Es ist seit einigen Jahren eine schöne Tradition, dass die „Städte mit historischem Stadtkern“, zu denen Altlandsberg gehört, in der Adventszeit reihum an jedem Tag ein „Kalendertürchen" öffnen, d.h. ein historisches Gebäude vorstellen und den interessierten Besuchern zugänglich machen. Der RBB ist stets dabei und bringt dann abends in der Sendung „Brandenburg Aktuell“ einen kurzen Bericht.
So auch 2011 - da wurde am 18. Dezember das Türchen in Altlandsberg geöffnet - und zwar die Tür zu Haus und Hof des Heimatvereins.
Es ist das einst vom Grafen von Schwerin gestiftete Altersheim, das später von der französisch-reformierten Kirche als Hospital betrieben wurde und nun seit zehn Jahren den Heimatverein Altlandsberg beherbergt.
Der Verein, der bisher nur Pächter war, hatte gehofft, an diesem Tag die Übernahme des Grundstücks feiern zu können, aber im Vertrag war noch was zu korrigieren, weshalb das wieder aufgeschoben werden musste.


Auf dem Hof wurden die Besucher vom Männerchor „Frohsinn 1880 e.V. Neuenhagen bei Berlin“ mit Weihnachtsliedern begrüßt - zum Trotz des Herbstwetters.


Ein hübsch dekorierter Weihnachtsbaum sowie Glühwein- und Suppendüfte erinnerten die Besucher daran, dass es nur noch eine Woche bis Weihnachten ist.




An den im Hof im Halbkreis aufgestellten Ständen gab es außerdem Kuchen und andere Leckereien, sowie Keramik aus der Altlandsberger Kulturmanufaktur, die von der Künstlerin Ute Edel selbst angeboten wurden.

Zur Einstimmung erzählte Herr Professor Niedrich vom Heimatverein (unten links) etwas über die Geschichte des Hauses und dessen Umgebung - derweil die Leute vom Fernsehen, die schon den ganzen Tag in Altlandsberg 'rumgekurvt waren und auch viele Leute interviewt hatten, mal hier mal da mit ihrer Kamera auftauchten und irgendwann sogar kurz oben auf dem Turm zu sehen waren.

Um dem Fernsehen die rechte Kulisse zu bieten, hatten die Vereinsmitglieder auch alles hervorgekramt, was sich an historischer Kleidung fand und zur Geschichte des Ackerbürgerstädtchens Altlandsberg passt. So traf man an diesem Nachmittag im Haus und im Garten immer wieder auf historische gewandete Damen und Herren.


Ein historisch gewandeter junger Mann war den Besuchern schon vor der Tür begegnet - der Nachtwächtergehilfe Robin, der an diesem Tag die Rolle seines Chefs übernehmen musste. Horst Hildenbrand, der ehrenamtliche und unermüdliche Nachtwächter von Altlandsberg lag zu dieser Zeit gerade im Krankenhaus.
Robin übernahm die Begrüßung der Besucher, erklärte ihnen, vor welchem Haus sie stehen, und öffnete dann die „Kalendertür“, d.h. die Tür zu Haus und Hof des Vereins.

Da er seit seiner Ernennung zum Nachwächtergehilfen beim großen Altlandsberger Nachtwächtertreffen 2008 mit seinem Chef schon viele Runden durch die Stadt gedreht und schon immer mal selbst einen Teil der Führung übernommen hat, fiel im das überhaupt nicht schwer.
Nun stand er etwas ratlos auf dem Hof - es war ja noch nicht dunkel und daher keine rechte Nachtwächterzeit. Friedlich ging's auch zu, da konnte er die Hellebarde stecken lassen. Und die Feuer ringsum wurden alle gebraucht - für Süppchen etc.

Nach dem offiziellen Teil zerstreuten sich die Besucher und gingen auf Entdeckungsreise. Zum Beispiel konnte man an diesem Tag auf den Berliner Turm der Stadtmauer klettern, der sich direkt an das Haus des Heimatvereins anschließt. Die steile Leiter ist eine ziemliche Herausforderung, aber selbst die Kameraleute haben es hoch geschafft.


In Anbetracht des schlechten Wetters hat sich aber die Mehrzahl der Besucher ins Haus verzogen, wo es viel zu sehen und zu erfahren gab. Im Flur wurde man von netten Damen begrüßt - eine saß am Spinnrad, eine andere lag (eingeritzt in einen Backstein) im Regal.


In dem Haus lebten einst sechs allein stehende alte Leute, meist drei Männer und drei Frauen. Jeder hatte dort ein kleines Zimmer und eine angrenzende Küche. Das gemeinsame winzige Klo befand sich unter der Treppe zum Dachboden.
Gleich vorn ist eine solche Wohnung zu sehen, wobei dort ein Wohnzimmer unter­gebracht ist, das mit Sicherheit viel vornehmer ist, als was da früher mal stand. Die Küche ist aber original.

