Egal, auf welchen Weg man nach Frankreich fährt - gleich hinter der Grenze trifft man auf Hinterlassenschaften der letzten Kriege: Verteidigungsanlagen, die von den Kriegsgegnern angelegt wurden (wie zum Beispiel das „Fort de Villey-le-Sec“ zwischen Nancy und Toul in Lothringen), und jede Menge Friedhöfe, auf denen die Soldaten ruhen, die in diesen sinnlosen Kriegen ihr Leben gelassen haben.
Wir wollen die Fahrt in den Urlaub nutzen und nach Kriegsgräbern von Ahrensfelder Soldaten Ausschau halten.
Die 100.000-Einwohner Stadt Nancy war früher Hauptstadt des Herzogtums Lothringen, das im 18. Jahrhundert im Zuge eines Gebietsaustausches zu Frankreich kam und an den abgesetzten polnische König Stanislaus I. Leszczyński vergeben wurde.
Darum heißt der schönste Platz der Stadt, der vom Rathaus und prächtigen Pavillons gesäumt wird, jetzt „Place Stanislas“.
Den Durchgang zum „Place de la Carrière“ bildet ein großartiger Triumphbogen, der 1757 errichtet wurde.
Etwa 20 km westlich von Nancy liegt die 16.000-Einwohner-Stadt Toul, die schon zur Römerzeit eine wichtige Rolle spielte. Das Zentrum der Stadt ist an vielen Stellen von mächtigen Festungsmauern umgeben. Über diese hinaus ragt, von allen Seiten sichtbar, die gotische Kathedrale „St-Étienne de Toul“. Wie Nancy war auch Toul im zweiten Weltkrieg stark umkämpft. Während der Belagerung im Juni 1940 wurden 40% der Altstadt zerstört, die Kathedrale wurde bei einem Bombenangriff schwer beschädigt.
Zehn Kilometer nördlich von Toul liegt an der (Kreisstraße) D 10 das kleine Dorf Andilly, dem wir einen Besuch abstatten wollen, weil sich dort, mitten im Regionalen Naturpark Lothringen ("Parc naturel régional de Lorraine") gelegen, ein großer deutscher Soldatenfriedhof befindet - wie wir noch erfahren werden, mit ca. 33.000 Gräbern die größte deutsche Kriegs­gräberstätte des Zweiten Weltkrieges in Frankreich.
Zum Glück sind hier wie über­all in Frankreich die Soldaten­friedhöfe gut ausgeschildert, denn Leute, die man fragen könnte, trifft man hier nicht viele. In dieser Gegend liegen vermutlich mehr Leute unter der Erde, als darauf leben.
50 km nördlich liegt Verdun ...
Aus dem Dorf, halb so groß wie Mehrow, ist man gleich wieder raus, ohne einen Soldatenfriedhof gesehen zu haben. Am Ortsausgang steht aber ein Wegweiser, und eine gute Straße, die sich durch die Felder schlängelt, führt zum Friedhof.
Trotz des zunehmenden „Militärtourismus“ scheinen nur wenige Besucher den Weg auf solche Friedhöfe zu finden - der Parkplatz davor ist leer und auf dem riesigen Gelände, auf das der Blick durch die Eingangstür fällt, ist niemand zu sehen.
Eine Tafel am Eingang erzählt, dass in den Jahren 1957 bis 1962 deutsche Soldaten aus einem größeren Umkreis hierher umgebettet wurden und dadurch dieser Friedhof zur größten deutschen Kriegsgräberstätte des zweiten Weltkrieges wurde.
In der am Eingang befindlichen Gedenk- und Informationsstätte ist unter der Überschrift
"Was Sie über diesen Friedhof wissen sollten" Folgendes zu lesen:
"Diese Kriegsgräberstätte wurde 1944 von den Amerikanern für eigene und gegnerische Gefallene angelegt. Nach Kriegsende überführten sie ihre Toten auf die zentrale Kriegs­gräberstätte bei St. Avold, während die deutschen Toten von St. Avold und Epinal nach hier umgebettet wurden. Nach Abschluß des deutsch-französischen Kriegsgräberabkommens im Jahre 1954, erfolgten 1959, durch den Volksbund über 20.000 Zubettungen, größtenteils aus den Vogesen. Mit Hilfe von Mitgliedern und Spendern und durch Zuschüsse der Bundes­regierung baute der Volksbund diesen Friedhof zur größten Kriegsgräberstätte des Zweiten Weltkrieges in Frankreich aus. Hier ruhen 33.085 Kriegstote."
Auf dem Friedhof sind in einem rechtwinkligen Raster 35 Gräberfelder angeordnet, die jeweils mehrere Reihen mit Grab­kreuzen aufweisen. Jedes Kreuz steht für bis zu 6 Grabstellen, d.h. auf dem Gelände stehen etwa 5.000 Steinkreuze, in der Regel mit drei Namen auf jeder Seite.
Vom Haupteingang, wo sich eine Kapelle und ein Raum mit Informationstafeln über die Arbeit des Volksbundes befindet, führt ein gepflasterter Weg zu einem Kreuz am anderen Ende des Friedhofs, das von Gemeinschaftsgräbern flankiert ist.
Wie auf allen bisher besuchten Friedhöfen des Volksbundes besticht die tadellose Pflege. Der Rasen ist frisch gemäht, die Bäume sind gut gepflegt und nur selten findet sich der unver­meidbare Vogelmist auf den Grabsteinen. Das ist eine tolle Leistung der vom Volksbund beauftragten Unternehmen!
