Nach fast drei Jahren Corona-bedingter Pause gab es am 5./6. Mai 2023 in Mehrow wieder ein Abendprogramm des Mehrower Varieté-Vereins. Manches hat sich bei der „Neuen Show“ gegenüber früher geändert, so zum Beispiel das Moderatoren-Team.
Statt Torsten und André, die für Ihre Standup-Comedy berühmt und berüchtigt waren, haben Christian und Katja durch das Programm geführt. Mit einer Zeitmaschine ging es um Jahrhunderte vorwärts und zurück.
Die originellen Texte, die auf die jeweiligen Epochen ein­stimmten, haben wir hier kursiv in unseren Bericht eingebaut:
Einleitung / Erklärung
Hallo liebe Leser! Ihr steht vor einer leidlich gut funktionierenden Zeitmaschine und dies ist das Begleitbuch dazu. Behandelt das Buch mit Bedacht ansonsten vergrault ihr das Publikum und bringt hier alles durcheinander! Nach Benutzung der Zeitmaschine ertönt zunächst eine Musik, welche euch einen ersten Hinweis auf das kommende Zeitalter gibt. Anschließend führt euch dieses Buch mit einem kleinen Text durch die Mehrower Zeiten. Dieser Text sagt euch, in welcher Zeit ihr gelandet seid und was sich zu dieser Zeit hier in der Gegend so ereignet haben KÖNNTE. Denn: Im Gegensatz zu heute, wo euer Ortschronist Benny Eckelt gewissenhaft zu Werke geht, wurde von den seinerzeitigen Dorfschreibern nicht immer alles korrekt in der Chronik festgehalten.
Hier steht noch etwas im Kleingedruckten! Noch ein Sicherheitshinweis zur Zeitmaschine: Lasst nach jeder Benutzung Vorsicht walten und seid stets auf der Hut. Es geisterten so einige verrückte Typen durch Raum und Zeit und erst Recht durch unser Dorf. Man meint es unter Umständen nicht immer gleich gut mit euch. Mit Sicherheit erwarten euch so einige Überraschungen.
Und noch ein ganz wichtiger Hinweis: Sollte sich hier in den Texten vielleicht jemand wiedererkennen oder wiedererkennen zu meinen: Nehmt es stets mit Humor und der notwendigen Portion Gelassenheit.
Dem Publikum war anzumerken, dass es die Varieté-Veranstaltungen vermisst hat. Das Festzelt war wieder voll und die Besucher waren wie immer gut gelaunt.
In drei Blöcken wurden Spielszenen, Sketche, Parodien und Tänze geboten, dazwischen gab es Musik von DJ Jürgen, die viele der Gäste auf die Tanzfläche gelockt hat.
Mittelalter
Willkommen im finsteren Mittelalter. Mehrow war im Jahr 1523 nach Geburt Christi eine Kuhbleke wie sie im Buche steht. Der Dorfschulze war ein kleines, damals noch sehr dünnes Männchen und hörte auf den Namen Bernhardius von Wallermann. Im fernen Ahrensfelde regierte „Wilfried der Listige“ mit harter Hand und erhob Steuern auf alles was laufen oder kriechen konnte. Grobe Landsknechte und die Pest gingen um im Land. Beides konnte Mehrow wegen seiner Abgeschiedenheit, aber nicht erreichen, denn die B158 war wirklich eine OrtsUMfahrung und schon damals ein schmaler Pfad. Allerdings: wo heute Stau ist, verirrte sich damals nur gelegentlich ein einsamer Ochsen­karren. Blumberg lag auch damals weit weg von Allem.
Damals gab es eigentlich auch nur ein richtiges Geschlecht, nämlich das männliche und das von Grund auf zänkische Weibsvolk hatte damals nichts zu sagen!! Wegen der akuten Pest fanden Hexenverbrennungen pandemiebedingt in Mehrow gerade OHNE Zuschauer statt. Lockerungsdiskussionen im damaligen Gesundheitswesen hatten folgende Inhalte:
„Die Pest ist auch nicht schlimmer als Fleckfieber!“
„Warum dürfen Steinmetze öffnen, Korbflechter aber nicht?“
„Wirtshäuser sind systemrelevant“
Nun ja im Prinzip kein großer Unterschied zu heute:
Gegen die Pest und alle anderen Krankheiten wirkte damals im Ort die Heilerin Beata Ungeria, eine lebenslustige Kräuterfrau mit weit wahrnehmbaren Lachen. Die größte Scheune gehörte dem trutzigen Bauern und Schlachter Thor Rahlfuß.
