Erster Abschnitt.
Die Regierung des Kurfürsten Georg Wilhelm. |
Das Land und das Volk standen zu der Tragödie in einer ganz besonderen, eigenthümlichen Beziehung. Beim Beginn des Krieges war das Land blühend, die Bevölkerung wohlhabend; beide wären damals fähig gewesen, Opfer zu bringen und Anstrengungen zu erdulden, wenn die mächtigen Stände zur rechten Zeit der gefesselten Landesherrschaft Bewilligungen gemacht hätten. In der zweiten Hälfte und gegen das Ende des Kampfes waren die, durch die lange und grosse Noth mürbe gewordenen Stände geneigter, wie zuvor, durch Bewilligungen dem Kurfürsten beizuspringen. Jetzt aber, als sie sich nachgiebiger bewiesen, konnte ihr guter Wille der Regierung nichts fruchten, weil das Land verödet und ruinirt, weil die Bevölkerung verwildert und verarmt, oder davongelaufen war. Dass diese Behauptung nicht übertrieben sei, ergiebt sich daraus, dass nach angestellten Berechnungen allein Waldstein während seines Aufenthalts in den brandenburgischen Kurlanden zwanzig Millionen Goldgulden erpresst habe. Nachdem die brandenburgischen Festungen im Sommer 1631 den Schweden eingeräumt worden waren, litt abermals das Land auf unerhörte Weise durch die Verheerungen der Soldateska, zu denen sich überdies noch eine mörderische Epidemie gesellte. Die Felder blieben grossentheils unbebaut, weil aller Muth dahin war, und im Havelland gab es Gegenden, wo im Umkreis mehrerer Meilen alle Dörfer niedergebrannt und von Menschen und Vieh völlig verlassen waren. Berlin selbst war schon im J. 1627 so entvölkert, dass das Spandauer und Stralauer Thor, aus Mangel an Bürgern, die die Bewachung hätten übernehmen können, gesperrt werden mussten. Im Jahre 1630 wurden 777, im Jahre 1631 sogar 2066 Menschen durch die Seuche hinweggerafft; im J. 1637 standen 168 Häuser ganz leer, davon 40 in Folge der Verwüstungen, welche die Pest angerichtet hatte, und ausserdem waren 30 Häuser von blutarmen Wittwen bewohnt. Noch grösser war die Noth im J. 1639, also kurz vor dem Tode Georg Wilhelm's. |
Zweiter Abschnitt. Der dreissigjährige Krieg und dessen Beziehungen zum brandenburgisch-preussischen Staate. |
Der mittlere Theil des Staates aber, die Mark Brandenburg, war unterdessen den furchtbaren Wechselfällen des grossem Deutschen oder dreissigjährigen Krieges fast während der ganzen Dauer desselben ununterbrochen ausgesetzt. Gleich nach dem Ausbruche der böhmischen Unruhen begannen die Durchmärsche fremder Truppen durch die Mark; - der darauf folgende dänische Krieg berührte ganz vorzüglich diese Gegenden; - und der schwedisch-deutsche Krieg vernichtete vollends den Rest von Behaglichkeit, Wohlstand und Sittlichkeit, welcher der brandenburgischen Bevölkerung bis dahin verblieben war. Kaum hatte Georg Wilhelm die Regierung angetreten, als, noch ehe der dreissigjährige Krieg den Gegenden Norddeutschland's seine Schrecken zeigte, die Mark Brandenburg durch mancherlei Unglück heimgesucht wurde. Bereits im Sommer des Jahres 1619, in der Nacht vom elften auf den zwölften Julius, liess sich ein Erdbeben in Begleitung eines so furchtbaren Sturmes verspüren, dass die Stadtmauern Tangermünde's an etlichen Orten einfielen, das starke Kirchenmauerwerk aus einander barst, die Gräber einsanken und die Keller sich mit Wasser füllten; - in der Erndtezeit trat ein so unaufhörlicher Landregen ein, dass alles Gewässer aufschwoll und das Getreide zum grossen Theil verdarb. Eine natürliche Folge davon war, dass im Herbst eine sehr bösartige rothe Ruhr um sich griff, und eine grosse Menge von Bewohnern aus allen Ständen dahinraffte. |
