In der Umgebung von Verdun im Osten Frankreichs finden sich so viele Kriegsgräberstätten, dass man fahren kann, auf welcher Straße man will - man wird mit großer Wahrscheinlichkeit an Friedhöfen vorbei kommen, auf denen auch Soldaten aus unserer Gegend bestattet sind.
Dieses Mal sind wir auf den Spuren von Paul Neuendorf, dessen Namen wir auf der Tafel der Kriegstoten in der Hönower Dorfkirche entdeckt haben.
Nach den Angaben auf dieser Kriegergedenktafel ist Paul Neuenburg als 21-Jähriger am 11. Dezember 1916 in Malancourt gefallen - das liegt etwa 15 km nordwestlich von Verdun. Und lt. Datenbank des Volksbundes für Kriegsgräberfürsorge ist er auf dem Soldatenfriedhof von Nantillois, nur ein paar Kilometer nördlich davon, bestattet.
Von Reims kommend muss man spätestens bei Clermont-en-Argonne die Autobahn A4 bzw. die parallel dazu verlaufende D3 verlassen und in Richtung Norden fahren, zum Beispiel auf der D160, die kurz vor Avocourt auf die D38 trifft und sich weiter durch dichte, einst heftig umkämpfte Wälder nach Malancourt schlängelt.
Das Wetter ist leider recht übel und der Regen verbietet es, an allen interessanten Stellen auszusteigen. Ein Foto aus dem Auto heraus muss oft genügen - so zum Beispiel am Ortseingang von Malancourt, einem kleinen Dorf mit nicht einmal hundert Einwohnern.
Gleich am Ortseingang fällt einem eine eindrucks­volle Brunnenverkleidung an einem ansonsten schmucklosen Haus auf - bei Sonnenschein würde man sich die genauer anschauen. Gleiches trifft für das obligatorische Krieger­denkmal im Ort zu, auf dem zu beiden Seiten einer trauernden Frau die Namen der im ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten aus Malancourt in eingemeißelt sind.
Was das kleine Dorf noch zu bieten hat, lässt sich bei diesem Wetter schwer erkunden - in jedem Fall eine Dorfkirche und eine Hauptstraße, an der auch ein paar Häuser stehen, die mit ihren blauen Fensterläden „typisch französisch“ aussehen.
Im Ort selbst ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen, dass hier einst Kampfhandlungen stattgefunden haben.
Wo genau „unser“ Paul Neuendorf sein Leben gelassen hat, ist nicht zu ergründen. Im Internet erfährt man, dass an einem anderen Ortseingang noch die Reste eines MG-Bunkers zu sehen sind. Vielleicht dort? Selbst wenn man sich verständlich machen könnte - außer Kühen beidseits der Straße ist niemand zu sehen, den man befragen könnte ...
Nach kurzer Fahrt vorbei an verschiedenen Kriegerdenk­malen am Straßenrand und großen Monumenten, die durch den Nebel schimmern, kommt man nach Montfaucon d' Argonne, einem etwas größeren Ort, zudem u.a. Malancourt als Ortsteil gehört.
Im Ort treffen mehrere Straßen aufeinander und unter den vielen Wegweisern findet sich auch einer nach Nantillois, wo Paul Neuendorf auf dem deutschen Friedhof ruht.
Den ausgeschilderten ameri­kanischen Friedhof werden wir uns auch noch anschauen.
Im Ortszentrum findet sich gegenüber der Kirche ein großer quadratischer Platz mit regelmäßig angeordneten, frisch beschnittenen Bäumen und dem Kriegerdenkmal in der Mitte.
Dicht daneben steht ein Sherman-Panzer aus dem zweiten Weltkrieg, der darauf hindeutet, dass diese Gegend nicht nur in den Jahren 1914-1918 hart umkämpft war.
Nach weiteren fünf Kilometern in Richtung Norden steht man am Ortseingang von Nantillois.