Die Mehrower aber ...: Nun, die Mehrower waren damals wie heute einfache aber lustige Zeitgenossen und wussten sich die Zeit gut zu vertreiben. Und genau da beginnt unser erster Ausflug ins Mittelalter.
Ganz musste das Publikum nicht auf die bisherigen Moderatoren verzichten, denn als im Publikum zwei Bewerber für einen Melkwettbewerb gesucht wurden, wurden „zufällig“ Torsten und André ausgewählt.
Viel konnten die Beiden dem zu melkenden Esel nicht ent­locken, dafür gab es aber einige der gewohnten Sprüche.
Antike
Herzlich willkommen in der Antike. Mehrow war im Jahre 48 vor Christi Geburt eine germanische Siedlung, gehörte zum Römischen Reich und sowohl die Ägypter als auch die alten Griechen hatten hier ihre Spuren hinterlassen. Der örtliche Tribun hieß Bernhardus Wöllermansus und in Ahrensfelde regierte in der Phase spätrömischer Dekadenz Cäsarius Wilfriedus Gehrkus. Mit seinen Senatoren lebte er dort in Saus und Braus von den Steuern seiner rechtschaffenen Bürger.
Die Bürger wiederum erfreuten sich an Gladiatorenkämpfen und das Mehrower Varieté wurde damals nicht in einem Zelt, sondern in einem Amphitheater aufgeführt, dort wo sich heute unser Dorfteich befindet. Umfangreiche Grabungen übrigens, welche vor einiger Zeit hier durchgeführt wurden, angeblich um den Dorfteich zu entschlammen, bestätigten dies. Der Ahrensfelder Berg war zu dieser Zeit eine Pyramide und von dort führte eine breite Straße, genannt „Via Mehrowina“ direkt in unsere Siedlung.
Blumberg war ein rückständiges Flecken Erde. Lindenberg und Eiche waren auf Karten gar nicht erst eingezeichnet. Die Medizinerin hieß Bea Ungerius und war eine geschätzte und lebensfrohe Quacksalberin. Auch ihr waren zu dieser Zeit nur zwei Geschlechter bekannt. Gleich nebenan befand sich die Mehrower Taverne mit ihrem lustigen Betreiber Torstenius welcher sich gerne in Gestalt des Bachus auf seinem schwarzen Pferd im Orte blicken ließ.
Zur damaligen Zeit war es Gang und Gebe, dass den Pharaonen ein Geschenk mitgebracht wurde. Und ich denke da, sollten wir jetzt ansetzen!
Ja liebe Leute... Eigentlich wollte ich mit euch in die 20'er Jahre, aber irgendetwas ist schief gelaufen. Nun gut, machen wir eben kurz hier weiter. Was soll ich, Buch, euch über die heutige Zeit verraten?
Am Mehrower Dorfteich herrscht ein Nimmersatter …. Biber! Und der schert sich einen feuchten Kehricht um die Probleme unserer Zeit und hat noch nicht mal mitbekommen, dass es mittlerweile drei Geschlechter im Lande gibt.
Deutschland hat in seiner wechselvollen Geschichte die erste Regentschaft einer Frau überlebt. Der Neubau einer Ortsumfahrung in Ahrensfelde ist immer noch nicht in Sicht. Ortsvorsteher und Bürgermeister sind alte Bekannte und verwalten uns weitgehend geräuschlos. Auch der Landhof floriert, lockt gelegentlich sogar Prominente in den Ort und unsere Dorfärztin hat auch ohne Corona gut zu tun.
Die Frauen allerdings ... Nun ja ... Frauen besitzen mittlerweile die Frechheit, in Männer­berufen zu arbeiten und sogar noch das gleiche Geld für gleiche Arbeit zu fordern. Durch diese, Emanzipation genannte Irrlehre sind viele Beziehungen in unserer Zeit in die Schieflage geraten. Nicht wenige haben hier so ihre Probleme es miteinander auszuhalten und benötigen externe Hilfe. Die Paartherapie scheint in Mode gekommen zu sein. Und hier möchten wir Ihnen jetzt beispielhaft darstellen, wie so eine Therapie aussehen könnte…
Mit Bildern unserer tanzenden Damen müssen wir uns zurückhalten, da man den Lesern im Vorschulalter nur schwer erklären kann, warum die Kostüme so knapp gehalten sind.