§.1. Die böhmisch-pfälzischen Unruhen
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... Diese Stimmung wurde sehr bald noch weit ungünstiger, da die Fremdlinge so schlechte Mannszucht hielten, dass, um den häufig vorkommenden Räubereien und den blutigen Gefechten, die sie selbst unter einander lieferten, ein Ende zu machen, der Obrist Grey mehrere derselben in Eisen mit sich herumzuführen und anderen abschreckendes Exampel zu statuiren sich genöthigt sah; zudem verbreitete eine in den Reihen dieser Leute wüthende Seuche, die allein zur Fortschaffung der Kranken die Stellung von sechszig [?] Wagen nothwendig machte, allgemeinen Schrecken. Kein Wunder daher, dass, als am 30. Junius [1620] diese Schaaren aus ihrem Nachtquartiere Spandau aufbrachen, um neben der Hauptstadt vorbeimarschirend, an demselben Tage in Tempelhof und in den benachbarten Dörfern zu übernachten, die gesammte Bevölkerung von Berlin und Cöln, eine Ueberrumpelung befürchtend, in Aufruhr gerieth. Die Lärmtrommel lies sich auf allen Strassen hören, die Bürger bewaffneten sich mit Musketen, die alten Doppelhaken wurden hervorgesucht, die Thore besetzt, und das Schiessen und Toben nahm erst mit dem Abend ein Ende, als man sah, dass der Haufen ruhig gen Köpenick vorüberzog. ... |
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[1622/23] Während aller dieser Ereignisse befand sich Kurfürst Georg Wilhelm in der traurigsten Lage. Gleich bei dem Ausbruche der böhmischen Unruhen liess er zwar durch das, von dem Obristen Isaak v. Kracht angeworbene, tausend Mann starke Regiment die Gränze besetzen, und daneben errichtete er, zur Beschirmung des Landes, noch eine Art von Miliz; allein die erstgenannte Mannschaft war zu schwach, um den beabsichtigten Zweck erreichen zu können, - und von der Disciplin der Miliz war schon deshalb wenig zu erwarten, weil sie keinen regelmässigen Sold empfing, vielmehr durch Betteln ihren Unterhalt erwerben musste. Ausserdem waren diese Anstalten nur vorübergehender Art, da die Stände sich nicht geneigt bewiesen, auf grössere Zeiträume die nöthigen Summen zu bewilligen. ... |
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... Um nicht noch Schmerzlicheres zugestehen zu müssen, trat Georg Wilhelm auf dem im J. 1623 zu Jüterbock abgehaltenen obersächsischen Kreistage den Beschlüssen Kursachsens und der übrigen Fürsten bei: zur Beschützung des Kreises einige bewaffnete Mannschaft zusammenzubringen. Aus Mangel an Mitteln mussten diese Truppen aber schon im folgenden Jahre wieder entlassen werden. Mithin war die Mark Brandenburg so gut wie wehrlos beim Ausbruche des dänischen Krieges. |
§. 2. Der dänisch-niedersächsische Krieg. Das Restitutionsedict und der Lübecker Frieden.
