Nach Altenlandsberg bei Berlin,
da zieht es manchen Fremden hin.
Man kommt zu Fuß, per Rad und Pferd,
auf jeden Fall ganz unbeschwert.
Und manche kommen mit Töff-Toff,
wie Ende Juli das ZDF.

Im fernen Mainz hat man vernommen,
dass Leute hier zusammen kommen,
gemeinsam durch die Stadt zu gehen
und sich Besond'res anzusehen.
Nun war es wieder mal so weit
und eine große Menge stand bereit.

Die Leitung einer solchen Truppe
ist nichts für eine Zuckerpuppe.

Ein richt'ger Hüne muss da her,
Gott zur Ehr und dem Feind zur Wehr.
Horst Hildenbrand, nicht hoch, doch breit
ist da der Beste alle Zeit.
Er ist der Wächter dieser Stadt,
die Türme und 'ne Mauer hat.



Hussiten haben hier gesessen
und ringsum alles weg gefressen.
Als sie zum Rückzug sich getroffen,
war'n zwei davon so sehr besoffen,
dass sie nicht konnten aufrecht steh'n,
im Kerker gab's ein Wiederseh'n.

Nach Tagen hielt man dann Gericht,
wovon die Chronik gibt Bericht.
Statt Foltern durch die wilde Meute
gabs als Strafe zwei alte Bräute.
Doch die beiden Böhmen
taten sich an die Strafe gewöhnen.
Ne Braut im Häuschen mit Erker
ist besser als eine Zelle im Kerker.

Gar brav wurden beide,
taten niemand was zu Leide.
Bald waren sie Väter,
Opas und Ur-Opas später.
Wer weiß, wie viele Ur-Ur-Enkel
sich heute klopfen auf die Schenkel,
wenn sie hören von der Straf',
die ihre Ur-Ur-Opas traf.


Davon der Wächter kann berichten,
auch verpackt in Liedern und Gedichten.
Es macht viel Spaß im zuzuhören,
drum viele auf die Touren schwören,
die er da macht durch seine Stadt,
wenn er denn Zeit und Muße hat.

Doch Zeit ist knapp und wird nicht mehr,
da müssen fleiß'ge Helfer her.

Er hat da drei, das macht ihn froh,
und die drei Helfer sowieso.
Anna, Robin, Jan
so heißt der treue Clan.

Zwei Jahre schon sind sie dabei
und das ist keine Spielerei.

Viel Fleiß man braucht,
der Kopf oft raucht,
will man all die Geschichten,
von den' die Leut' berichten,
behalten und bewahren,
und das in jungen Jahren ...

Der Auftritt vor viel Publikum,
erfordert schon ein Unikum.
Doch was der Alte jetzt schon kann,
können die Jungen auch irgend wann.


Ein Stoß ins Horn und dann geht's los,
gefolgt von einem ganzen Tross.
Drei Häuser weiter ist schon Halt,
ein Schauer macht den Rücken kalt:
Wer ist da auf der Wand zu sehn,
im Hosenanzug wunderschön?
Frau Merkel ist es ohne Frag,
im Hausflur, nicht im Bundestag.
Ach wär's doch wahr - wie wunderbar!


Und dann am Denkmal gegenüber,
da sind gleich alle etwas klüger,
denn Robin weiß hier zu erzählen,
wie die Kinder, die sich quälen,
zur Schule mit den Klassensälen,
erheitert werden durch den Clown,
auf den sie immer schau'n,
wenn sie passieren diesen Platz,
in Ruhe oder Hatz.

Die Bronze ist nett anzuseh'n
und immer mal bleibt jemand steh'n.

Auch heut' der Weg zur Schule fällt schwer,
doch so spät abends ist die leer.
Kein Lehrer weit und breit -
was für 'ne tolle Tageszeit.
Die Anna lacht,
als wär' der Tag für sie gemacht.