Mit einer jungen Frau, die sich auf der Bühne angeklebt hat, ist man hier etwas resoluter umgegangen, als in Berlin, wo man sie zunächst gefragt hätte, ob sie zwischendurch Cappuccino oder Café Latte möchte. Ricky, die bei keinem Auftritt fehlen darf, hat nach dieser Störung alles erklärt, was man schon immer nicht wissen wollte.
Goldene Zwanziger
Willkommen in den „Goldenen Zwanzigern“. Amtsdirektor Willermann hat die Kaiserzeit überlebt und regiert in Mehrow unangefochten. Im gar nicht mehr so fernen Ahrensfelde trieb der Geheime Regierungsrat Willibald von Gurke sein Unwesen. Die Berliner Politik und die heraufziehenden Kämpfe dieser Zeit sind allerdings damals noch weit weg von Mehrow. Hier gibt es damals höchstens einmal Raufereien der Landjugend am Osterfeuer, welche durch Medizinalrätin Dr. Anger stets gut versorgt wurden.
Auch zu dieser Zeit gab es nur zwei Geschlechter und etwas Anderes als die rein biologische Landwirtschaft gab es nicht. „Laktoseintoleranz“ war damals noch ein unbe­kanntes Fremdwort und wurde mit einer wegwerfenden Handbewegung als „chronische Diarrhoe“ bzw. schlicht als „Durchfall“ abgetan.
ALLERDINGS: Das Laster und die Ausschweifungen haben in dieser Zeit auch von Mehrow Besitz ergriffen. Ein prächtiger Tanzpalast bestimmte das Ortsbild und beherbergte ein noch prächtigeres Varieté. Die Damen agierten hier äußerst freizügig und am Eingang empfing ein serviler Concierge mit Champagner. Unter der Hand gibt es wohl neben Koks auch noch frivolere Vergnügungen. Der Swing war der vorherrschende Tanz seiner Zeit. Gefeiert wurde mit Vorliebe in Geheimen Bars ...
Zukunft
Ihr seid in der Zukunft gelandet, genauer gesagt im Jahr 2525 der Neuzeit. Ob man euch dazu beglückwünschen kann, lassen wir an dieser Stelle einmal offen.
Mehrow hat als Ortschaft mittlerweile Ahrensfelde geschluckt und ist jetzt ein eigener Stadtbezirk von Berlin. Jeder hat nunmehr ein eigenes Geschlecht und kann dies täglich mehrmals wechseln. Den Job der Dorfärztin hat eine künstliche Intelligenz mit Namen „B.U. 77/ XC“ übernommen und sterben ist tatsächlich auch etwas aus der Mode gekommen. Biolandwirte sind völlig von der Bildfläche verschwunden und das Essen, wird genau wie Strom und Wärme aus der Umgebungsluft gewonnen.
Seit nunmehr 150 Jahren gilt jetzt in unseren Breitengraden der chinesische Kalender. Wir haben das Jahr des Pikatchu und natürlich ist chinesisch die Amtssprache. Der Ver­waltungschef des Ortes heißt folgerichtig WO LAI MAAN und seine Pagode am Dorfteich überragt alle anderen Gebäude in der Nähe. Sein Vorgesetzter heißt Captain Will Future und lebt tagsüber auf dem Mars. Beide sind natürlich auf Lebenszeit von der Zentral­regierung bestimmt worden. Es braucht nicht extra zu erwähnt werden, ABER:
Frauen haben sich im Laufe der Jahre als das wirklich starke Geschlecht erwiesen und mittlerweile die Macht komplett übernommen. Männer, soweit man sie überhaupt noch so nennen kann, können allenfalls über Quotenregelungen im Niedriglohnsektor einen Job erhalten. Um die Erde herum kreisen permanent Raumschiffe auf der Suche nach dem Ergebnis der Suche ... Und wenn ich ganz ehrlich zu euch sein soll: Ihr selbst seid auch gar nicht wirklich in Mehrow gelandet sondern tatsächlich auf einem Raumgleiter und genau in diesen steigen wir jetzt ein.
Nach der zweiten Pause trat wieder die unverzichtbare Band einheimischer Künstler auf:
Selbstverständlich durfte auch bei diesem Varieté-Auftritt nah langer Pause nicht der abschließende Stepptanz fehlen, der wieder von Frau Dr. Unger dirigiert wurde und Dank Vivien sogar ein paar akrobatische Einlagen enthielt.
Die Stepptänzer haben wie immer reichlich Applaus bekommen, nicht nur vom Publikum, sondern auch von ihren Mitspielern. Da flossen vor Rührung sogar Tränen.
Die kursiv gedruckten Texte stammen von Christian Kusch und wurden von Katja Radischat redigiert.