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... Innerhalb dieses Zeitraumes [bis zum Lübecker Frieden 1629] sind es vorzüglich die Jahre 1626, 1627, 1628, während welcher die Marken durch Freund und Feind auf das unerhörteste ausgesogen, verwüstet und heruntergebracht wurden. |
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... erhielten schon im Anfange des Jahres 1626 der Graf von Mansfeld und der General von Fuchs vom Dänenkönig den Auftrag, den Friedländer, der bei der Dessauer Brücke eine Schanze aufgeworfen hatte, von der Elbe zu vertreiben. Der Mansfelder brach schon im Frühjahr von Lübeck aus gen Süden auf und befand sich am Ende dieses Monats sammt Fuchs an den nördlichen Grenzen der Mark. ... |
[März 1626] ... Die Mansfeldischen Schaaren hauseten nicht weniger gewaltsam in der Mittelmark [als General Fuchs in der Altmark]; - während der wenigen Monate ihres Aufenthalts in derselben mussten ihnen, nach den Angaben des Geschichtsschreibers Loccelius, 233 Wispel Roggen, 860 (?) Wispel Gerste und Hafer, 5040 Tonnen Bier, 5000 Ochsen und 300 Hammel geliefert werden. |
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[1626] ... Bei dieser Gelegenheit nun hauseten die Flüchtlinge [Reste der Mansfeldischen Truppen] so furchtbar in der Mittelmark, dass der Kurfürst Georg Wilhelm sich bewogen fand, die Bürger und die Bauern gegen sie aufbieten und die Ritter gegen sie aufsitzen zu lassen. Die Stadt Nauen im Havellande ward damals, weil die Bürger sich weigerten, die Mansfeldische Soldateska bei sich aufzunehmen, gänzlich niedergebrannt, - überdies wurden viele Orte in der Umgegend geplündert, verwüstet und in Asche gelegt. Endlich, mit dem Beginn des Sommers, wandte sich Mansfeld, ... bis auf 15,000 M. wieder verstärkt, über Frankfurt an der Oder nach Schlesien. |
[1626] ... Es war unstreitig ein glücklicher Umstand für die brandenburgischen Lande, dass Waldstein, um nicht die Verbindung mit Tilly aufzugeben, anfangs bei Dessau stehen blieb und nicht sofort den mansfeldischen Truppen in die Mark nachrückte. ... In der That musste auch dem Herzoge von Friedland, ehe derselbe über Jüterbock und Beeskow, sodann südlich über Cottbus dem Feinde nach Schlesien nachzog, brandenburgischer Seits Unterhalt für 40,000 Mann geliefert werden. |
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Als nun solchergestalt die Mittelmark von den Dänen geräumt war, wurde im Sommer 1626 auch die Altmark dieselben los. |
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Gleich nach der Schlacht bei Lutter am Barenberge [16. August 1626] zog sich ein Theil des fliehenden dänischen Heeres in die Altmark, und besetzte darauf, die Elbe überschreitend, einen Theil der Mittelmark und die Priegnitz. Herzog Georg von Braunschweig-Lüneburg, der auf kaiserliche Seite getreten war, folgte nach. ...
[1627]... Zugleich wurde der, damals in kaiserlichen Diensten stehende Obrist v. Arnim von dem noch in Schlesien verweilenden Waldstein nach der Mark Brandenburg abgeordnet, und die dortigen Oderpässe zu besetzen und sich mit dem Herzoge Georg in Verbindung zu setzen befehligt. |
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[1627]... Waldstein selbst aber, ..., überschritt mit dem Hauptheere, von Schlesien kommend, die Gränzen der Kurmark, besetzte Frankfurt an der Oder, belegte selbst Berlin, trotz der Vorstellungen des Statthalters, mit Besatzung, und breitete darauf seine gesammte Soldateska über das Land aus. Damals zwar, hiess es, sollte das Heer nur durchmarschiren; aber die Märsche gingen so planmässig langsam vor sich, und während derselben wurden so übermässige Lieferungen ausgeschrieben, so unerhörte Contributionen gefordert, dass Land und Bevölkerung auf's furchtbarste litten. |
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[August 1627] Von nun an war das gesammte brandenburgische Gebiet in den Händen Tilly's und Waldstein's, die bald darauf mit vereinigten Streitkräften vorrückten, Mecklenburg einnahmen, und durch Verfolgung des dänischen Heeres bis in die jütische Halbinsel noch im Herbst desselben Jahres die letzte Spur des dänisch-niedersächsischen Bündnisses vernichteten.