Dort hinten einst ein Kloster war
mit einer munt'ren Mönche-Schar.
Die half den Kranken im Revier
und braute auch ein köstlich Bier.
Die Bürger machten das dann nach,
bis alles flach am Boden lach ...
Der Brauer gab's einst vier und vierzig,
ihr Bier war gut und auch sehr würzig.
Wer die getestet ganz genau,
der war am Abend furchtbar blau.
Der Jan, der weiß das sicher auch,
selbst wenn vom Bier ist nichts im Bauch.

Herr Hildenbrand hingegen,
trank oft ein Bier auf seinen Wegen.
Zum Glück war's keine Plürre,
sonst wäre er ganz dürre ...
Auch wenn er kommt aus Hessen,
den Wein hat er vergessen.

Doch neben lustigen Geschichten
gibts auch Trauriges zu berichten.

Juden haben hier gewohnt, von allen geachtet,
bis man sie am liebsten hätt' verfrachtet.
Nur Vaters Uniform konnte sie schützen,
nach seinem Tot tat's nichts mehr nützen.
Mutter und Sohn wurden ins Ghetto gebracht.
Jetzt hat man sich ihrer Geschichte bedacht.

Dort wo das "A" lädt Kunden ein,
sind in der Erd' drei Stolperstein'.
Sie sollen die Erinnerung bewahren,
an das was hier geschah vor Jahren.


Am Marktplatz wird's dann munter,
zwei Frauen putzen sich da runter.
Der Wächter muss sie laut ermahnen,
tut er die Folgen doch schon ahnen.


Das Fernseh'n stürzt mit aller Gier
auf diese Unruh im Revier.
"In Brandenburg fliegen die Fetzen"
würde man im Westen hetzen.
Doch eh der Film ist abgedreht,
der Zorn der Frauen ist verweht.
Sie lachen in die Kamera, man könnte glauben,
sie taten sich 'nen Spaß erlauben.

Ein Stückchen weiter Richtung Schloss
macht wieder Halt der ganze Tross.

Auf "Altstadtgeschichten"
kann man die Blicke hier richten.
Fünf Bürger schauen in die Sterne,
der Narr daneben beobachtet sie gerne.
Wenn man dort tritt noch näher ran,
man viele Figuren erkennen kann.

Und auf der Bronze kann man lesen,
wie es vor Jahren hier gewesen,
als es noch oft im Städtchen brannte
und jederman zur Spritze rannte,
bis man die Scheunen aus der Stadt
weit vor die Tor versetzet hat.

Der Bürger Ehr zu retten, sei gesagt,
weil immer wieder jemand fragt:
Nicht hochnäsig sind sie, wie Robin berichtet,
das hat man ihnen nur angedichtet.



Die große Kirche dieser Stadt
nen andern Platz als üblich hat.
Nicht an den Markt ist sie gebaut,
vergeblich man dort nach ihr schaut.

Und auch die Uhr fällt aus der Reihe,
an Ziffernblättern gibt's nur dreie.
Zum Schloss hin keine Uhr sich dreht,
dort weiß man selbst genau, wie spät.

Kein Bürger soll dem Schlossherrn sagen,
was die Uhr grad hat geschlagen.
Vor zweieinhalb Jahrhunderten
die Leute sich zwar wunderten,
wie komisch die im Schloss da sind,
worüber bald lacht jedes Kind.

Doch Hochmut schützte nicht vor Flammen,
drum fiel das Schloss in sich zusammen,
als angeheizt ward in der Küche
und trotz vieler ausgesprochner Flüche,
der Rauch ging nicht zur Esse raus,
stattdessen kroch durchs ganze Haus.

Obwohl der Fritz als Kind hier weilte,
als König er sich nicht beeilte,
das Bauwerk wieder herzurichten,
drum müssen wir aufs Schloss verzichten.

Der Amtsrat Jannicke,
nicht irgendein Männicke,
erzählt davon an Ort und Stelle -
er kennt die Story aus sicherer Quelle.

Dort, wo das Schloss gestanden einst,
wächst Rasen nun ganz allerfeinst.
Nur die Kapelle ist geblieben,
barockes Bauwerk zum Verlieben.

