Diese Überschrift müßte eigentlich mit zwei dicken Fragezeichen versehen sein:
  • Wein ? Sollte sowas wirklich hier mal gewachsen sein und konnte man das trinken ?
  • Berg ? Außer den "Mehrower Alpen", die jüngeren Datums und bestimmt nicht zum Weinanbau geeignet sind, gibt es hier keine Berge ...
Aber, es ist urkundlich verbürgt, daß es in Mehrow mal einen Weinberg gab:
Im "Historischen Ortslexikon für Brandenburg" von 1980 ist unter "Mehrow" für das Jahr 1690 ausgeführt:

1690: Vormals 8 B, jetzt nur 3 vorhanden (davon 1 Schulze),
      Acker ist halb bewachsen, die Hofstätten liegen wüst;
      Rittersitz mit 4 Hf;
      3 Felder mit Hf zu 7 bis 8 Schf Saat, geringe Hütung;
      von v.Britzke angelegter Weinberg ist wieder eingegangen,
      die Ziegelscheune auf einem wüsten Hof vor 3 Jahren wieder
      aufgegeben.

Also: Weinbau war vor ein paar Jahrhunderten auch in unserer Gegend nicht ganz ungewöhnlich. Die Zisterzienser, die im 12./13. Jahrhundert aus Frankreich in die Mark Brandenburg kamen, sollen den Weinbau hier eingeführt haben.

Nicht nur aus Berlin ("Weinbergsweg" oder "Hinter dem Weinberg", jetzt "Choriner Straße") sind uns Straßennamen bekannt, die auf früheren Weinbau schließen lassen, auch in der Stadt Brandenburg, in Kleinmachnow ("Am Weinberg") und in vielen anderen Städten Brandenburgs sind solche zu finden.

Über die Qualität des berlinisch/brandenburgischen Weines war und ist man sehr geteilter Meinung.

Über einen in Berlin angebauten Wein hat man angeblich gesagt:

»Wenn man davon een eenzijes Achtel über die Fahne jießt,
so zieht sich det janze Rejiment zusammen«


(Den nannte man dann »Fahnen-Wein«).
Und über eine andere Sorte (den sogenannten »Schul-Wein«) hat man gelästert:

»Diese Droppen sind ein sicheres Mittel,
die nich wißbejierigen Kinderkens in de Schule zu jagen,
indem man ihnen die Alternatiefe stellt,
entweder ihre Pflicht zu tun oder zu trinken.«

Und der Spruch, daß man sich nach Genuß des Weines nachts im Bett drehen soll, damit der kein Loch in die Magenwand frißt, hat bestimmt auch nicht gefehlt.

Wann und warum der Weinbau so massiv zurück gegangen ist, kann man nicht so genau festmachen. Viele Autoren machen die andauernd kalten Winter in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts dafür verantwortlich, in der "Landeskunde der Mark Brandenburg" von 1910 werden aber auch anderer Gründe aufgezeigt:

     Der Verfall des märkischen Weinbaus ist wie ähnliche Probleme nordeuropäischer Kulturgeographie oft aus klimatischen Ursachen erklärt worden. Aber die viel angeführten Winter des frühen 18. Jahrhunderts, deren Gedächtnis sich natürlich der Tradition besonders aufdrängte, dürften doch wohl nur vorübergehende Schäden gemacht haben, und ein durchgreifender Klimawechsel konnte sich in dem kurzen Zeitraum zwischen Blühen und Welken der Kultur schwerlich vollziehen.

     Der Ausgang war von langer Hand vorbereitet durch zwei ganz wirtschaftliche Veränderungen, eine in den Bedürfnissen des Kunsums und eine in den Voraussetzungen der Produktion selbst. Die erste machte den Wein neben Bier, Branntwein und Kolonialgetränken zur Delikatesse, die das Inland nicht herzustellen vermochte, die andere brachte den Weinbau schlechthin um die Rentabilität, auf der seine Stellung im Landbau beruhte. ... Einmal war die Handhabung der Kultur sehr verwildert. Die einzelnen Arten wurden nicht genügend unterschieden, die Kelterung war unsauber, mit Stengeln und Kernen. Gute Weinmeister waren schwer aufzutreiben und auch nur von den größeren Privatbesitzern gesucht. ... Zu zweit verteuerten sich die Betriebsmittel erheblich, das Stangenholz zu den Pfählen so gut wie der Dünger. Endlich aber verschlechterte sich der Boden als Weinland an und für sich; wie man meinte, vornehmlich durch den vordringenden Obst- und Gemüsebau.