... Nachdem die Marken schon im Junius, Julius und August 1627 durch die Durchmärsche und Brandschatzungen der Kaiserlichen bedeutend gelitten hatten, erschien ... schon im Spätherbst desselben Jahrs (6. Novemb.) ein Abgeordneter Waldstein's ... am Hoflager zu Cöln an der Spree, um dem Statthalter Markgraf Sigismund einfach anzuzeigen: dass die kaiserlichen Völker sich genötigt sähen, im brandenburgischen Gebiete die Winterquartiere zu beziehen und dass dieselben in dieser Absicht bereits heranrückten. ... |
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[1627] ... Furchtbar hausete der Obrist Hebron in der Mittelmark; Brandenburg, Rathenau, Treuenbrietzen, Belitz, Spandau, Potsdam, Nauen und die Umgegend mussten ihm jeden Monat 7700 Gulden an baarem Gelde liefern. ... |
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... Unter dem Friedländer wurde es noch weit schlimmer, als bisher. Zwar liess der Kurfürst im December 1627 die bittersten Klagen über denselben an den Kaiser gelangen; er stellte vor: die Mark erliege unter der Masse der Einquartierung, die weit stärker sei, als die ursprüngliche Anweisung besage; - die ausgeschriebenen Contributionen seien durchaus unerschwinglich, die Eintreibung aber der zur Unterhaltung der brandenburgischen Garnisonen bestimmten Summen werde von den kaiserlichen Generalen verhindert; - in Folge ihrer gänzlichen Verarmung liefen überall die Bürger fort, wie denn allein in Altbrandenburg gegen 500 verwüstete Wohnungen zu finden wären. Wie aber das Gewerbe der Städte, so liege nicht weniger der Ackerbau gänzlich danieder, weil fast überall den Bauern ihre Pferde und auch das übrige Vieh gewaltsam genommen, die Häuser niedergebrannt und die Felder verwüstet würden. Alle diese Klagen blieben durchaus ohne Erfolg, - und denselben durch Waffen Nachdruck zu geben, dazu fehlte die Macht. |
... Die kaiserlichen und ligistischen Völker verblieben nach wie vor in den Marken, und brachten es an den Rand des Abgrunds. ... |
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§. 3. Das Einschreiten der Krone Schweden vom Auftreten Gustav Adolph's bis zu seinem Tode. p. 93.
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[Georg Wilhelm im Herbst 1629 in einem an die Schullehrer in Berlin erlassenen Rescript:] "Wir haben die schwere Kriegslast auf dem Halse, darunter der meiste Haufen im Lande heftig gepresst und gequeitscht wird, ja ihrer auch viel den Bettelstab ergreifen, und mit Weib und Kind in's Elend gehen müssen; derer zu geschweigen, die gar in Demperation [?] darüber gerathen und Hand an sich selbsten gelegt haben. - Wie viel ehrlichen biedern Leuten sind Weib und Kind durch Gewalt verunehrt worden ? - Es ist des Hin- und Her-Ziehens des Soldatens kein Ende, mit unsäglichem Schaden des Landes, und habt Ihr ja nur selbst gesehen, wie es zugeht, wo dergleichen Leute herkommen. - Abscheuliche und sehr giftige Seuchen haben sich hin und wieder im Lande verspüren lassen, die Residenzien sind auch noch heute davon nicht gründlich befreit. - Ihr seht, was für geschwinde theure Zeit zu befürchten, da ihrer noch viele Hungers halben über die, so allbereits im vorigen Jahre dergestalt darauf gingen, befallen [?] und verschmachten dürften. - Die unerträglichen Geld-Exactiones der Kriegsleute hören auch gar nicht auf; ja man kann de Uebels un der Plagen vom Kriege und andern Landstrafen kein Ende absehen, ..." |