Franzosen haben sie genutzt
und zwischendurch auch mal geputzt.
Dann stand sie leer und wurde Werkstatt,
was sicher vor'm Verfall bewahrt hat.

Das Bauwerk wird jetzt restauriert
und bestimmt auch reich verziert,
Konzerte soll's hier später geben,
das füllt das Haus mit neuem Leben.

Der Rest der Tour ist nicht von Dauer,
es geht entlang der alten Mauer,
die immer wieder ward gestutzt,
als Steinbruch für das Haus genutzt.

Die Fläche daneben
tat auch viel erleben,
als Pinkelbude hin und wieder,
als Trockenplatz für's feine Mieder,
als Anleinplatz für's edle Pferd
und heut für mancherlei Gefährt.

Ein Radweg führt durchs satte Grün,
der zieht sich bis zur Ostsee hin,
passiert gar manche schöne Ecke
und dient so 'nem guten Zwecke.

Noch weiter wird's die Störche wehen,
die jetzt dort auf dem Turme stehen.
Kinder, Mutter, Vater
überwintern am Äquator.
Im nächsten Jahr, das hofft man sehr,
kommen sie dann wieder her.

Das Storchennest das gibt's schon lange,
drum ist es keinem richtig Bange.

Am Storchenturm fast angekommen,
ein feiner Duft wird wahrgenommen.
Der tritt aus einem Haus heraus,
das aussieht wie ein Puppenhaus.

Wo einst die ärmsten Bürger hausten,
die Kranken und auch die Verlausten,
da kann man heut gar zünftig essen
und alle Sorg ganz schnell vergessen.

"Das Armenhaus" heißt das Gemäuer,
wo man sehr gut und gar nicht teuer,
ne Molle zischt und auch 'nen Korn -
nach solcher Tour träumt man davon.

Doch vorher sei noch Tschüß gesagt,
dem Wächter, der uns unverzagt,
geleitet hat durch diese Nacht
und nun verdiente Pause macht.
Bis er das Horn dann wieder greift
und wachsam durch die Straßen streift,
die Bürger warnt vor Feind und Feuer,
doch machtlos ist er bei der Steuer.

Hussiten waren einst ne Qual,
der Fiskus übertrifft sie allemal.
Wenn Krummensee einst in der Nacht
die Leute um den Schlaf gebracht
und Wallenstein mit seinen Truppen
geplündert hat bis in die Puppen -
was sie geholt, sind Peanuts nur,
denn bald gibt's Steuer für Kultur.

Der heut'ge Abend hätt' gebracht,
Vergnügungssteuer schon ab acht,
ein Sohlengeld, die Strumpfpauschale
die Laufabgabe allemale,
ein Standgeld für die kurzen Pausen,
ne Hörgebühr, die Zuschau-Steuer,
schon das Dabeisein würde teuer.

Für's Alte die Historiensteuer,
fürs Neue, das ist ungeheuer,
der News-Aufschlag, den Update-Pfennig,
und auch 'ne "Event-Tax" wäre fällig.

Drum liebe Leute wartet nicht,
egal, was die Regierung spricht.
Schaut in das Web und in die Zeitung,
wann wieder unter kund'ger Leitung
des Wächters Horst zu später Stunde
Bürger und Gäste drehen ihre Runde.

Und schließt Euch an, um selbst zu sehen,
es lohnt sich sehr, den Weg zu gehen.

Auch sei empfohlen des Nachtwächters Abend,
mit Speis und Trank, erquickend und labend,
der hier im Armenhause findet statt
und stets viel Freud' bereitet hat.


Die beschriebene Nachtwächtertour fand am Freitag, den 30. Juli 2010 statt.
Das Zweite Deutsche Fernsehen (Slogan: "Mit den Dritten beißt man besser.") hat diese Tour begleitet, den Nachtwächter den ganzen Tag verfolgt und darüber hinaus Aufnahmen von verschiedenen, normalerweise nicht zugänglichen Sehenswürdigkeiten gemacht. Alles zusammen wird in den nächsten Wochen im ZDF in einer Magazin-Sendung zu sehen sein. Das ist sicher sehenswert!