Gleich an der ersten Kreuzung im Ort findet sich auch ein stattliches amerikanisches Denkmal, das der Bundes­staat Pennsylvania, für jene Soldaten der 80. Division des Expeditionskorps errichten ließ, die hier im Krieg 1914/18 ihr Leben gelassen haben.
Gegenüber, vor einem Haus, das mal Rathaus gewesen sein könnte, steht das Denk­mal für die Kriegstoten des Ortes: 7 Soldaten und einige Zivilisten, deren Namen in das aus rotem Granit bestehenden Denkmal eingemeißelt sind.
Dicht daneben findet sich ein Wegweiser zum deutschen Soldatenfriedhof, der ein ganzes Stück außerhalb des Dorfes liegt. Der Weg dorthin führt an verschiedenen Kriegserinnerungen vorbei.
Nicht in jedem Fall ist man sich sicher, ob es sich um ehrendes Totengedenken oder um kommerzielle Nutzung der Kriegsereignisse vor einhundert Jahren handelt. Zum Beispiel bei einem Bed&Breakfast-Quartier im Ort, das mit einem eigenen „14-18 Museum“ Reklame macht. Ein großes blaues Schild „14-18 Nantillois“ über dem Scheunentor wirbt für „Gästezimmer, Tagesmenü und Museum“ ...
Ein paar Meter weiter findet sich dann eine „richtige“ Gedenkhalle, die wir uns später mal anschauen werden - langsam wird die Zeit knapp.
Weit hinter dem Ort, wo die Straße schon wieder in den Wald eintaucht, biegt vor einem einsamen Gehöft am rechten Straßenrand ein etwas holpriger Weg ab, an dem sich der Wegweiser zum deutschen Soldatenfriedhof Nantillois findet.
Der Weg führt zu einem kleinen Wäldchen auf einer Anhöhe, an dessen Kante sich der mit einer kleinen Steinmauer eingefasste Soldatenfriedhof befindet. Er ist vergleichsweise klein: 921 Soldaten liegen hier auf einer Wiese mit lichtem Baumbestand.
Das Namenbuch des Friedhofs zeigt uns für Paul Neuendorf die Grabstelle: Block 3 Grab 2. Auf dem Plan ist ersichtlich, dass das gleich am Eingang sein muss.
Und tatsächlich findet sich dicht am Eingang ein Kreuz mit seinem Namen. Er teilt sich Grab und Kreuz mit einem Kameraden (Grenadier Josef Happ), der einen Tag später, am 12. Dezember 1916 gefallen ist.
Im hinteren Teil des Friedhofs, der im Schatten der direkt anschließenden dichten Waldes liegt, findet sich eine Ecke mit „richtigen“ Grabsteinen, die aber nach nunmehr fast 100 Jahren ziemlich verwittert sind.
Beim „Hornisten P. Mollmann“ (unten in der Mitte) sind zum Beispiel die Lebensdaten kaum noch zu erkennen - die gusseiseren Kreuzen sind hingegen nach so langer Zeit noch deutlich lesbar.
Zwischen den Kreuzen finden sich vereinzelt in den Rasen eingelassene Grabtafeln, so wie sie auf manchen anderen Soldatenfriedhöfen üblich sind. In der Mitte steht ein großes Steinkreuz mit der Aufschrift „Den Kameraden“ in Deutsch und Französisch.
Ein Gemeinschaftsgrab am Rande des Friedhofs beherbergt 30 Kameraden, von denen die Mehrzahl namenlos geblieben ist. Vielleicht liegt hier der Soldat Willi Pagel aus Mehrow, der am 30. Oktober 1918 nicht weit entfernt in Aincreville gefallen ist und dessen Grabstelle nicht bekannt ist. - Aber es gibt hier so viele deutsche Soldatenfriedhöfe und einige liegen noch dichter an seinem Sterbeort. Einige davon wollen wir noch besuchen.
Nach nur wenigen Metern im Auto ist der Soldatenfriedhof Nantillois schon im Schatten der Bäume verschwunden und an der Landstraße angekommen, deutet nur noch der Wegweiser darauf hin, dass sich dort am Waldrand ein Friedhof befindet.