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Dass ... die Mark Brandenburg sofort bei der Eröffnung des neuen Feldzuges [von Gustav Adolph] der Schauplatz kriegerischer Bewegungen und das Verpflegungs-Magazin der siegreichen Partei werden musste, ist gerade nicht schwer einzusehen. In der That ist ... Frühling und Sommer des Jahrs 1631, ..., die Mark Brandenburg aber fast mehr, als sonst jemals, nach allen Seiten hin in ein offenes Feldlager verwandelt worden. ... |
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Tilly, ergrimmt durch die Bewältigung so vieler mit kaiserlichen Besatzungen versehenen Plätze [Demmin, Loitz, Neubrandenburg und Malchin], unternahm auf die dieserhalb ihm mitgeteilte Kunde einen furchtbaren Rachezug durch die Mark Brandenburg nach Meklenburg. ... |
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Es war Ende April's 1631, als Gustav Adolph von Crossen über Frankfurt gen Berlin rückte, und am ersten Mai langte er über Fürstenwalde zu Köpenick an. ... Als am dritten Mai [1631] der König mit seinen Truppen sich immer mehr Berlin genähert hatte, kam es an diesem Tage, nur eine Viertelmeile von der Hauptstadt, in einem kleinen Wäldchen zu einer persönlichen Zusammenkunft zwischen Georg Wilhelm und Gustav Adolph. Nach Beendigung derselben zog der letztere, auf geschehene Einladung, mit einer bewaffneten Bedeckung in Berlin ein, während das Heer vor den Toren lagerte. |
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§. 4. Der schwedisch-deutsche Krieg, von der Schlacht von Lützen [6. November 1632] bis zum Abschlusse des Prager Friedens. p. 135
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... Die brandenburgischen Länder, durch des Schwedenkönigs Waffenglück dem Schicksale des Krieges entzogen und in der letzten Zeit wenig von den Kriegsdrangsalen leidend, wurden sehr bald, da jetzt die schützende Hand [Gustav Adolphs] fehlte, wiederum, und mehr denn je, in den Strudel des Kampfes gezogen und von allen Parteien verwüstet und verödet. ... |
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Aber nicht minder wurde am linken Ufer des Strom's [Oder] die Mittelmark in Angst gesetzt. Fürstenwalde ging in Feuer auf, die ganze Umgegend wurde furchtbar zerstört, Storkow und Köpenick in Besitz genommen, und die Vorposten des Friedländers streiften sogar bis eine halbe Stunde vor Berlin. ... |
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Die Mark litt entsetzlich durch diese Truppenbewegungen; Kyritz ging damals in Flammen auf, Städte und plattes Land wurden überall von befreundeten, wie feindlichen Truppen verheert und ausgesogen, die letzten Vorräthe aufgezehrt. Endlich, mit dem Anfange des J. 1634 zeigte sich Hoffung auf Rettung. ... |
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... wurde im Anfange März 1634 die Belagerung Frankfurts [durch die Schweden] mit vermehrten Kräften wieder begonnen. Georg Wilhelm, dessen Aufgebot überall in Waffen trat, war mit drei brandenburgischen Regimentern zu Ross und zwei Regimentern zu Fuss selbst zugegen. Die ganze schwedisch-brandenburgische Macht, welche am 8. März sich bei Müncheberg vereinigte, war 20,000 Mann stark. |
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... Kurbrandenburg musste aber schon sehr bald die Rathschläge bereuen, denn noch am Ende desselben Jahres [1635], in welchem es Kursachsen sich anschloss, sah es die schwedischen Heere fast vor den Thoren Berlin's, und dann waren zwölf Jahre hindurch beinahe unausgesetzt die Marken der Tummelplatz aller Kriegsparteien, so dass überall nichts zu erblicken war, als Auflösung und Verwirrung, Verwüstung und Oede. |
§. 5. Die offene Vereinigung der Kronen Frankreich und Schweden. Das Ende des schwedisch-deutschen Krieges p. 172.
