Wenn man an Frankreichs Nordküste immer in Richtung Westen fährt, kommt man irgendwann ans „Ende der Welt“ - „Finistere“, wie die weit in den Atlantik hinein reichende Landzunge im gleichnamigen Departement der Bretagne heißt. Bis auf ein paar kleine Fischerdörfer ist hier eigentlich nur Natur. Egal, wo man steht: Auf der einen Seite reicht der Blick, ohne auf ein Hindernis zu stoßen, weit aufs Meer und auf der anderen Seite findet das Auge weite Felder, aus denen immer wieder markante Kirchtürme hervorschauen.
In einer Zeit, als viele bretonische Dörfer durch Handel und Handwerk zu beachtlichen Wohlstand gelangt waren, sind einige Dorfkirchen mit einem „umfriedeten Pfarrbezirk“
(enclos paroissial) umgeben worden, der stets den Friedhof, ein „Beinhaus“ (zur Aufnahme der bei Überfüllung des Friedhofs exhumierten Gebeine) sowie einen „Kalvarienberg“
(eine mit vielen Figuren verzierte, hoch aufragende Kreuzigungs-Darstellung) umfasst und meist durch einen prächtigen Torbogen zu betreten ist.
Die Leute hier haben selbst in besten Zeiten ihre Toten nicht aus dem Gedächtnis verloren, sondern ins stete Blickfeld gerückt. Die raue See, die vielen Fischern das Leben gekostet hat, schroffen Felsen, die vielen Schiffen zum Verhängnis wurden, und heftige Kriege haben die Menschen stets mit dem Tod konfrontiert.
Dieser strategisch so wichtige Küstenabschnitt am Übergang vom „Kanal“ in den Atlantik war oft von kriegerischen Aus­einandersetzungen betroffen. Und auch der zweite Weltkrieg hat hier seine Spuren hinterlassen: Auf vielen Friedhöfen gibt es Bereiche, in denen alliierte Soldaten bestattet sind, die bei der Befreiung Frankreichs ihr Leben gelassen haben.
An der von den deutschen Besatzern mit unzähligen Bunkeranlagen gespickten Küste hat es heftige Kämpfe gegeben, die viele Tote gefordert haben.
Und vor allem rings um Brest mit seinem großen Hafen an der Südküste der Finistere, wo man jetzt noch große
U-Boot-Bunker zu sehen bekommt, hat es erbitterte Kämpfe gegeben, zumal dort stets eine Vielzahl deutscher Kriegsschiffe vor Anker lag.

Viele der deutschen Soldaten, die hier am äußersten Zipfel Frankreichs ihr Leben gelassen haben, sind auf einem Soldatenfriedhof im Zentrum der Finistere, nahe dem kleinen Dorf Ploudaniel südlich von Lesneven bestattet worden. Die Amerikaner haben nach der Einnahme der Festung Brest im September 1944 das Gräberfeld bei Ploudaniel angelegt und viele der gefallenen Deutschen dort bestattet.
Nach Abschluss des deutsch-französischen Kriegsgräber-Abkommens 1953 wurde die provisorische Gräberstätte zu einer zentralen Kriegsgräberstätte ausgebaut und eine Vielzahl verstreut bestatteter Soldaten dorthin umgebettet.
Diese und weitere Details findet man im Internet beim Deutschen Volksbund für Kriegsgräberfürsorge e.V.
Wann immer sich im Urlaub die Gelegenheit ergibt, machen wir an Soldatenfriedhöfen Halt, egal ob dort eigene oder fremde Soldaten bestattet sind. Und so sind wir auch vor zwei Jahren (2010) dem Schild gefolgt, das da plötzlich am Straßenrand stand und auf den deutschen Soldatenfriedhof (Cimetière Militaire Allemand) in Ploudaniel-Lesneven verwies - weit weg von Bunkern und Festungen, mitten in einer friedlichen Landschaft, die gar nicht so recht einen Gedanken an Krieg aufkommen ließ.
