Wenn man die A 1, die von Paris über Lille nach Belgien führt, bei Arras verlässt und sich dann irgendwie durchfragt, kommt man mit etwas Glück nach Neuville-St. Vaast an der D 49. [Karte] Dort stößt man auf Wegweiser, die zum deutschen Soldatenfriedhof führen. Wir kommen vom Soldatenfriedhof in Manicourt und haben schon einen Blick dafür entwickelt.


Folgt man den Schildern zum "Cimetière Militaire Allemand", landet man auf einem kleinen Parkplatz, der auf einer Seite von einer kleinen offenen Halle begrenzt wird, in der eine Treppe zur Tür zum eigentlichen Friedhof führt. Beim ersten Blick durch die Tür ist man bereits überwältigt - große Soldatenfriedhöfe hat man nun schon einige gesehen, aber das hier sprengt alle Vorstellungen.

Ein paar Angaben zum Friedhof kann man der Tafel am Friedhofseingang entnehmen. Mehr Details, wie die hier verwendeten Zahlen, finden sich im Vorwort zum Namenbuch des Friedhofs.

Und tatsächlich ist dieser Friedhof der größte deutsche Soldatenfriedhof des Ersten Weltkrieges in Frankreich: Hier ruhen 44833 Soldaten! Davon etwa 8000 in Gemein­schaftsgräbern, der Rest (36.776) in Einzelgräbern, von denen 589 namenslos sind.

Der im (mehrbändigen) Namenbuch des Friedhofs abge­druckte Lageplan zeigt, dass der Friedhof insgesamt 29 Gräberfelder beherbergt, von denen manche knapp 1700 Gräber enthalten. Je vier Grabstellen teilen sich ein gusseisernes Kreuz, das vorn und hinten mit je zwei Namen versehen ist - das ergibt etwa 9000 Kreuze ...

Ein großes, in Sandstein gemeißeltes Relief zeigt den damaligen Frontverlauf nahe Neuville und die Inschrift in einer Ecke berichtet, dass allein in diesem Frontabschnitt 200000 deutsche und alliierte Soldaten ihr Leben gelassen haben.
Das ist der blanke Wahnsinn!


Da wundert man sich nicht mehr über die vielen Friedhöfe, die man am Wegesrand gesehen hat, bei den Alliierten meist sortiert nach Nationen. Neben Friedhöfen mit Franzosen, Amerikanern und Briten findet man welche mit Kanadiern, Australiern, Neuseeländern, Südafrikanern usw.
Die Straßenränder in dieser Gegend sind gepickt mit Wegweisern zu solchen Friedhöfen. Einige davon sind auch in der gemeißelten Karte wiederzufinden - wie dieser, direkt an einer stark befahrenen Straße gelegene Friedhof.


Die Namenbücher des Friedhofs stehen (wie üblich zusammen mit einem Gästebuch) in einer vergitterten Nische der Eingangshalle. Im Band 1 finden wir den Gesuchten.

Eintragung im Sterberegister des Standesamtes Mehrow in Ahrensfelde:
Der Ersatz-Reservist, Hofmeister Friedrich Wilhelm Ludwig Brülke
  • geb. zu Marzahn, 26 Jahre 11 Monate 2 Tage alt, verheiratet
  • wohnhaft in Ahrensfelde
  • gest. zu Gommecourt in Frankreich am 19. October 1915
  • Todesursache: an den erhaltenen Verwundungen verstorben
  • Erwähnung auf dem Kriegerdenkmal vor der Ahrensfelder Kirche:
    17. 11. 88 - Wilhelm Brülke - 19. 10. 15
    Ergebnis der Online-Suche beim Volksbund für Kriegsgräberfürsorge:
  • Name: Brülke, Wilhelm
  • Dienstgrad: Ersatz-Reservist
  • Geburtsdatum/-ort: n/a
  • Todesdatum/-ort: 19.10.1915
  • Grab: Kriegsgräberstätte in Neuville-St.Vaast, Block 3, Grab 1002

  • Rechts vom Hauptweg im Block 3 ist Wilhelm Brülke bestattet, auf den wir durch den Eintrag auf dem Ahrensfelder Kriegerdenkmal aufmerksam wurden Lt. Sterberegister des Standesamtes wurde er in Marzahn geboren und starb im Oktober 1915 im Alter von knapp 27 Jahren in Gommecourt [Karte] an den Folgen seiner Verwundungen.


    Mitten im Gräberfeld steht hier wie auf einigen anderen Soldatenfriedhöfen des ersten Weltkrieges ein weithin sichtbares Kriegerdenkmal. In diesem Fall mal nicht mit der fragwürdigen Inschrift "Für Gott, König und Vaterland", sondern "Den hier fürs Vaterland gefallenen Kameraden" gewidmet. Unter dem Eisernen Kreuz steht eingemeißelt
    "Ich hatt einen Kameraden, einen bessern findst Du nicht".
    Gestiftet wurde das Denkmal einer anderen Inschrift zufolge vom "4. Hannoveraner Infanterieregiment No. 164".

    Zu den Kameraden, derer gedacht wird, zählen hier auch ganz selbstverständlich die jüdischen Soldaten und Offiziere, die in diesem Krieg ihr Leben gelassen haben. 131 Gräber sind mit dem Davidstern statt mit einem Kreuz versehen.


    Mit dem überwältigenden Eindruck, den dieser riesige, und trotz der vorbei führenden Hauptstraße gespenstig stille Friedhof hinterlässt, geht es in das vermutlich alltägliche Verkehrschaos, das ich zum Feierabend rings um Arras, Lens und Lille abspielt. Hoffentlich fahren nicht alle Kraftfahrer gedankenlos an den vielen Friedhöfen vorbei.