Auf jeden Fall war der Weinbau in Brandenburg nicht von heute auf morgen passé, sondern, wie wir gleich erfahren werden, auch am Ende des 18. Jahrhunderts noch ein nennenswerter Erwerbszweig:

Der liebe F.W.A. Bratring, der vor 200 Jahren so ziemlich über alles Statistik geführt hat, hat uns in seiner "Statistisch-topographischen Beschreibung der Mark Brandenburg" von 1805 natürlich auch eine Statistik des Weinanbaus mit folgender Einleitung hinterlassen:

Der Weinbau war unter den Hohenzollernschen Fürsten, im 15. Jahrhundert in der Kurmark in großem Flor, und gehörte zu den nicht ganz unbeträchtlichen Nahrungszweigen. Auch scheint der Wein edler gewesen zu seyn; denn er wurde an der Kurfürstlichen Tafel getrunken. Allein durch Vernachlässigung der Kultur, kalte Winter und durch das Allgemeinerwerden des Ackerbaus ist er so sehr gesunken, daß er jetzt größtenteils zum Möstrich und Essig gewonnen zu werden scheint. Dennoch giebt es auch Ausnahmen. Da schon verschiedene Data von älteren Jahren bekannt gemacht sind, so will ich hier nur einige neuere nachholen:


Mit Wein besetzt Gewonnen Werth an Gelde
Jahre.
Morgen. Q-R. Faß a 200 Quart. Quart. Rthlr. Gr. Pf.
1781 Städte
Land
1649
704
167
130 1/2
1080
639
175 1/2
68 1/3
14344
7071
1
18
9
--
Summe 2334 117 1720 43 5/6 21415 19 4
1794 Städte
Land
1406
394
98
75
432
275
126
75
6718
2598
13
10
8
--
Summe 1800 173 708 1 9316 23 8
1801 Städte
Land
1331 3/4
698 1/2
---
---
435
413
85
95
---
---
--
--
--
--
Summe 2030 1/4 --- 848 180 --- -- --
Nach dieser Tabelle war das Jahr 1781 das weinreichste. Es werden rothe und weiße Weine gewonnen, die von guten Jahren in einem gewissen Alter genießbare Tischweine abgeben.

Soviel Allgemeines zum Thema Weinanbau in der Mark Brandenburg - denn Spezielles zu Mehrow können wir bisher leider nicht bieten, ausgenommen das einleitende Zitat aus dem "Historischen Ortslexikon".

Etwas wissen wir aber von den Britzkes zu berichten, die den Weinberg hier angelegt haben. Bei den Britzkes handelte es sich um ein Adelsgeschlecht aus dem Teltow, das in Britz (jetzt Ortsteil des Berliner Stadtbezirks Neukölln) seinen Sitz hatte.


Fidicins "Geschichte des Nieder-Barnim" weist in den Besitzstandstabelle
  • 1550 "Britzke zu Britz" als Inhaber der gutsherrlichen Rechte in Mehrow und für
  • 1650 "v. Britzke" als Besitzer des Rittergutes Mehrow mit 4 Hufen aus.
In der dazwischen liegenden Zeit ist demnach Mehrow zum Rittergut geworden. Nach dem "Historischen Ortslexikon" hatte "v. Britzke zu Britz (Teltow)" die gutsherrlichen Rechte in Mehrow (mit Ausnahme der Dienste) von vor 1513 bis 1700 - also fast zweihundert Jahre!

Der Abgang der Britzkes hier in Mehrow und an ihrem eigentlichen Sitz in Britz sieht sehr nach dem aus, was man heutzutage "Pleite machen" nennt. Etwa zeitgleich zum hiesigen Besitzerwechsel haben die Bitzkes auch Schloß Britz mit allem Drum und Dran veräußert, wie man unter www.dorfkircheberlinbritz.de in einem Beitrag von Herbert Fätkenheuer in der Festschrift "600 Jahre Britz" von 1975 lesen kann:

Um 1699 veräußerte die Familie Britzke, nachdem sie fast ein halbes Jahrtausend im Dorfe [Britz] ansässig gewesen war, ihren Besitz an den kurfürstlichen Kammerpräsidenten von Chwalkowsky. Das Geschlecht, das im Wappen 3 Pfeile führte, ist dann im 18. Jahrhundert ausgestorben (v. Ledebur, Adelslexikon der preußischen Monarchie).

Nicht viel gesprächiger ist das Bezirksamt Neukölln unter www.berlin.de

SCHLOSS BRITZ - DIE PERLE DES BEZIRKES
Das einstige Gutshaus der Britzkes stammt in seinem mittleren Teil aus dem 15. Jahrhundert. Nach einem Brand erweiterte 1547 Georg von Britzke das massive Sockelgeschoss nach zwei Seiten und baute es in Lehmfachwerkbauweise wieder auf.


Unter www.neukoelln-online.de steht in der "Chronik und Geschichte Neuköllns" unter 1699 ganz lapidar:

"Nach fast 500 Jahren Ansässigkeit in Britz verkauft die Familie "Britzke" (Britzig) ihre Besitzungen".

Zum Schloß Britz heißt es dort nur

"Das einstige Gutshaus der Britzkes stammt in seinem mittleren Teil aus dem 15. Jahrhundert."

Das hat das Schloß eigentlich nicht verdient, wie dieses Bild zeigt, das uns Familie Hein (Foto-Hein Mehrow) von einem Aufnahmetermin mitgebracht hat.
Wer sich dort mal umschauen will: Schloß Britz, Alt Britz 73, 12359 Berlin, Tel.: 606 60 51