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[1635, nachdem die Werbener Schanze in die Hände der Schweden kam:] Wenige Tage darauf (23. Dezember) gaben die Sachsen auch den Pass bei Fehrbellin Preis, so dass schon folgenden Tages (24. Dezember) die Schweden sich Bötzows (des späteren Oranienburgs) ohne Schuss bemächtigen, und eine Abtheilung am 25sten Dezember Zehdenick einnehmen konnte. An demselben Tage, an Weihnachten, ging auch Mirow über, und damit war ganz Meklenburg bis auf Plauen, das sich noch bis zum März des folgenden Jahres hielt, von Sachsen gesäubert. Der Kurfürst rückte zwar noch einmal (25. Dezember) gegen Fehrbellin, zog indess schon nach Verlauf weniger Tage wieder nach Brandenburg ab. Baner aber dehnte sich, damit seine Soldaten Atem schöpfen und sich erholen möchten, im Havellande aus, und bedrohete, da der Havelpass bei Bötzow in seiner Gewalt war, von hier aus Berlin. |
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... Das drohende Ungewitter indess ging für dieses Mal vorüber. Denn der Kurfürst von Sachsen, als er die Absicht Baner's erfahren, eilte von Brandenburg herbei, überschritt bei Spandau die Havel, und deckte, indem er sein Hauptquartier zu Bernau aufschlug, die Residenz. |
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Das Land litt furchtbar bei dem geschilderten Gange der Verhältnisse. Am Ende des J. 1635 und im Anfange des folgenden lagen die schwedischen und sächsischen Heere mitten im Gebiete der Mark sich einander gegenüber; verwüstend und brennend zogen sie ohne Unterlass von einem Landestheile in den anderen. |
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Der Kurfürst von Sachsen, welcher sich in den ersten Tagen des Jahrs allmälich von Bernau bis Templin in der Ukermark hinaufgezogen hatte, trat plötzlich voller Schrecken, nachdem er die Kunde vom Abzuge der Schweden erhalten hatte, am 10ten Januar den Rückmarsch über Bernau an, überschritt am 17ten Januar bei Wittenberg die Elbe, und langte am 27ten vor Halle an, um die Stadt wieder zu nehmen ... |
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Die Werbener Schanze ging sofort (12. Octob. a. St.) an die Schweden über, welche ohne Verzug nach der Altmark übersetzten und sich in der Nähe von Gardelegen lagerten. Diese neuen Züge verzehrten den letzten Rest des Wohlstandes der Städte, sie vollendeten den Ruin des Landmann's, der jetzt nicht mehr Hab' und Gut, vielmehr nur sein nacktes Leben zu retten suchen musste. Berlin selbst wurde mehrere Male hinter einander, im October und November, erst durch den schwedischen Obristen Jens v. Hadersleff, dann durch den Feldmarschall Hermann Wrangel, der eben Garz erobert hatte, gebrandschatzt; viele Häuser der Hauptstadt standen schon leer, oder wurden durch die Pest verödet. Hadersleff erpresste bei seiner Anwesenheit in Berlin von Ritterschaft und Städten der Kurmark über 30,000 Rthl.; Wrangel liess sich 15,000 Ellen Tuch, 3000 Paar Strümpfe, eben so viele Paar Schuhe, zehn Munitionswagen, und tausend Thaler statt 250 Artilleriepferde entrichten. Ausserdem mussten Bier, Brod, Fleisch und andere Victualien für das Heer nach Köpenick geliefert werden. - "Der Bauer musste sein Letztes geben; was er versteckt hatte, wurde aufgesucht, was er noch besessen, ihm vor dem Munde weggeraubt; viele starben durch alle Beschwerden des Botenlaufens, wozu man sie zwang; verkroch sich der eine oder andere in Büschen oder Gehölzen, so ward er wohl durch Hunde herausgehetzt; nachmals aber erbärmlich nach allem Muthwillen tractirt." Viele mussten Haus und Hof in Feuer und Dampf aufgehen sehen. In der Prignitz gab es in einem Umkreise von vier Meilen nur noch einen Priester, und dieser hatte in Jahresfrist nur vier bis fünf Kinder getauft; die übrigen Geistlichen der Gegend waren umgekommen oder davongelaufen. Dazu kam noch eine Pestilenz, an der allein in Stendal an dahin geflüchteten Personen gegen 5000 starben, und theuere Zeit, so dass die armen Leute Kleie, ..., Eichelbrod und wilde Wurzeln essen mussten, und viel mehr noch an Hunger hätten sterben müssen, wenn nicht von Hamburg her neue Vorräthe herbeigeschafft worden wären. |
