andere wurden jetzt entsendet, um scharf auf die Stadt und besonders deren Thore auf der rechten Seite der Spree zu merken. Die zwei Geschütze der Kosaken setzten sich gegen das Bernauer Thor (jetzt Königs-Thor) in Bewegung; der General von Tschernitscheff und der Oberst von Tettenborn, in deren Gefolge ich mich befand, nahmen an der Spitze von etwa zwei- bis dreihundert Kosaken die Richtung auf das Schönhauser Thor. Die zwei Kanonen der Kosaken führte der Hauptmann von Blomberg, früher in preußischen Diensten, jetzt bei der russisch-deutschen Legion und commandirt als Adjutant bei Tschernitscheff. Er hatte den Auftrag, das Bernauer Thor einzuschießen und dann mit den Kosaken, welche seinen Kanonen als Bedeckung beigegeben waren, wo möglich in das Thor hineinzusprengen.

Als die Kosaken gegen das Schönhauser Thor hin sich, ohne vom Feinde etwas gewahr zu werden, so weit vorgeschoben hatten, daß sie nur noch knappe hundert Schritte davon entfernt waren, setzten wir uns in ein rascheres Tempo, fanden das Thor weit geöffnet (durch wen, weiß ich nicht) und jagten in dasselbe hinein. Es ging die Schönhauserstraße entlang bis zur Münzstraße und, links in diese einbiegend, bis zum Alexander-Platz. Hier wurden wir vom französischen Gewehrfeuer begrüßt, und es ging nun eben so rasch zurück; dabei waren Tschernitscheff und Tettenborn natürlich nicht vorn, sondern ziemlich hinten, und die Kosaken, jetzt die Vordersten, versäumten es, rechts in die Schönhauserstraße einzubiegen, dahin, woher sie gekommen. Sie jagten vielmehr in der Münzstraße geradeaus fort, während Tschernitscheff und Tettenborn mit ihrem Gefolge an der Ecke der Münzstraße die Schönhauserstraße einschlugen und so wieder zum Schönhauser Thor hinaus gelangten. Mit ihnen nur eine sehr geringe Zahl Kosaken. Die übrigen, die Münzstraße verfolgend und dann nicht wissend, wohin sich wenden, um wieder aus der Stadt zu kommen, zerstreuten sich natürlich in Berlin. Daß sie da nicht zum großen Theil gefangen worden sind, ist unzweifelhaft auch den ihnen als Wegweiser dienenden Berlinern zu danken.

Augenscheinlich bezweckten Tschernitscheff und Tettenborn, die Aufmerksamkeit der Franzosen durch Blomberg und seine zwei Kanonen auf das Bernauer Thor zu lenken, während sie den Alexander-Platz durch Ueberraschung nehmen wollten, in der festen Erwartung, es würde dann ganz Berlin gegen die Franzosen losbrechen, wie ihnen dies durch ihre dortigen Vertrauenspersonen eingeredet sein mochte. Nichts berechtigt zu der Vermuthung, als sei man planlos in die Stadt hineingesprengt: die Zerstreuung der Kosaken in der Stadt für eine absichtliche anzusehen, wäre eine widersinnige, bei einem Militär unverantwortliche Ansicht.

Wir hatten nach dem Rückritt vom Alexander-Platze etwa zehn Minuten am Schönhauser Thore gehalten als die Meldung kam, der Hauptmann von Blomberg sei am Bernauer Thore gefallen. Tschernitscheff theilte dies seiner Umgebung so mit: das Bernauer Thor habe sich bewegt, und da habe Hauptmann von Blomberg geglaubt, es werde für ihn geöffnet. Er sei also mit Kosaken heran gesprengt, sei aber aus dem offenen Thore, dem Wachthause und eben so aus dem Hause des Steuer-Einnehmers mit Gewehrfeuer empfangen worden, worauf man ihn, zwei Kosaken und einige Pferde habe zusammenstürzen sehen. Die einige Stunden später erfolgten Erörterungen haben auf das Bestimmteste herausgestellt, daß der Hauptmann von Blomberg dicht am Bernauer Thore, außerhalb desselben, erschossen und vom Pferde gefallen ist. - Freilich sind die Kosaken dort schlechte Kanoniere gewesen: sie bedienten ihre zwei Geschütze sehr unbeholfen und mühten sich vergeblich ab, das Thor zu treffen.