Mit den netten Damen wollte es kein Ende nehmen. Auch im Versammlungsraum, der durch die Zusammenlegung zweier früherer Zimmer entstanden ist, waren diese anzutreffen. Hier lief in einer Endlosschleife ein Video, das aus alten Super-8-Aufnahmen zusammen geschnitten war und teils 50 Jahre alte Aufnahmen von Gebäuden, Menschen und Festlichkeiten der Stadt Altlandsberg enthielt. Da saßen stets Trauben von Altlandsbergern davor und schwelgten laut in ihren Erinnerungen.

Zwei Damen, die hier von Frau Hildenbrand (Bildmitte) durch die Räume geführt werden, haben gleich entdeckt, dass in einem der jetzt vereinten Zimmer ihre Mutter bzw. Großmutter bis zu ihrem Tode lebte und dass die erhaltene Küche noch fast so ausgestattet ist, wie sie es einst war. Daraus entspann sich ein Austausch an Erinnerungen. Die Besucherinnen konnten genau erzählen, wie das Zimmer und die Küche eingerichtet waren und Frau Hildenbrand wusste einiges vom späteren Umbau zu berichten.

Im Erdgeschoss des Hauses gibt es noch die ehemals von den alten Leutchen gemeinsam benutzte Waschküche zu sehen - mit einer prima Miele-Reklame an der Wand.
„Nur Miele Miele“
sagt Tante, die alle Waschmaschinen kannte.
So viel Schleichwerbung muss im Museum erlaubt sein.


Richtig spannend wurde es dann aber auf dem Dachboden. Wenn man die knarrende Treppe hinauf steigt und die Bodentür öffnet, dann steht man in einem richtigen Heimatmuseum. In den Nischen zwischen Pfosten, die einst als Speicher für die darunter liegende Wohnung dienten, sind nunmehr thematisch sortiert alter Hausrat, historische Werkzeuge, altertümliche medizinische Geräte und Schul-Utensilien ausgestellt. Dazwischen finden sich alte Bilder oder gerahmte Gedichte und gleich an der Tür ein altes Emaille-Schild, das einem die frühere Nutzung des Hauses noch mal vor Augen führt:
Hospital der Evangel. reformierten Schloßkirchengemeinde Alt-Landsberg
Nach heutigem Vokabular war es wohl eher ein Pflegeheim.


Die im Arztzimmer zusammengetragenen Gegenstände sind manchem jüngeren Besucher bestimmt nicht mal mehr dem Namen nach bekannt. Das Korsett auf dem Schrank und den Lichtkasten auf der Liege wird man heute nur noch selten finden. Die Klostühle sehen heute auch anders aus - aber bei weitem nicht mehr so gemütlich!


In der Schulstube kann man die alten harten Holzbänke ausprobieren und sich auch gleich in alter Schreibschrift üben. Wenn keiner schaut, kann man auch schnell mal aufs Schaukelpferd steigen. Die Bierflaschen und Unterhosen sind leider leer.



Viel Lob verdienen die Vereinsmitglieder und vor allem ihr Vereinsvorsitzender, Herr Professor Niedrich, nicht nur für das Zusammentragen und Platzieren der interessanten Ausstellungsstücke auf dem Dachboden. Der musste vorher erstmal dafür tauglich gemacht werden: Die Laufstege auf den Deckenbalken mussten durch einen richtigen, stabilen Fußboden ersetzt werden und die Dachfläche musste wenigstens so weit isoliert werden, dass der Dachboden halbwegs frostfrei ist. Und es gibt da immer noch viel zu tun.

Wer bei der Besichtigung des Hauses und bei den Gesprächen mit den Vereinsmitgliedern und anderen Besuchern hungrig oder durstig geworden war, musste nicht mit solchen Beschwerden nach Hause gehen. Im Garten hinter dem Haus war noch bis in die Dunkelheit hinein Betrieb und reichlich Labsal zu finden. Engpässe beim Glühwein, die es anfangs gab, waren glücklicherweise schnell behoben...

Neben den vielen Veranstaltungen, die Altlandsberg das Jahr über zu bieten hat, wie beispielsweise Sattelfest, Vogelscheuchenfest, historischer Markt, Lichterfest usw., ist das alljährliche Kalendertür-Öffnen ein weiterer guter Grund, mal nach Altlandsberg zu fahren.
Die über die Stadt verstreuten Figuren, wie diese hier am Berliner Turm (ganz nah an der so beliebten Eisdiele) laden die Gäste ganz herzlich dazu ein.
Schau'n Sie doch einfach mal vorbei!