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Während er (Baner) ... sich von allen Seiten durch feindliche Streitkräfte eingeschlossen, bis zum Sommer des folgenden Jahres (1673) in dem befestigten Lager von Torgau hielt, bemächtigte sich mehr nördlich der Feldmarschall Hermann Wrangel selbst der Mittelmark. Nachdem derselbe bis Bernau und Freienwalde vorgedrungen war, unterhandelte er am 30sten October (1636) von Blumberg aus mit der in der Hauptstadt gerade versammelten Landschaft, rückte folgenden Tages (31. Octob.) selbst in Berlin ein, und breitete südwärts sich bis Frankfurt an der Oder aus. Berlin belegte er mit einer schwedischen Besatzung, erzwang für seine Truppen eine bedeutende Brandschatzung in Geld und Naturalien, und forderte drohend die Uebergabe von Spandau und die Oeffnung von Küstrin. |
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... Wrangel sah sich unterdessen, bei der unerhörten Noth und Verwüstung, die überall zwischen Elbe und Oder hervortrat, genöthigt, diese Gegend zu verlassen. Nachdem er diesseits der Oder nur zu Eberswalde, Wrietzen und Bernau Besatzungen zurückgelassen, überschritt er den Strom, entriss Landsberg a. d. W. den Kaiserlichen und nahm sein Hauptquartier zu Arnswalde. |
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Die Opfer, Verluste und Leiden, denen die Marken abermals bei diesem längeren Aufenthalte der Kaiserlichen und Sachsen, sodann bei dem regellosen Abzuge derselben, und endlich in Folge des Eindringens der feindlichen Schweden ausgesetzt waren, übersteigen fast jede Vorstellung. Städte wie plattes Land wurden beinahe unaufhörlich durch Freund und Feind gebrandschatzt; zur Unterbringung vieler tausend Kranker und Elender hatte man aller Orten Lazarethe einrichten müssen; Wohnungen und Besitzungen, die ganz oder theilweise bis dahin unversehrt geblieben waren, wurden durch das verlaufene und zuchtlose Gesindel, welches sich nach seinem ursprünglichen Führer Merodebrüder nannte, geplündert und ruiniert. Hie und da hatte man gar nicht gesäet; die gewöhnlichsten Nahrungsmittel waren zu einem unerhörten Preise gestiegen; das Letzte aber suchte der hungernde Tross, wo derselbe erschien, durch Anwendung des s. g. schwedischen Trunk's und anderer gräuelhafter Misshandlungen zu erpressen. |
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In den beiden jetzt folgenden Jahren (1639, 1640) war zwar der vorzüglichste Tummelplatz der Hauptheere der kriegsführenden Parteien mehr nach dem mittleren und südlichen Deutschland verlegt; aber eine wesentliche Erleichterung wurde dadurch dem brandenburgischen Gebiete dennoch nicht zu Theil. Denn eben sowohl die Alt- und Neu-Mark, wie das Land zwischen Elbe und Oder, wurde auch während dieser Zeit duch schwedische Besatzungen und Streifcorps unaufhörlich heimgesucht, und sowohl durch die letzteren, wie durch die der Abwehr wegen damals angeworbenen brandenburgischen Truppen ausgesogen. Unter den beständigen Bedrückungen und Misshandlungen schwand der Bevölkerung der letzte Rest von Kraft und Muth, wurde jeder Versuch zur Herstellung des früheren Wohlstandes von vorn herein unmöglich gemacht. |