[Karte] Der Wegweiser führt im Südosten von Lesneven auf die „Route de Kerivoal“ und mitten in einem neuen Wohngebiet steht man plötzlich vor einem modernen Flachbau, der den Eingang zum Friedhof bildet und eine kleine Gedenkstätte enthält.
Die Kreuze auf dem Wegweiser und auf der Bronze-Tafel am Eingang zeigen an, dass auch dieser Soldatenfriedhof vom Deutschen Volksbund für Kriegsgräberfürsorge betreut wird.
So wundert es einen nicht, dass man diesen in einem tadellosen Zustand vorfindet - mit gepflegten Wegen, frisch gemähtem Rasen und sauberen Grabtafeln.
Auf einer großen, ebenen Rasenfläche sind gleichmäßig flache Betonsockel in die Erde eingelassen, auf denen je vier Bronzetafeln die Namen und Daten der dort bestatten Soldaten ausweisen. Auf einer größeren Bronzetafel nahe am Eingang wird an 9 Matrosen eines Zerstörers erinnert, die am 9. Juni 1944 vor der Insel Ile de Batz den Tod fanden.
Umstanden ist die in insgesamt 15 Blöcke unterteilte Fläche von Sträuchern und Bäumen, die etwa so alt sein mögen, wie der Friedhof selbst.
Gut 200 der Gefallenen sind in einem Gemeinschaftsgrab beigesetzt, das sich in der Mitte eines von 12 Säulen getragenen Ringes aus Granitsteinen befindet. Die Hälfte dieser Gefallenen musste namenslos blieben, die Namen der anderen sind auf drei Bronzetafeln verzeichnet, die um einen großen als Grabstein dienenden Granitblock platziert sind.
Insgesamt sind fast 6000 deutsche Soldaten auf diesem Friedhof bestattet. Dass sich darunter auch ein Ahrensfelder befindet, wussten wir bei unserem Besuch noch nicht. Davon haben wir erst erfahren, als wir ein paar Monate später die Sterberegister ausgewertet und mit den Angaben in der Datenbank des Volksbundes verglichen haben.
Landwirt Willi, Bernhard Richard Hange, evangelisch
  • geb. 1. April 1914 in Ahrensfelde, verh. mit Hildegard Hange geb. Kleis
  • wohnhaft Ahrensfelde bei Berlin, Dorfstrasse 61
  • gest. unbekannt in Francheville/Frankreich
  • Todesursache: Kriegssterbefall (Meldung der Deutschen Dienststelle ...)
  • Willi Hange (wohnhaft in Ahrensfelde, Dorfstraße)  
    Name:Hange, Willi
    Dienstgrad:Gefreiter
    Geburtsdatum/-ort:01.04.1914 in Ahrensfelde
    Todesdatum/-ort:ohne Datum
    Grab:Kriegsgräberstätte in Ploudaniel-Lesneven, Bl. 13, R. 1, G. 14
    Willi Hange aus Ahrensfelde ist nach den Angaben des Volksbundes im Block 13 in der ersten Reihe bestattet - also direkt am Weg, der vom Eingang zur Gedenkstätte am gegenüber liegenden Ende des Friedhofs führt. Wir sind sicher auf dem Weg dorthin an dem Grab vorbei gelaufen.
    Weder das Sterberegister des Standesamtes noch der Datenbankeintrag des Volksbundes verraten uns sein Sterbedatum. Im Sterberegister ist wenigstens sein Sterbeort vermerkt: Francheville. Dörfer dieses Namens gibt es aber in Frankreich mehrere und keines davon liegt dicht an der Kriegsgräberstätte. Das nächstgelegene Francheville, ein Ortsteil von Lantillac, liegt zwar in der Bretagne, ist aber etwa 175 Straßenkilometer entfernt - bei Josselin, einem Dorf, das durch sein Schloss bekannt ist.
    Ob dieses Francheville sein Sterbeort ist? Wir wissen es nicht, so wenig wie wir wissen, ob er in Francheville gefallen ist oder auf dem Transport bzw. in einem Lazarett gestorben ist.