Der strahlend blaue, nur mit ein paar „Schäfchenwolken“ verzierte Himmel und die durch die Abgeschiedenheit (und die fehlenden Besucher) herr­schende Ruhe verleihen der Stätte etwas Würdevolles. Man möchte den Soldaten gratulieren, die aus Gräbern nahe der einst umkämpften Straßen, Schützengräben und Festungsmauern hierher umgebettet wurden.
Nach unseren Recherchen im Standesamt und beim Volksbund für Kriegsgräberfürsorge sind auf dieser Kriegsgräberstätte zwei Ahrensfelder bestattet:
  • Heinz Pothenick, der am 18. Juni 1940 durch einen Brustschuss ums Leben kam,
    in einem Ort (Gurches bei Roid), der sich nicht mehr identifizieren lässt, und
  • Gerhard Friedrich, der am 21. August 1945, also ein viertel Jahr nach Kriegsende,
    in Lunéville (südöstlich von Nancy) verstorben ist.
Und tatsächlich sind Beide im Namenbuch der Kriegsgräberstätte gelistet und Ihre Gräber finden sich an der dort und in der Online-Datenbank des Volksbundes angegebenen Stelle:
Pothenick, Heinz
Im Sterberegister 1917-1943 des Standesamtes „Mehrow in Ahrensfelde“ findet sich unter der Nummer 17/1940 folgender Eintrag:
Der Schütze Heinz Pothenick
  • geb. 10. Oktober 1920 in Berlin-Lichtenberg
  • wohnhaft in Ahrensfelde
  • gest. 18. Juni 1940 in Gurches bei Roid
  • Todesursache: Brustschuß
  • Unter Verwendung dieser Angaben findet man beim Volksbund für Kriegsgräberfürsorge folgenden Datenbank-Eintrag:
    Name:Pothenick, Heinz
    Dienstgrad:Schütze
    Geburtsdatum/-ort:10.10.1920
    Todesdatum/-ort:18.06.1940
    Grab:Andilly, Block 14, Reihe 2, Grab 118
    Und der deckt sich mit der Eintragung im Namenbuch des Friedhofes:
    Friedrich, Gerhard
    Im Sterberegister 1945-1955 des Standesamtes „Mehrow in Ahrensfelde“ findet sich unter der Nummer 26/1947 folgender Eintrag:
    Gerhard Georg Oswald Friedrich, Schuhmacher
  • geb. am 30. November 1919 in Ahrensfelde
  • wohnhaft Ahrensfelde b. Berlin, Dorfstrasse 50
  • gest. 21. August 1945 in Lunéville/Frankreich
  • Todesursache: Kriegssterbefall
  • Unter Verwendung dieser Angaben findet man beim Volksbund für Kriegsgräberfürsorge folgenden Datenbank-Eintrag:
    Name:Friedrich, Gerhard
    Dienstgrad:Oberfeldwebel
    Geburtsdatum/-ort:30.11.1919
    Todesdatum/-ort:21.08.1945
    Grab:Andilly, Block 7, Reihe 6, Grab 412
    Und der deckt sich mit der Eintragung im Namenbuch des Friedhofes:
    Ob die beiden in Ahrensfelde oder anderswo noch Verwandte haben und ob jene hin und wieder an sie denken, oder sie schon mal besucht haben, ist nicht bekannt. Wenn es noch Angehörige gibt, dann können diese gewiss sein, dass es für die beiden fern der Heimat kaum einen schöneren Ruheort gibt.
    Die Befriedigung, zwei Mitbürger „gut aufgehoben“ zu wissen, schmälert nicht das Entsetzen über das unendliche Leid, dass der letzte Krieg über die Familien der hier ruhenden Soldaten gebracht hat - und über das Leid, das jene ihren Kriegsgegnern angetan haben. Und dieses Entsetzen wird potenziert, wenn man auf der Karte am Friedhofseingang sieht, wie viele solcher Friedhöfe es in der Umgebung gibt.
    Und dabei zeigt die Karte nur die vom Volksbund angelegten deutschen Friedhöfe, dazwischen liegen in gleicher Dichte Friedhöfe mit französischen und alliierten Kriegstoten ...

    Schon wenige Kilometer und wenige Fahrminuten weiter in Richtung Norden trifft man auf den nächsten Wegweiser zu einem deutschen Soldatenfriedhof ("Cimetière Militaire Allemand"), diese Mal mit Kriegstoten des ersten Weltkrieges.
    Hier, am Ortseingang des kleinen Dörfchens Bouillonville liegen „nur“ 1568 deutsche Soldaten, die im Krieg von 1914-18 in dieser Gegend ihr Leben gelassen haben. Der Friedhof liegt am Hang eines kleinen Hügels und weist nicht nur die üblichen einheitlichen Grabkreuze auf, sondern auch Grabsteine ohne Kreuz für die jüdischen Soldaten und ein paar wenige individuelle Grabsteine.
    Etwas befremdlich ist es aber, auf fremder Erde, wo die Soldaten eigentlich nichts zu suchen hatten, mitten auf dem Friedhof ein stattliches Kriegerdenkmal mit Adler, Eisernem Kreuz und der Inschrift „Für Gott, König und Vaterland“ vorzufinden ...