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Als Georg Wilhelm verschied [1. Dec. 1640], war die Mark Brandenburg eine einzige grosse Wüste; wohin man blickte, sah man verödete Aecker, zerstörte und verlassene Dörfer, verbrannte Städte. Durch Gewaltthat, Hunger und Pestilenz war die Bevölkerung furchtbar zusammengeschmolzen, - und, was noch weit schlimmer, die übrig gebliebenen Familien hatten alles verloren, was das Leben erfreut, was in Glück und Trübsal die Menschen verkettet und hebt. Jede Spur des Wohlstandes war verschwunden; überall bittere Armuth und Noth; aus dem häuslichen, wie dem öffentlichen Leben, war Ordnung und Zucht gewichen, ohne alle Achtung waren Sitte und Gesetz. ... |
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... Bereits im Januar 1641 drang General Stahlshandske, der in Schlesien stand, gegen die Marken vor, ... Er kam bis Zossen, bedrohete Berlin und liess verlauten: er werde auf Befehl Baner's das Schloss zu Cöln a. d. Spree in Asche legen. Der Schrecken in der Hauptsstadt war so gross, dass der Statthalter Graf Schwarzenberg, obwohl er die Besatzungen von Rathenau, Fehrbellin, Brandenburg und Potsdam an sich gezogen hatte, um Widerstand leisten zu können, trotzdem noch für gerathen hielt, die Vorstädte von Berlin niederbrennen zu lassen, wodurch er sich in hohem Grade den Zorn des ... Kurfürsten zuzog. |
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Die beiden folgenden Jahre (1643 und 1644) bringen endlich den Marken das Ende der Leiden. Diese schienen sich erneuern zu wollen, als Torstenson seinen Weg nach Holstein durch das brandenburgische Gebiet nahm, ... |
Der bereits im Sommer 1641 abgeschlossene schwedisch-brandenburgische Waffenstillstand wurde erst im April 1643 mit Hinzufügung zweier Bedingungen ratifiziert, deren erste für die schwedischen Besatzungen innerhalb der Marken eine monatliche Leistung von 10,000 Rthl. baaren Geldes und tausend Scheffeln Getreide festsetzte, während der Kurfürst durch eine zweite Bestimmung von den den Schweden überlieferten Plätzen Frankfurt a. d. O., Crossen und einige Johanniter-Comthureien damals zurückerhielt. |
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Die Feldzüge Torstenson's durch Deutschland ... Die Mark Brandenburg berührten sie beim Ausgange des Krieges unmittelbar nur wenig; mittelbar aber sind sie auch für die Geschichte dieses Landes von der höchsten Bedeutung, indem sie demselben, das so furchtbar unter den Bedrückungen der Kriegsjahre gelitten hatte, zuletzt Erholung und Aussicht auf bessere Tage verschafften. |
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Dritter Abschnitt. Der westphälische Frieden und seine Beziehungen zum brandenburgischen Staate. Vierter Abschnitt. Der Jülich-Clevische Erbschaftsstreit, von seinem Beginn bis zur Ausgleichung zwischen Kurbrandenburg und Pfalz-Neuburg unter der Regierung des grossen Kurfürsten, nebst angehängter kurzer Darstellung des weiteren Verlaufs bis zur gänzlichen Erledigung. Fünfter Abschnitt. Die Beziehungen des Herzogthum's Preussen zu Schweden und Polen während des Kronenstreits zwischen den Wasa's und Jagellonen, und die Erwerbung der äusseren und inneren Souverainetät durch den grossen Kurfürsten. Sechster Abschnitt. Die Emporbildung Brandenburgs zu einer europäischen Macht, besonders im Kampfe des grossen Kurfürsten gegen die politischen Entwürfe Ludwig's XIV. Die Zeit vom Olivaer Frieden bis zum Vertrage von St. Germain. Siebenter Abschnitt. Das letzte Jahrzehend der Regierung des grossen Kurfürsten; von den Friedensschlüssen von Nimwegen und St. Germain bis zu seinem Tode. Achter Abschnitt. Friedrich Wilhelm's, des grossen Kurfürsten, Persönlichkeit, seine Familie, Charakter seiner Regierung. |